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Startseite > Zeitalter der Weltkriege > Zweiter Weltkrieg > Stalin 1943: „Ohne Hilfe der Alliierten hätten wir den Krieg verloren“
Geschrieben von: Wolf Oschlies
Erstellt:

Stalin 1943: „Ohne Hilfe der Alliierten hätten wir den Krieg verloren“

Teil I: Russlands „Sieg“ im Zweiten Weltkrieg – ein Selbstbetrug

1. Einführung

Russlands „Sieg“ im Zweiten Weltkrieg – ein SelbstbetrugAlle Frühjahre wieder überfluten Russlands Mächtige und Medien die Öffentlichkeit mit einem Tsunami von wehrhistorischem Eigenlob. Zwar haben Sowjetunion (Russland) kaum jemals irgendwo gesiegt, aber das hielt sie nie ab, zu jedem 9. Mai ihren „Großen Sieg“ im „Großen Vaterländischen Krieg“ mit riesigen Militärparaden zu würdigen. Vor allem wenn Jahrestage Symbolik verheißen, etwa 1995, als man das „goldene Jubiläum des Sieges“ feierte, den 50. Jahrestag des Kriegsendes. Unter den Augen  von Präsident El’cin, der den (fortan obligatorischen) Prunkstil der Aufmärsche präg­te, verlief die Parade mit 15.000 Teilnehmern: Aufmarsch von 4.980 „Veteranen“ aus Russland und anderen Sowjetrepubliken, dann die Parade „der Armee und der Kriegstechnik der Moskauer Garnison“. Zuschauer durften Gedenkmünzen zu exklusiven Sowjet-Verdiensten erwerben: “Befreiung Europas vom Faschismus“, “Bedingungslose Kapitulation Japans“, „Zerschlagung des deutsch-faschistischen Deutschlands“ (Razgrom nemecko-faṧistickoj Germanii), Befreiung Belgrads etc. Nach den „El’cin-Paraden“ (el’cinskie parady) folgten „Putin-Paraden“ – seit 2012 ohne Veteranen, deren Aufmarsch als „misslungenes Experiment“ galt.

Kurz vor den Siegesfeiern von 1995 verfasste der russische Autor Georgi Watschnadse zwei Russland-Bücher (vgl. die Auswahlbibl. am Schluss, Verweis künftig AB), deren Fun­­damentalkritik erstaunt. Bereits zu Beginn sagte der Autor, wie es um die Sowjetunion im fünften Jahrzehnt ihres „Sieges“ steht: „desolater Zustand der Umwelt“, „hoffnungslos vernachlässigter Sozialbereich“, „Verelendung der Bevölkerung“. Stark war allein die Armee: Laut dem Putin-Erlass Nr. 555 vom 17. November 2017 soll die Gesamtstärke der „Streitkräfte der Russischen Föderation“ (VS RF) knapp 2 Mio. Mann betragen, davon gut eine Mio, Wehrpflichtige. Da der Wehrdienst traditionell ein schlechtes Image hat, will Moskau künftig mehr Berufssol­da­ten (kontraktniki) als Einberufene (prizyvniki) berufen, was 2015 mit 352.000 „Pro­fis“ erstmals gelang.

Besonders laut ertönte der Siegesjubel 2020, zum 75. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs. Früher lautete die offizielle Doktrin – 2010 verbreitet in der „Sieges-Enzyklopädie“, einem in Moskau erschienenen Lehrbuch für die Geschichte des „Großen Vaterländischen Kriegs“ -, allein das „Sowjetvolk“ habe im „Großen Vaterländische Krieg“ einen „Großen Sieg“ errungen. Seit dem 21. Dezember 1991 bestehen weder Sowjetunion noch Sowjetvolk, seither verlautet, allein Russland, „damals noch So­wjetun­i­on“ (k Ros­sii, imenuemoj togda Sovetskim Sojuzom), habe ohne Sowjet­völ­ker oder internationaler Anti-Hitler-Koalition den „Faschismus besiegt“.

Russlands „Sieg“ im Zweiten Weltkrieg – ein SelbstbetrugAm Zweiten Weltkrieg waren weltweit 62 Staaten (von 73 bestehenden) beteiligt, aber gesiegt hat allein das „Heilige Russland“ (Svja­taja Rossija). Details illustrierte die im Frühjahr 2020 eingeweih­­te „Orthodoxe Hauptkirche der Streitkräfte Russ­­lands“, wobei ihr exo­ti­schstes Detail wieder getilgt war: Die Riesen-Ikone, auf der Heroen wie Stalin, Putin, Verteidigungsminister Šojgu u.a. auftauchten (Bild). Man hätte sie ruhig behalten sollen – sofern man Stalins Dank an West-Alliierte hinzufügte, generell eine der wenigen, die historische Wahrheit enthält (weswegen sie als Titel dieser Darstellung dient).  

Die Stalin-Äußerung fiel bei der Teheran-Konferenz (28. November bis 1. Dezember 1943), als die „Großen Drei“ Sta­li­n, Roosevelt und Chur­chill mit einem Festessen den 69. Geburtstag von Chur­chill würdigten. Sie fehlt im russischen Teil des Konferenz­protokolls, was in Kenntnis Moskauer „Wahrheitsliebe“ für ihre Authentizität spricht: „Without the use of those machines, through Lend-Lease, we would lose this war“. Weiter unten wird auf Aussage und Kontext detailliert einzugehen sein, hier nur so viel: Stalins Eingeständnis sowjetischer Schwäche und Unfähigkeit hat Folgen bis zur Gegenwart: Auf heutige Preise umgerechnet bekamen die Russen Güter im Wert von über 160 Mrd. Dollar, was stets das „Sieger“-Image der Roten Armee schmälerte. Noch 1963 rügte Marschall Žukov (in einem Privatgespräch, das der KGB mitschnitt): „Es heißt derzeit, die Verbündeten hätten uns gar nicht geholfen. Aber man kann nicht bestreiten, dass wir von den Amerikanern sehr viele Güter bekommen haben, ohne die wir den Krieg nicht hätten fortführen kön­nen“. Žukov, „Sieges-Marschall“, musste es wissen, zumal er die Hauptrede bei der „Siegesparade“ 1945 hielt.

