Pearl Harbor: Angriff, Ergebnis & Vergeltung
Am frühen Morgen des 7. Dezember 1941 griffen Streitkräfte des kaiserlichen Japan den amerikanischen Marinestützpunkt auf der Insel Oahu (Hawaii) an. Vorausgegangen war dem Angriff ein längeres diplomatisches Zerwürfnis zwischen den USA und Japan. Aufgrund der japanischen aggressiven Expansion gegen seine asiatischen Nachbarländer, verhängte die US-Regierung Sanktionen gegen Japan. Besonders die immer brutalere Einverleibung chinesischer Gebiete durch Japan führte zu internationaler Kritik.
Nach Berechnungen der japanischen Militärs blieb nur ein geringes Zeitfenster, in den es die aktuell noch vorhandene Handlungsfähigkeit gegenüber den USA zu nutzen galt. Ein längeres Abschneiden von wichtigen Rohstoffen durch die Sanktionen würde zu einer Verkehrung des Vorteils führen. Die japanische Politik hatte sich in den 1930er-Jahren immer stärker radikalisiert. Diese Entwicklung kann mit dem Aufstieg des Faschismus in Italien und Nationalsozialismus in Deutschland im selben Zeitraum verglichen werden.
Die Planung des japanischen Angriffs
Der japanische Admiral Isoroko Yamamoto arbeitet einen Plan für einen Überraschungsangriff auf Pearl Harbor aus. Ende November 1941 verließ der japanische Angriffsverband die Kurilen im nördlichen Japan in Richtung Hawaii. Durch Spionageaktivitäten auf der Insel Hawaii war die japanische Regierung über die örtlichen Vorgänge informiert. Der japanische Angriffsverband wählte eine wenig vom Schiffsverkehr befahrene Route über den nördlichen Pazifik. Die Fahrt zum Angriffsziel verlief überwiegend unter Funkstille. Für Japan verband sich mit dem Angriff die Hoffnung, dass man Zeit gegenüber den USA gewinnen würde. Japan hoffte auch die westlichen Mächte in Asien zu einer Anerkennung der japanischen Einflusssphären im asiatischen Raum zu zwingen.
Der Angriff auf Pearl Harbour beginnt
Ohne Vorwarnung griffen die von den Trägerschiffen gestarteten japanischen Kampfflugzeuge die militärischen Einrichtungen in Pearl Harbor an. Eine eilig durch die japanische Regierung verfasste Kriegserklärung erreichte die US-Regierung erst nach Beginn des Angriffs. Die japanischen Kampfflugzeuge trafen bei der ersten Angriffswelle auf wenig Widerstand. Hauptangriffsziel waren die im Hafen liegenden Schiffe der amerikanischen Pazifikflotte und die Flugplätze der amerikanischen Luftwaffe. Der Angriff auf die Flugplätze seitens der japanischen Streitkräfte sollte auch präventiv amerikanischen Widerstand brechen.
Die Zweite Angriffswelle der japanischen Luftstreitkräfte erlitt durch amerikanischen Widerstand Verluste. Nach anfänglicher Konfusion konnten sich die amerikanischen Streitkräfte sammeln und gegen die angreifenden japanischen Flugzeuge vorgehen. Das leitende militärische Personal der japanischen Angriffsflotte wurde zunehmend nervös, weil die erwarteten amerikanischen Trägerschiffe nicht im Hafen von Pearl Harbor lagen. Es bestand das Risiko, dass die japanische Angriffsflotte durch die amerikanischen Trägerschiffe überrascht wurde. Der kommandierende Admiral Nagumo entschloss sich keine dritte Angriffswelle zu starten. Die japanische Angriffsflotte zog sich unbehelligt von den US-Streitkräften in Richtung Westen zurück.
