Ein tabellarischer Überblick – Zweiter Weltkrieg: Deutschlands Partner – Deutschlands Opfer
Vor fast zehn Jahren erschien in Polen ein historisches Tabellenwerk (M. Mizerski /Hrsg./: Tablice historyczne, Warschau 1996), in dem sich eine originelle Aufstellung findet. Es ging um die Länder, die mit Hitlers Deutschland verbündet oder von ihm unterworfen waren – was letztlich auf dasselbe hinauslief. Wir von Shoa.de meinen, dass die Aufstellung einen guten ersten Überblick vermittelt und stellen sie darum unseren Lesern zur Verfügung – ergänzt um einige Länder und erweitert um einige historische und biographische Daten und um Bilder der jeweiligen Spitzenpolitiker.
Land | Beziehungen | Politiker | Details |
Italien | Politischer, ökonomischer, militärischer Verbündeter seit 1936. | ![]() Benito Mussolini (1883-1945) |
Schwache italienische Armee belastete Bündnis; Sturz der faschistischen Regierung am 23. August 1943; faschistische „Republik Salo“ in Nord-Italien. |
Sowjetunion | Nichtangriffspakt mit Deutschland (23.8. 1939), Hauptlieferant von Rohstoffen an Deutschland. | ![]() Iosif V. Stalin (1879–1953) |
Deutscher Überfall („Unternehmen Barbarossa“) am 21.6.1941. |
Ungarn | 1938 und 1940 („Wiener Schiedssprüche“) um slowakische und rumänische Territorien stark erweitert, seit 27.6.1941 auf deutscher Seite im Krieg mit Sowjetunion. | ![]() Miklós Horthy (1868–1957) |
1943 erfolglose Versuche, mit Alliierten Frieden zu schließen, Besetzung Ungarns durch deutsche Truppen am 19.3.1944, ab Oktober 1944 Deportation von 200.000 Juden. |
Rumänien | 1940 unter deutschem Druck Gebietsabtretungen an Sowjetunion (Besarabien, Bukowina), Bulgarien (Süd-Dobrudsha) und Ungarn (Nord-Siebenbürgen), ab 24.6.1941 auf deutscher Seite Krieg gegen Sowjetunion. | ![]() Ion Antonescu (1882–1946) |
23.8.1944 bricht Rumänien aus deutscher Front aus, öffnet Roter Armee den Weg zum Balkan und beteiligt sich am Endkampf gegen Deutschland. |
Bulgarien | Ab 1.3.1940 „Achsenpartner“, bekommt mit deutscher Hilfe rumänische (Süd-Dobrudsha) und jugoslawische Territorien (Makedonien), beteiligt sich nicht am deutschen Krieg gegen die Sowjetunion und rettet ca. 55.000 bulgarische Juden vor Deportation. | ![]() Zar Boris III. (1894–1943) |
Bulgarien wird am 9.9.1944 kampflos von der Roten Armee besetzt und beteiligt sich am Endkampf gegen Deutschland. |
Slowakei | Seit 14.3.1939 souverän, aber völlig von Deutschland abhängig, ab 24.6.1941 auf deutscher Seite Krieg gegen Sowjetunion, Deportation von 57.837 Juden, wofür die Slowakei 18 Mio. Reichsmark an Deutschland zahlte. | ![]() Monsignore Jozef Tiso (1867-1947) |
August 1944 antideutscher Nationalaufstand, danach Rückkehr in den Bestand der Tschechoslowakei. |
Kroatien | Seit April 1941 „Unabhängiger Staat Kroatien“ (NDH) unter Führung der faschistischen Organisation „Ustasche“ (Aufständische), Teilnahme am deutschen Krieg gegen die Sowjetunion. | ![]() „Poglavnik“ (Führer) Ante Pavelić (1889-1959) |
Brutale Verfolgung der ethnischen Minderheiten der Serben, Juden und Roma, von denen in Lagern wie Jasenovac ca. 700.000 getötet wurden. |
Finnland | 1941 Teilnahme am deutschen Krieg gegen die Sowjetunion, um die Verluste des von Stalin provozierten sowjetisch-finnischen „Winterkriegs“ (Dezember 1939) zu revidieren. | ![]() Carl Gustav Emil Mannerheim (1867-1951) |
19.9.1944 Friedensschluß mit Sowjetunion, große Territorialverluste, kein Zugang zum Eismeer, Begrenzungen politischer Souveränität („Finnlandisierung“). |
Frankreich | Nahm 1936 Hitlers Rheinland-Besetzung hin, erklärte Deutschland 1939 nach dem Überfall auf Polen den Krieg, blieb aber passiv, wurde militärisch besiegt und schloß am 22.6.1940 den Waffenstillstand von Compiègne. | ![]() Henri-Philippe Pétain (1856-1951) |
1940 Teilung Frankreichs in das nördliche deutsche Besatzungsgebiet und das südliche „freie“ Vichy-Frankreich (40% des Territoriums) unter Pétain, Kollaboration mit Deutschland, Bekämpfung des Widerstands, Deportation von ca. 100.000 Juden. |
Belgien | König Leopold III. kapitulierte Ende Mai 1940 vor der deutschen Armee blieb aber den ganzen Krieg über im Lande. | ![]() Léon Degrelle (1906-1994) |