Über Russland im Zweiten Weltkrieg sind viele Bücher verfasst worden, eines der besten hat die britische Historikerin Catherine Merridale (*1959) verfasst. Wo russische Kriegsliteratur ständig „Sieges-Bilder“ malt, unbekümmert um den Wahrheitsgehalt, da hat C. Merridale den Krieg vorwiegend aus der Sicht des einfachen Infanteristen geschildert, der leiden und hungern musste. Die Rote Armee erschien ihren Soldaten als „Fleischwolf“, in dem bereits in den ersten sechs Kriegsmonaten 4,5 Mio. Soldaten fielen oder in Gefangenschaft gerieten. „Die Rote Armee brach in den ersten Kriegswochen zusammen“, sagt die Autorin und lastet das nicht den Soldaten an, sondern den vorherrschenden Bürokratie, Zwang, Desorganisation etc. – es fehlte an Waffen, Fahrzeugen, Funkausrüstung, Sanitätsversorgung etc. Das alles hat die Autorin in ihrem akribischen Wunderwerk beschrieben, dabei aber übergangen, dass die Sowjets alles Fehlende überreichlich von den westlichen Alliierten bekamen. Warum Catherine Merridale Stalins entsprechendes Diktum verschweigt, bleibt ihr Geheimnis – es ist eine unverzeihliche Auslassung, welche den Wert ihres Buchs deutlich mindert.       

 

2. Russlands nostalgischer Dominanzanspruch

Die neuerliche „Tarnung“ hinter der Kirche hat früherer „Sieges“-Propaganda neuen Schwung verschafft, zumal sie sich immer mehr als schiere Realitätsverweigerung entpuppte. Mit „russischen Siegen“ ist es wie mit „russischen Erfindungen“: Beide hat es nie gegeben! 1960 veröffentlichte Werner Keller (1909-1980) mit „Ost minus West = Null“ eine gnadenlose Entlarvung, die der „Spiegel“ (48/1960) ge­nüsslich resümier­te. Danach „ist das russische Reich ein Gigant mit tönernem Kopf, eine Macht, deren Aufstieg nur mit Hilfe gekauften, gestohlenen und erbeuteten westli­chen Wissens mög­lich war“. Ein knappes halbes Jahrhundert später wiederholte die (lesenswerte) Wochenzeitung „Argumenty i fakty“ (AiF 28/2005) alte Behauptungen: Russen haben alle technischen Großtaten erfunden – Flugzeug, Radio, Filmkamera, Dampfmaschi­ne etc. -, die das Ausland sich per „gestohlenem Vorrang“ (kradenoe perven­stvo) unter den Nagel riss. Solche Behauptungen waren eine dauernde Inspiration für Kabarettisten, von denen der Ost-Berliner Peter Ensikat (1941-2013), früher meistgespielter Kabarettautor der DDR, die wohl bissigste prägte: „Offiziell waren die Russen unsere Befreier. Privat wusste man natürlich: Die Russen klauten uns erst die Fahrräder und hinterher behaupteten sie, sie hätten sie erfunden“.

Spät wurden russische Erfindungs-Ansprüche auch von Russen selber ironisiert. So fragte AiF (38/2019) höhnisch: „Womit kann sich unser Land brüsten, ausgenommen Weizen, Wodka und Kalaṧnikov?“ Das bislang schärfste Geschoss der ironischen Selbstkritik sind lakonische Verdik­te wie: „Tramp russkij“ (US-Präsident Trump ist ein Russe). Wenn in der russischen Ökonomie einmal wieder nichts klappt, spricht man anzüglich von „Tramponomika“.  

Dieser Umgang mit russischen „Errungenschaften“ ist kabarettistisch und wird bereits von zwei weiteren “Anschlägen“ übertroffen. Das sind souveräne Wissenschaftler wie die Ethnografin Izabella Šangina, die neben ihren freundlichen Studien über Leben, Sitten und Alltag der Russen wenig Gutes an deren Charakter findet. Oder ist es et­wa ein Kompliment, wenn sie ihren Landsleuten bescheinigt, „sie schätzen brutale Herrscher“? Eine Selbsteinschätzung nahe am Selbstzweifel.

Die dritte Art russischer Distanzierung von „Sieges“-Propaganda ist deren Konfrontation mit sozioökonomischer Misere: Was war das wohl für ein „Sieg“, der uns Inflation in der Wirtschaft, Korruption in der Politik, Niedergang der Landwirtschaft, Zerfall der Infrastruktur und wachsendes Elend in der Bevölkerung brachte? Warum ist Russlands Bevölkerungsrückgang zehnmal höher als prognostiziert (2019/20 353.000 zu 32.000) und wird bis 2024 auf 1,2 Mio. steigen? Warum wird die Aufsplitterung unserer „Siegernation“ in wenige superreiche „Oligarchen“ und ungezählte Bitterarme so ausgeprägt, dass wir uns fast nach Stalin zurücksehnen, unter dem es ausnahmslos allen schlecht ging? Warum bekamen zu Sowjetzeiten (nach achtjähriger Wartezeit) bis zu 1,5 Mio. bedürftige Familien kostenlose Wohnungen, während später 120.000 Arme 20 Jahre auf so etwas warten müssen? Warum weist Russland seit acht Jah­ren eine explodierende Arbeitslosigkeit auf? Warum verbreiten Moskauer Führer Opferzahlen zum Zweiten Weltkrieg – Stalin 1947 7 Mio., Chruṧčëv 1957 über 20 Mio, Putin 2006 50 Mio. -, die niemand glauben kann? Warum hat das „siegreiche“ Russland im „post­sowjetischen Raum“ die niedrigste Zuwachsrate des BIP (1990-2019 24%), vier- bis fünfzehnmal weniger als andere Ex-Sowjetrepubliken? Warum wird in vielen russischen Regionen immer noch Schulunterricht in drei „Schichten“ (smeny) erteilt, was doch schon die Sowjetunion abzuschaffen versprach? Sterben Russen aus, die 1992 mit 148,7 Mio. Menschen ihren „historischen Gipfel“ erreichten, seither aber pro Jahr um mindestens 158.000 „schrumpfen“?