Die amerikanischen Verluste waren mit ca. 2.400 Gefallenen hoch. Die materiellen Schäden waren gering. Mit der USS Arizona hatte die amerikanische Flotte einen kompletten Verlust erlitten. Die meisten der amerikanischen Schiffe waren leicht beschädigt und zeitnah wieder einsatzfähig. Die zerstörten amerikanischen Flugzeuge konnten durch das massive Rüstungsprogramm der USA schnell ersetzt werden. Die Hafenanlagen in Pearl Harbor waren überwiegend unbeschädigt und konnten weiterhin durch die amerikanische Flotte genutzt werden. In seiner Eigenschaft als Flachseehafen konnte ein Großteil der beschädigten amerikanischen Schiffe vor der kompletten Versenkung bewahrt werden. Wenig später nahmen viele dieser Schiffe am Krieg gegen Japan teil.
Die Verluste der japanischen Streitkräfte waren mit unter 100 Gefallenen gering. Das japanische Militär hatte mit viel größeren eigenen Verlusten gerechnet. Durch den Überraschungsangriff erlangte Japan innerhalb eines Tages die strategische Initiative im Pazifik. Wenige Tage später griffen japanische Streitkräfte die Philippinen an. In den weiteren Monaten eroberten die japanischen Streitkräfte immer mehr Länder in Asien. Weite Teile von Südostasien gerieten unter japanischen Einfluss oder wurden durch japanische Truppen besetzt. Erst im Juni 1942 sorgte die Niederlage der japanischen Streitkräfte in der Schlacht um Midway für einen Wechsel der Initiative zugunsten der USA.
Die langfristigen Implikationen
Langfristig hatte der japanische Angriff auf Pearl Harbor negative Auswirkungen für Japan. Vor dem Angriff auf Pearl Harbor neigte die amerikanische Bevölkerung zur Neutralität und trat für eine außenpolitische Zurückhaltung ein. Pearl Harbor sorgte für einen Meinungsumschwung. Das industrielle Potential der USA führte durch den amerikanischen Kriegseintritt für einen Umschwung im Zweiten Weltkrieg zugunsten der Alliierten. Bisher war der Zweite Weltkrieg auf Europa und Afrika begrenzt. Spätestens durch den Kriegseintritt der USA entstand ein globaler Konflikt.
Die Tatsache, dass beim Angriff auf Pearl Harbor keines der amerikanischen Trägerschiffe anwesend war, führte zu Theorien, dass die US-Regierung nur auf einen Vorwand für einen Kriegseintritt wartete. Für diese Theorien gibt es keine haltbaren Belege. Einige amerikanische Zeitzeugen hielten die alleinige Planung des Angriffs auf Pearl Harbor durch Japan für nicht möglich. Hinter dem japanischen Angriff wurde der Einfluss des deutschen Bündnispartners vermutet. Die Zusammenarbeit zwischen Japan und Deutschland war kaum koordiniert. Deutschland erfuhr erst durch die Medien vom Angriff auf Pearl Harbor. Die Unterschätzung der japanischen Fähigkeiten entsprach auch dem damals verbreiteten Überlegenheitsgefühl der westlichen Welt gegenüber ethnisch nicht amerikanisch- oder europäischen Völkern.
Erinnerung an Pearl Harbour & Gedenkkultur
Der heutige Erinnerungsort Pearl Harbor hat für die amerikanische Erinnerungskultur eine bedeutende Rolle. Die Gedenkstätte in Pearl Harbor ist nach Meinung von kritischen Stimmen zunehmender Kommerzialisierung ausgesetzt.
Auch für den Tourismus stellt Pearl Harbor einen wichtigen Anziehungspunkt dar. Die ambivalente bis in die Gegenwart andauernde unterschiedliche Bewertung des Angriffs auf Pearl Harbor zeigen diverse Vorfälle, die zu diplomatischen Verstimmungen zwischen den USA und Japan geführt haben. Dazu zählt etwa der versehentliche Zusammenstoß eines amerikanischen U-Boots mit einem japanischen Schulschiff im Jahr 2001. Oder auch die Kontroverse in Teilen der amerikanischen Öffentlichkeit bezüglich der Abhaltung einer japanischen Teezeremonie in der Gedenkstätte der USS Arizona zum Jahrestag des Angriffs auf Pearl Harbor 2011. Bis heute hat sich die japanische Regierung nicht offiziell für den Angriff auf Pearl Harbor entschuldigt.
Autor: Angelo Wiesel
Literatur
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