Kollaborationsvorwürfe an den König nach dem Krieg, SS-Division „Wallonien“ unter dem fanatischen Hitler-Anhänger Degrelle an der deutschen Ostfront. |
Norwegen | Anfang Juni 1940 von deutschen Truppen nach schweren Kämpfen besetzt (Unternehmen „Weserübung“), König Haakon III. und die Regierung flohen nach London. | ![]() Vidkun Quisling (1897-1945) |
Starker Widerstand, aber auch fanatische Kollaboration unter dem mehrfachen Ministerpräsidenten Quisling und seiner Bewegung „Nasjonal Samling“. |
Niederlande | Am 10.5.1940 ohne Kriegserklärung angegriffen, Bombardement den Haags und Rotterdams, 25.5.1940-4.5.1945 deutsches „Reichskommissariat“. | ![]() Adriaan Mussert (1894-1946) |
Ökonomische Ausbeutung, Deportation von 106.000 Juden, partielle Kollaboration durch „leider“ (Führer) Mussert und seine „Nationaal Socialistische Beweging“. |
(imaginäres) Russland | Aufstellung russisch-nationaler Einheiten aus Kriegsgefangenen, größte Formation ist die „Russische Befreiungsarmee“ (ROA, 1 Mio. Angehörige) unter General Vlasov. | ![]() Andrej Vlasov (1901-1946) |
Beteiligt an der Niederschlagung des Warschauer Aufstands, kämpfte Anfang Mai 1945 beim Prager Aufstand gegen die deutsche Armee. |
Ukraine | War 1941 erstes Eroberungsziel der deutschen Armee, wurde bis Ende September 1941 fast vollständig besetzt. Deutsche Truppen zunächst als Befreier begrüßt, bald aber wegen ihres brutalen Terrors durch starke Partisaneneinheiten bekämpft. | ![]() Stepan Bandera (1909-1959) |
Kollaboration durch die „Organisation Ukrainischer Nationalisten“ (OUN) unter Bandera, erfolgloser Versuch, einen souveränen ukrainischen Staat zu bilden. |
Tschechien | Am 15.3.1939 in das „Protektorat Böhmen und Mähren“ umgebildet, bis Anfang Mai 1945 Teil des „Großdeutschen Reichs“, aber mit eigener Regierung unter Präsident Hácha. | ![]() Emil Hácha (1872-1945) |
Vereinzelte große Widerstandsaktionen (Attentat auf „Reichsprotektor“ R. Heydrich, 27.5.1942), aber allgemeine Verweigerung bei minimaler Kollaboration, Deportation des größeren Teil von ca. 280.000 tschechischen Juden. |
Litauen | 1940 unter Zwang Sowjetrepublik, im Juni 1941 von deutscher Armee besetzt, fortan halbsouveräner Status. | ![]() Povilas Plechavicius (1890-1973) |
Starker Partisanenkampf, partielle Kollaboration unter General Plechavicius. Deportation von 220.000 litauischen Juden. |
Lettland | Wie Litauen | ![]() Karlis Ulmanis (1877-1942) |
Von Premier Ulmanis auf eine Politik des „Überlebens“ eingeschworen, Kollaboration in Form einer „Lettischen Legion“ auf deutscher Seite, Deportation von 60.000 Juden. |
Estland | Wie Litauen | ![]() Jüri Uluots (1890-1945) |
Wegen extremer sowjetischer Repression hohe Bereitschaft zur Kollaboration bis hin zur Wehrpflicht in estnischen Einheiten der deutschen Armee. Nationalisten um Ex-Premier Uluots unterstützten diesen Kurs. Deportation fast aller 4.400 Juden. |
Dänemark | Kampflose Besetzung am 9.4.1940, in weitgehender Unabhängigkeit belassen, wichtiger Lieferant der deutschen Kriegswirtschaft, war als Teil des „Groß-Germanischen Reichs“ nach dem „Endsieg“ vorgesehen. | ![]() Frits Clausen (1893-1947) |
Minimale Kollaboration durch „Danmarks National-Socialistiske Arbejder Parti“ (DNSAP) unter Clausen, SS-Freiwillige, Frühherbst 1943 wurden über 7.000 Juden nach Schweden gebracht und so gerettet (unter Mithilfe des deutschen Diplomaten G.F.Duckwitz). |
Übersetzung aus dem Polnischen und Bearbeitung: Wolf Oschlies
Literatur
Benz, Wolfgang et al. Hg.: Anpassung Kollaboration Widerstand. Kollektive Reaktionen auf die Okkupation, Berlin 1996.
Brockdorff, Werner: Kollaboration oder Widerstand. Wels 1992.
Gilzmer, Mechtild: Widerstand und Kollaboration in Europa. März 2004.
Hirschfeld, Gerhard / Patrick Marsh: Kollaboration in Frankreich. Frankfurt/Main 1991.
Röhr, Werner Hg., Europa unterm Hakenkreuz. Okkupation und Kollaboration (1938-1945). Beiträge zu Konzepten und Praxis der Kollaboration in der deutschen Okkupationspolitik, Berlin/Heidelberg 1994.
Seidler, Franz W.: Die Kollaboration 1939-1945. München 1999.
Eine Auswahlbibliographie zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus finden Sie bei Zeitgeschichte Online.