Im Jahre 2005, vermutlich sogar viel früher, komponierte und textete der Sänger Oleg Gazmanov (*1951) das Lied „Sdelan v SSSR“ (Gemacht in der UdSSR), das ein Riesenerfolg wurde: Ein Text, der allen „Patrioten“ und Sowjet-Nostalgikern zu Herzen geht, dazu eine schmissige Melodie – wenn Gazmanov, begleitet vom „Gesangs- und Tanzensemble der Russischen Armee“, im übervollen Kreml-Palast loslegt, weiß keiner, ob die Uniformierten auf der Bühne oder die Zivilisten im Saale begeisterter mitsingen. Der Text artikuliert Territorialansprüche: „Ukraine und Krim, Be­larus und Moldawien/ Das ist mein Land (…)/ Kasachstan und Kaukasus, das ganze Baltikum/ Ich bin in der Sowjetunion geboren,/ gemacht in der UdSSR“. Von der zerbrochenen Sowjetunion tauchen in Gazmanovs Lied sieben (der 15) Nach­folgestaaten auf, alle mit „ėto mo­ja strana“ (das ist mein Land) als Besitz vereinnahmt.

Danach folgt eine russisch-sowjetische Ahnengalerie in kühnen Reimen, „po­bedy“ (Siege) auf „torpedy“ (Torpedos). Das Zarengeschlecht der Romanovs im Verein mit Lenin und Stalin/ KGB und „große Wissenschaft“/ „Wodka, Kaviar und Eremitage, da­zu die schönsten Frauen der Welt, unsere Opas haben im Bund mit Europa den Zwei­­ten Weltkrieg gewonnen“/ „sagt selber, wo ist etwas, das es bei uns nicht gibt“. 

Man warf Gazmanov häufig vor, er habe eine „Hymne der Sowjet-Nostalgie“ verfasst, aber Nostalgie braucht Gazmanov nicht, allgegenwärtig ist der „Mythos vom kommunistischen Paradies“, wie das Nachrichtenportal „Lenta.RU“ noch Ende Oktober 2020 konstatierte: „Nostalgie ist eine typisch russische Eigenschaft. Russen träumen von der Widergeburt der UdSSR“ – „75 von 100 Russen bezeichnen die Sowjetepoche als beste Zeit der Landesgeschichte, nur 18 Prozent empfanden anders“. Haupt­vorzüge der Sowjetunion waren laut soziolo­gischen Untersuchungen: „erträgliche Prei­se, Stabilität, Sicherheit und Ordnung, Ar­beitsplätze, kostenlose Bildung und Medizin, schmackhaftes Essen, grüne Städte, Völkerfreundschaft, mietfreies Wohnen“.

Laut Befund des „Allrussischen Zentrums zur Erforschung der Öffentlichen Meinung“ (VCIOM) werden Figur und Herrschaft von Leonid Brežnev (1906-1982) von vielen Men­schen längst „in Bronze gegossen“. Obwohl sein Wirken als „zastoj-Periode“ (Stagnation) in Erin­­­ne­­rung ist, würden 37 Prozent der Russen gern in dieser Zeit leben – 40 Prozent ziehen die Gegenwart vor. Generell haben Russen unbegreifliche Vorstellungen von „Epochen mit den besten Lebensbedingungen“: Platz 1 „Sowjet­zeit“ (1950-1970), Platz 2 „Zukunft“, Platz 3 17./18. Jahrhundert, Platz 4 „Perestrojka“ (1980-1990), Platz 5 19. Jahrhundert, Platz 6 „Mittelalter“.

Woher kommt diese Sowjet-Nostalgie? Darauf hat der Finanzökonom Sergej Dubinin (*1950) eine schlüssige Antwort gegeben (AB): Die Staaten Europas und darüber hin­aus waren das Resultat von Revolutionen – in Westeuropa urbane „von oben“, in Osteuropa und in Asien rurale, in Südamerika Mischformen aus beiden. Russland startete seine neuzeitliche Entwicklung zu Jahresbeginn 1917 mit einer urbanen Revolution, die aber noch im selben Jahr Lenin Bolschewiken durch einen chaotischen „Aufruhr“ ablösten, danach herrschte die konservative rurale Revolution, verschärft durch diktatorischen Kollektivismus. Damit war jegliche urbane Revolution mit ihrem Streben nach Modernisierung, liberaler Demokratie und Marktwirtschaft unmöglich geworden. Schlimmer noch, wie Dubinin sagt, glauben die meisten Russen nicht, dass dieses „Modell“ in ihrem Land funktionieren könnte, wo es doch „auch im Ausland versagt, sogar in den höchstentwickelten Ländern“. Ergo: „Russische Bürger sind mehrheitlich konservativ geprägt. Aber ihre traditionellen Werte sucht sie eher im Sowjetmodell als in der vorrevolutionären Vergangenheit.“

Andere interpretieren die postsowjetische Nostalgie als eine Art Nostalgie minus So­wjetisches. Zu ihnen gehört die „Gesellschaftliche Bewegung Patrioten des Großen Vaterlandes“ (PVO), die der Publizist Nikolaj Starikov (*1970) Anfang 2018 gründete. Starikov mag ein Narr sein – „Hitler war ein britischer Agent“, „Engländer haben den Wundermönch Rasputin ermordet“ etc. -, das Programm seiner Bewegung könn­te auch von Brežnev u.a. stammen, woher Starikov wohl diese Prinzipien übernahm:

„Wiederherstellung der Einheit des Russischen Volks, das jetzt durch Staatsgrenzen gespalten ist. – Vereinfachte Erlangung der russischen Staatsbürgerschaft. -Stärkung der Streitkräfte und der sozialen Dienste als Garanten der Unabhängigkeit des Landes. – Die Staatsinteressen Russlands als einzige Leitlinie von Innen- und Außenpolitik. –  Alleinverfügungsrecht des Staates über Naturressourcen. – Rückkehr zur Staatskontrolle der Wirtschaft. -. Formung und Propagierung einer patriotischen Ideologie. – Beschränkung der Übernahme ausländischer Bildungsstandards. – Staatli­che Förderung aller traditionellen Religionen Russlands.  – Unser Ziel ist Russland als einer der stärksten Staaten der Welt, die die Entwicklung der Menschheit bestimmen“. 

Starikov vertritt nicht unbedingt die modische Nostalgie, die auch und gerade Junge beseelt, die wenig von der Vergangenheit wissen, Aber die „wahre Umbewertung dieser Zeit hat bereits eingesetzt“, befindet der TV-Journalist und Medienwissenschaftler Nikolaj Svanidze, wobei er auf eine wahrheitsgemäße Bewertung der jüngeren Vergangenheit setzt. Umbewertung wohin?

„Die 1990-er Jahre waren voller Freiheit, ein Frühlingswind wehte, in der Luft lag die Befreiung von allen Lasten, die die Sowjetmacht verfügt hatte. Die Ladentheken füllten sich, erstmals gab es Läden übervoll an Waren. Ich verste­he, wenn eine Nostalgie danach aufkommt“.

 

3. „Pobeda“ (Sieg) – leerer Allzweckbegriff

„Pobeda“ ist das russische Wort für „Sieg“, weswegen ab dem späten 18. Jahrhundert gern Kriegsschiffe so benannt wurden. Die Sowjets nutzten „Pobeda“ anfänglich für Lokomotiven, später für alles und jedes – Billigfluglinien, Kinos, Reklameblätter für Gebrauchtwaren, Dörfer etc. Weithin bekannt wurde „Pobeda“ als Name des „ersten sowjetischen“ PKW, entworfen und gebaut von dem Russland-Deutschen Andrej Lipgart (1898 – 1980) und laut Stalin höchst gelungen „Gebe Gott jedem ein solches Auto“ (Daj bog každomu takuju ma­ṧinu) soll er bei der ersten Probefahrt am 16. März 1936 gesagt haben. Im Dezember 1941 bekam das Fahrzeug die offizielle Zulassung unter dem Namen „Ro­d­i­na“ (Heimat). Im weiteren Kriegsverlauf ersuchte Lipgart Stalin, den Wagen auf „Pobe­da“ umzutaufen. Stalin willigte ein – mit der Einschränkung: „Na ja, so groß war der Sieg nicht“ (Nu, nevelika Pobeda, in: Avtosojuz 18.06.2018) 

Im vorhergehenden Abschnitt sind die bitteren Fragen aufge­listet, die Russen seit langem an ihr „siegreiches Vaterland“ stellen. Eines der besten deutschen Russland-Bücher war 1967 Nikolaus Ehlerts boshaft-brillante „Gro­ße Grusinische Nr. 17“. Als Buchtitel diente die Moskauer Adresse der deut­schen Bot­schaft, wo Ehlert von Juni 1956 bis Februar 1963 als Dolmetscher wirkte. Er hat Russland Jahre nach Kriegsende (oder „Großem Sieg“) erlebt und mitleidlos geschildert: Charakteristisch für Leute und System ist die „Gleichförmig­keit des Elends, die sich nicht mehr unterbieten lässt“. Erschreckend ist die „Knappheit und Dürftigkeit des Lebensmittelangebots“. Abstoßend sind „pathologische Großmannssucht, Armut, Wegelosigkeit, zivilisatorische Zurückgebliebenheit, nationale Sucht nach Schönfärbereit“ – die ständige Bereitschaft, uns bei jeder Gelegenheit zu überzeugen versuchen, „dass in ihrem Land alles besser sei als bei uns“.  

Inzwischen hat sich die materielle Lage Russlands gebessert, auch sind die „schikanöse Beschattung und ihre beleidigend plumpe Ausführung“ fast geschwunden. Geblieben aber ist, was Ehlert „Neopotemkismus“ nannte. Damit spielte er auf die legendären „potemkinischen Dörfer“ an, die angeblich Graf Grigorij Potëm­kin (1739-1791), Geliebter Katherinas der Großen, aufstellte, um die Zarin über die öde Landschaft zu täuschen. Die Kulissen-Dörfer hat es nie gegeben, aber der Name besteht als Inbegriff für die Vorspiegelung falscher Tatsachen. Den Hang dazu hat Ehlert „bei anderen Völkern der Sowjetunion nie erlebt“, und erst nach dem Ende der UdSSR kann man feststellen, dass hier eine typisch russische Eigenheit vorliegt. Ehlert benannte sie russischen „Fassadnost“ (Fassadenschmuck). Ähnlich treffend sind „oč­ko­vtiratel’stvo“ (Augenwischerei), „pokazucha“ (Angeberei), die mitunter groteske Ausmaße annehmen.

In Ausgabe 39/2020 publizierte AiF einen ellenlangen Bericht über Kirill I. Ščëlkin (1911-1960), „einer von denen, die die Sowjetunion zum mächtigsten Staat der Welt machten“. In Wahrheit war Ščëlkin ein wenig bekannter und wenig bedeutender Verbrennungs­techniker, wissenschaftlicher Laufbursche von Igor‘ V. Kurčatov (1903-1960), dem „Vater der sowjetischen Atombom­be“. Kernwaffen wurden von der Sowjetführung erst nach Kriegsende gefördert, als sie die enorme Effizienz amerikanischer Atombomben erkannte. Zuvor hat man sie übersehen – als Spielerei von Juden, mit denen seriöse Russen nichts gemein hatten. Die Juden mochten begabt, ja genial sein, weswegen man sie nicht einsperrte, aber sie hatten oft Verwandte in Westeuropa und USA, was sie zu einem „Nest potentieller Spione und Verräter“ machte (AiF 25/2020). Nun dräng­te Stalin auf Eile, bis am 29. August 1949 die erste Atombombe gezündet wurde. Unter Stabführung seines Innenministers L. Berija hatte das Projekt rasch Profil gewonnen – dank Uran­erz aus Nordböhmen und dem sächsischen Erzgebirge, 300 deutschen „Atom-Spezialisten“ und einigen qualifizierten Spionen, die an britischen und amerikanischen Anlagen mitgearbeitet hatten. Den Sowjet-Anteil an der „sowjeti­schen Atombombe“ lieferten 460.000 Zwangs­arbeiter, die in Bergwerken, Fabriken, Labors etc. schufteten.    

Diese Dinge sind längst bekannt, allerdings nicht aus sowjetischen oder russischen Quellen, die sich ausschließlich mit eigenen „Errungenschaften“ brüsten, welche im Ausland gar nicht, im Inland immer weniger ernstgenommen werden. Um so lauter tönen und trommeln Medien und Propaganda. Beispielsweise ist die erwähnte Armee-Kathedrale die drittgrößte Kirche in Russland und heißt halboffiziell „Siegeska­thedrale“. Überhaupt ist „Sieg-̎ (pobeda) inflationär in Gebrauch: Der T-34 als „Siegespanzer“, ein „Sieges-Muse­um“ wurde im Westen Moskaus (wieder)eröffnet, eine neue „Sieges-Agentur der Rus­sischen Föderation“ ist aktiv, „Sieges-Walzer“ (Val’c pobedy) heißt ein Gesangsfestival, das Kinder in historischen Uniformen bestreiten etc. Peinlichkeit prägt stets Stil und Inhalt, wenn der Zweite Weltkrieg in eigener Wahrnehmung erscheint. 2010 hörte sich das so an:

„Der Große Vaterländische Krieg 1941-1945 endete mit dem vollständigen Sieg des Sowjetvolks über Hitler-Deutschland.(…) Indem es die Stoßtrupps der Weltreaktion zerschlug, vollbrachte die Sowjetunion mit ihren Streitkräften eine historische Befreiungsmission in Europa und Asien und leistete den entscheidenden Beitrag zur Rettung der europäischen und Weltzivilisation. (…) Die Rote Armee war stärker als alle anderen“.

Das Jahr 2020 avancierte zum „Jahr des Gedenkens und des Ruhms“ (god pamjati i slavy), woran bis Jah­resende das „gesamtrussische Projekt Heldengedenken“ mit zahllosen Ver­anstal­tungen erinnern sollte, etwa am 20. November in Moskau die wissenschaftliche Konferenz „Die Lehren von Nürnberg“. Und monoton strich man immer wieder Russlands weltweite Befreierrolle heraus:

„Der Große Vaterländische Krieg endete vor 75 Jahren. Dieser Krieg änderte den Lauf der Weltgeschichte, das Geschick der Menschen und die Landkarte der Welt. Unser Volk hatte es mit dem machtvollen Druck seitens eines hoch organisierten und gut bewaffneten Gegner zu tun, Nazi-Deutschland und seine Verbündeten. Wir widerstanden und haben gesiegt“.

Wer hat „gesiegt“? Der Romancier Viktor Astaf’ev (1918-2008) höhnte, dass die parteilichen „Politruks“ (Führer) die Soldaten nur behinderten, und ihretwegen „hätten wir den Krieg schon nach sechs Wochen verloren“. Darum sind „Sieges“-Parolen Selbstbetrug, aus den „Sieges“-Paraden“ wurden Sieges-„Mas­ke­raden“ (Maskarad Pobe­dy), auf denen sich „Kostüm-Veteranen“ (rjaženye veterany) mit Orden brüsten, für deren reguläre Er­lan­gung sie heute 90 Jahre sein müssten. Der russische „Sieg“ wird international zum Ärger der Russen mit „molčok“ (Schwei­gen) übergangen, weil kaum jemand ihn glaubt. Die Russen kennen jüngere Umfra­gen nach den „Siegern im Zweiten Weltkrieg“, die in den USA, Großbritannien, Frank­­­reich und Deutschland gemacht wurden und die die USA weit vorn sehen, Russland hinten (AiF 20/2020). 

Russland hat nicht „gesiegt“, die von Stalin nahezu auf Führungslosigkeit dezimierte Rote Armee hat nichts und niemanden „befreit“, weil sie stets Tage oder Wo­chen zu spät am kriegerischen Ort auftauchte: Auschwitz war längst von SS frei und in der Hand der Häftlings-Selbstverwaltung, als es von Russen „befreit“ wurde. Sachsen und Thüringen waren in der Hand von US-Truppen, als sie Mitte Juni 1945 den Sowjettruppen überlassen wurden – vor denen die Deutschen flohen. Aus Prag waren die Deutschen schon abgezogen, als Rotarmisten eintrafen, und so war es überall: Die deutschen Streitkräfte hatten bereits in Reims kapituliert, als sie am 9. Mai 1945 in Karlshorst eine Repetition unter russischer Regie liefern mussten.

Das Haus steht noch, Zentrum einer Show russischer Brachial­technik – „Ka­laschni­kow“, „Stalinorgel“, Panzer „T-34“ etc. Grundelement rotarmistischer Mobilität waren „primitive Panjewa­gen“, wie sich selbst SED-Chef Erich Honecker in seiner Autobio­graphie erinnerte. Auch wussten die Osteuropäer, dass ihre sog. „Be­frei­ung“ nur der Wechsel von der deutschen Okkupation zur sowjet­ischen war.

 

4. Russland – Verfall und Verarmung als Tradition

„Superreiche und Bettler/ Gewalt und Zerrüttung“ (oligarchi i niṧčie, moṧč‘ i razrucha) prangerte Gazmanov in seinem UdSSR-Lied auch an, womit er Recht hatte. Im November 1935, dem Höhepunkt von Stalins Ter­ror und Tiefpunkt seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik, behauptete der „Vater der Völker“ vor einem Arbeiterkongress: „Das Leben wur­de besser, das Leben wurde fröhlicher“ (žit‘ stalo lučṧe, žit‘ stalo veselej). Dieses zynische Diktum Stalins kennen heute noch (fast) alle Russen, die nach wie vor nur wenig „besser“ oder „fröh­licher“ leben. Der russische Ökonom Solov’ëv hat es vorgerechnet (AiF 24/2020):

„Unter Stalin mussten alle jahrzehntelang von Hungerlöhnen leben. Die Kolchoz-Bauern bekamen keine Renten, der Unterricht in Ober- und Hochschulen war kostenpflichtig. Gut nur, dass es allen gleich schlecht ging (…) Unter Brež­nev hörte der Massenterror auf (…), das Leben war ruhiger, die Löhn stiegen rascher als die Preise. Dafür wurden Waren und Güter knapper (…), unsere Gesellschaft wurde ungleicher (…) Ein Pluspunkt der Brežnev-Zeit erhellt sich, wenn man sie mit den heutigen Problemen von Rentnern und sehr armen Familien vergleicht. (…) 1990 erkrank­te die Wirtschaft unter El’cin – der Staat war faktisch bankrott, das Leben verschlechterte sich in jeder Hinsicht. Später wuchs die russische Wirtschaft rascher als die Weltwirtschaft, was anfänglich die Reformen von Vladimir Putin bewirkten und die hohen Preise unserer Rohstoffexporte. Seit 2008 durchlebt Russland schon seine dritte Krise, was natürlich den allgemeinen Optimismus senkt“.  

Als Fazit bleibt: Einen wirklich guten Herrscher haben die Russen in den letzten 100 Jahren nicht gehabt, weswegen man selbst Stalin zugute hält, dass er alle seine Untertanen gleich schlecht behandelte, alle Zwangsmaßnahmen mit dem Krieg recht­fertigte. Im Krieg bür­dete er der Landbevölkerung so erbarmungslose Naturalabgaben auf, dass sogar seine eng­sten Mitarbeiter, Mikojan und Molotov, ihn zur Mäßigung mahnten – verge­bens! ­In der ersten Nachkriegszeit wurde das Land 1946/ 47 von einer schrecklichen Hungersnot heimgesucht, die besonders in den südlichen Agrargebieten, Ukraine und Moldo­va, unermessliche Opfer forderte. Die ganze Sowjetunion musste mit Konsumverzicht Stalins forcierte Schwerindustrie bezahlen, für die ungezählte Menschen in Straflagern des GULAG schufteten. Daneben startete Stalin 1948-1952 ständig neue Ter­ror­aktionen – „Leningrader Sache“, „Ärzte-Verschwörung“ etc. -, so dass gerade die politischen Führer aufatmeten, als der Anfang März 1953 nach längerer Agonie starb. Kurze Zeit bestand die Chan­ce, mit dem Stalinis­mus endgültig aufzuräumen, hätte sich Innenminister Lavrentij Berija (1899-1953) durchgesetzt. Berija hat bis heute zu Unrecht ein negatives Image, wofür Verleumdungen der Stalinisten um Molotov, Chruṧčëv etc. gesorgt hatten. Der russische Historiker Rudol’f Pichoja (*1947) hat die Dinge zurechtgerückt. Berija war der einzi­ge Spitzenfunktionär mit abgeschlossenem Studium (Architektur), er stoppte Stalins „Großbauten des Kommunismus“, milderte die Agrarpolitik, verfügte Massen-Amnestien etc. Seine beste Idee war, in der DDR „den Aufbau des Sozialismus aufzugeben“, Ost- und West-Deutschland zu einem friedlichen, neutralen Staat zu vereinen. Was Gorbačëv erst Jahrzehn­te später erfolgreich unternahm, wäre (mit einigen Abstrichen) bereits 1953 unter Berija möglich gewesen. Das wussten die Stalinisten genau, die Berija zum Tode verurteilten und Ende 1953 erschießen ließen.

Berija hätte mehr verdient, Stalin fielen „Verdienste“ in den Schoß. Seine Sozialpolitik war im Grunde eine Massenverelendung – was kaum jemand mitbekam, weil alle be­nach­teiligt waren. So erklären sich manche Publizisten und Wissenschaftler die neuerliche Stalin-Nostalgie. Laut Umfragen verwerfen 48% der Russen die „perestrojka“ des „verfluchten Gorbačëv“, und 24% wünschen, „dass alles wie früher  würde“: Wir fordern wieder die „wunderbare Sowjetunion“ unter dem „gütig lächelnden Stalin“ (dessen Terror 46% „billigen“). Hits sind alte Stalin-Lie­der oder neue wie „Bringt Stalin zurück“ (Vernite Stalina), getextet, komponiert und bei Senioren stets erfolgreich vorgetragen von Sergej Kuročkin (*1959), einem Feuerwehrmann aus Sevastopol‘.

Es ist nur halbwahr, dass Stalin Verarmungsstrategie alle Sowjetbürger im gleichen Maß betraf. In der Sowjetunion bestanden, wie auch anderswo in Osteuropa, genug Möglichkeiten, schma­le Einkünfte aufzubessern. Da gab es Tausende Orden, Ehrenzeichen, Diplome, Titel etc., die zumeist mit stolzen Prämien und Privilegien verbunden waren. Catherine Merridale hat das in einen boshaften Vergleich verpackt: Die US-Armee hat nur 1,4 Mio. Militärauszeichnungen vergeben, nach langer detaillierter Prüfung – die Rote Armee vergab über 11 Mio. Orden. Die DDR verlieh 8.000 Auszeichnungen, deren höchste, der „Nationalpreis“, mit 60.000 (Ost)-Mark versilbert war, der „Karl-Marx-Orden“ mit 20.000 etc. Bis 1973 kam noch ein jährliches „Ehrengeld“ hinzu, faktisch eine (willkommene) „Gehaltsaufbesserung“.  Noch abenteuerlicher war es in der Sowjetunion, wo die Brustpartien von Uniformen verstärkt waren, um die Menge der Auszeichnungen zu tragen. Dazu unfreiwillig komische Titel wie „Heldenmutter“ (für zehn und mehr Kinder), „Volks-Architekt“, „Verdienter Landarbeiter“ etc. Da Orden und Titel oft mehrfach verliehen wurden, wuchsen die pekuniären Zulagen heftig an. Darum befahl das Präsidium des Obersten So­wjets am 10. September 1947, dass „ab 1 Januar 1948 Geldprämien für Orden und Medaillen (l’goty i denežnye vy­platy), die Gewährung kostenloser Fahrten mit der Eisenbahn und dem Schiff, Freifahrten auf Nahverkehrsmitteln und Zahlungen für Wohnungsmieten einzustellen“. 1958 wurden die Bestimmungen für Auszeichnungen verschärft, dito 1974 und 1979/80, Ende August 1989 stiftete man eine „Auszeichnung für Opfer der Repressionen der 30-er und 40-er Jahre und für postum Rehabilitierte“.

 

5. Oligarchen und Arme

Dmitrij Zuravlev, Direktor des russischen „Instituts für Regionalprobleme“, gab Auskunft: „Vor 30 Jahren gab es in Russland nur den Staat, sonst gar nichts. Und die ganze Wirtschaft ging vom Staat aus“ (Ria Novosti 11.6.2020). Inzwischen ist es umgekehrt, weiß der Wirtschaftspublizist Anatolij Saludskij: „Wir erleben ein kolossales Anwachsen der sozialen Aufsplitterung. Das Gros der Bevölkerung (146,6 Mio. Menschen) disponiert über nur 18 Mrd. Dollar (AiF 3/2020), aber laut Statistik liegen 71 Prozent des nationalen Reichtums (2019 27 Mrd. Dollar), in den Händen von einem Prozent der Bevölkerung“ (AiF 3/2020). Nach anderen Zahlen (Lenta.RU 01.10.2019) besitzen die 23 reichsten Russen 30,6 Mrd. Dollar. Von solchen „Oligarchen“ bekam Putin, der den Begriff nicht mag, da er ihn mit politischem Ehrgeiz assoziiert, bei den Wahlen 2018 77 Prozent der Stimmen. Russland, so der Wirtschaftswissenschaftler (und Wirtschafts­berater Gorbačëvs) Abel Aganbegjan (*1932), bleibt ein „Land reich an armen Leuten“ (Rossija – boga­ta­ja strana bednych ljudej). Das ist wörtlich zu nehmen – bezeugten (fast) unisono die Statistik-Ämter „Eurostat“ und „Rosstat“, als sie 2019 ermittelten, dass die Hälfte aller Russen an oder unter der „Armutsgrenze“ leben (AiF 39/2019). Mit (umgerechnet) 137 €/ Monat hat Russland den zweitnie­drigsten Mindestlohn Europas, unterboten nur von Belarus (104 €), aber deutlich überboten von Ex-Sowjetrepubliken wie Lettland (430 €), Estland (584 €) und Litauen (607 €), selbst arme Länder wie Moldova (150 €) und Ukraine (154 €) sind besser dran.

Russlands Situation verschlimmert sich: Bis 2030 will Putin „per Präsidial-Ukaz die Armut um das Zweifache“ kür­zen, aber über solche Prognosen können Experten wie Aganbegjan nur bitter lachen: Die Rate der Menschen mit „Einkommen unter dem Existenzminimum“ (s dochodami niže prožitočnogo minimuma) lag 2019 bei 12,3%, wird 2020 aber auf 13,3% steigen. Im Lande darben 12,5 Mio. Menschen an der Armuts­grenze – oder 19 Mio oder mehr. Allen Ernstes wurde im Sommer 2020 überlegt, ob man nicht zum System der Le­bensmittelkarten und Bezugsscheine zurückkehren solle – wie schon mehrfach zu Sowjetzeiten, mag diese Regelung bei den Leuten auch „Erinnerungen an Mangel, Hunger und Not“ wecken (AiF 39/2020).  

Als Putin 1999 Präsident Russlands wurde, war das Land mit rund 150 Mrd. Dollar im Ausland verschuldet. Aber „zum Glück“ (k sčast’ju) stiegen die Preise für Öl und Gas so stürmisch an, dass Russland binnen zehn Jahren 540 Mrd. Dol­­lar Plus machte.

Ganze 2% beträgt Russlands Anteil an der Weltwirtschaft (USA, 24%, Chi­na 16%). Von 2011 bis 2018 gingen in Russland 5 Mio. Arbeitsplätze verloren. Russlands Gesundheitsreform, 2006 und 2011/12 von Putin (Ukaz 597) gestartet, „verlief im Sand“.  27,8% der Russen leben ohne Toilette – Europarekord! Preise stei­gen, Renten fallen, Men­schen verzweifeln und verlieren die Orientierung.

Wo steht Russland international? Vor 150 Jahren unkte Zar Aleksan­dr III. (1845-1894): „Wir haben nur zwei zuver­lässige Freunde, die russische Armee und die russische Flotte“. Derzeit kriegt Russland Gegner wie den Präsidenten der Türkei Erdogan, der Ende Oktober 2020 die Rückgabe der Krim verlangte, 1783 dem Osmanischen Imperium abgenommen. Moskau hat als Freund nur noch Kuba, dem Putin im Juli 2014 knapp 40 Mrd. $ Schulden erließ. In Ost und West hält man es mit Ex-Präsident Oba­ma, der 2014 Russland eine „Regionalmacht“ nannte, „die ihre Nachbarn nicht aus Stärke, sondern aus Schwä­che bedroht“. Russen sehen, dass einstige Bruder- und Sowjetvölker sie als „Feind“ (Georgien), als „übelsten Feind“ (Polen), als Geschichtsfälscher (Ukraine), als Landräuber (Rumänien), als Betrüger (Bulgarien) etc. ansehen. In Russland regt sich chauvinistische Propaganda, geäußert von neu­en Bünden wie der „Russisch-Nationa­len Linie“ oder von Einzeltätern wie dem Publizist Georgij Zotov, ein intelligenter Zy­niker, der massive Vorwürfe verbreitet: Rumänien, Bulgarien, Finnland und Ungarn waren „Diener Hitlers“, Litauen, Ukraine und Polen bekamen von Russland „zehntausende Qua­dratkilometer rein deutsches Land als Geschenk“. Aber nie hat jemand „Danke“ gesagt. „Europa ist undankbar“, wir Rus­sen haben nur „verfluchte Freunde“ und finden nie einen „Draht zu Verbündeten“.

In Zotovs Hausorgan „AiF“ publizieren auch seriösere Autoren. Die bündig­ste Selbstkritik äußerte Anfang 2020 (AiF 6/20) der russische Historiker (und Spezialist für zwischenstaatliche Beziehungen) Aleksandr Čubarjan (*1931): Russland, im Zweiten Weltkrieg Teil einer „machtvollen Einheit mit den USA und Großbritannien“, gilt seit Jahren im Westen als „Feind“ (vrag) und „Vogelscheuche“ (puga­lo). Aber, so Čubarjan, die „russische Bedrohung“, welche die “zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts“ bestimmte, gibt es nicht mehr, weil Russland zu Drohungen kaum noch fähig ist. US-Me­dien berichten zu 50% „äußerst negativ“ über russische Politik und Militär. Wenn ganze zwei Prozent positiv schreiben, dann meinen sie russische Kultur.

 

6. Russisches Landleben – eine Strafe!

Urquell russischer Ruhmrederei sind die „Byliny“, im 11. Jahrhundert aufgekommene Heldensagen, die in Inhalt, Stil und Textgestaltung wunderschön sind, aber historio­graphisch noch weniger ernst zu nehmen als etwa das deutsche „Nibelungenlied“. Hauptakteur der Russen ist Fürst Vladimir, „Thronhalter von Kiew“ – Haupthelden sind die „Recken vom Heiligen Russland“ (bogatyr‘ svjatorusskij) Il‘ja Muromec, Alëṧa Popovič etc., die im Alleingang ihre Heldentaten gegen alle “schwarzen Raben“ (čër­nyj voron) ausfechten – Türken, Tataren und andere Feinde. Ortsnamen werden in den Byliny nur selten genannt (Kiew, Murom, Novgorod, Černigov), Dorfnamen noch seltener. Relativ häufig erscheinen „mužiki“, wörtlich „Männlein“, gebraucht im abwertenden Sinne von „Dorftrottel, Primitivling“.

„Mužiki“ sind vorwiegend Wehrpflichtige und Dorfbewohner. Letztere sind sprichwörtlicher arm. „Die Armut in Russland hat ein dörfliches Gesicht“, kommentierte AiF-Redakteurin Nina Zemljanskaja (8/2019). Und das konnte sie sich nicht erklären:

“Warum leben die Dorfbewohner in solcher Armut, da sie nicht nur das Land ernähren, sondern für dieses auch noch Milliarden verdienen? 2018 erbrachte der Export von Agrarprodukten und Nahrungsmitten 25,1 Mrd. Dollar. Warum fliehen die Menschen aus dem Dorf? Und welche Aktivitäten plant die Regierung, um das Landleben zu verbessern?“

Die Regierung plant gewaltige „Komplex-Programme“, die nicht nur keinerlei Effekt haben, sondern an dem ländlichen Niedergang nichts ändern. 1990 lagen die dörflichen Löhne bei 95,5% des gesamtrussischen Durchschnitts, 2019 bei 57%. Die Arbeitslosigkeit beträgt auf dem Land 8 – 10% (eventuell 14%), in der Stadt 4,3%. In Russland, gibt es 20 Mi. „Arme“, d.h. Menschen mit Einkom­men unterhalb des Existenzminimums, wovon die „Mehrheit“ (bol‘ṧinstvo) Landbewohner sind. Die amtliche Statistik nennt 306.000 ländliche Arbeitslose, real sind es mindestens zwei Millionen.

Die ländliche Geburtenziffer fiel unter die städtische. Seit 1995 haben 2,5 Mio. Menschen das Land verlassen, weitere 4,6 Mio. erwartet Ros­stat bis 2036. 1990 lag das nächste Krankenhaus im Durchschnitt 36 km vom Dorf entfernt, derzeit sind es 81 km. Überlange Wege braucht man zur Polyklinik (39), zur Schule (16), zum Kindergarten (22), zum Kulturhaus (14).

 

7. Verkehrswesen aus grauer Vorzeit

Etorufu (3.184 km²), Kunashiri (1.498,8 km²), Schikotan (253,3 km²) und Chabomai-Gruppe (99,9 km²) sind die vier Inseln der japanischen Süd-Kurilen, welche die Sowjetunion im Februar 1946 annektierte. Sie und ihr Nachfolger Russland betrachten das als rechtmäßig, Japan ist anderer Meinung, weswegen seit 75 Jahren kein Friedensvertrag zwischen beiden Staaten besteht. Die Lebensbedingungen auf den Süd-Kurilen sind schlecht, die Lebenserwartung fast ein Jahrzehnt kürzer als in Zentral­russ­land, Straßen hat es bis vor wenigen Jahren nicht gegeben. (AiF 41/2020). Denselben Eindruck hatten vor langer Zeit USA-Bergbau-Experten, die von Russen im Land herumgefahren wurden. Ihre Eindrücke formulierten sie nachdrück­lich: „Wir dachten, Sie hätten schlechte Straßen, aber Sie haben gar keine Straßen!“

Nikolaus Ehlert sprach in seinem Russland-Buch süffisant von der „bekannten Wegelosigkeit“ des Landes, die er zwei Umständen anlastete: Erstens der schwerfälligen Bürokratie, zweitens dem hypertrophen Sicherheitsdenken russischer Politiker, die  schlechten Straßen noch Pluspunkte abgewinnen: Über sie können Einheimische schwerer flüchten und auswärtige „Feinde“ schwerer eindringen. Rührt von daher das geringe Interesse, welches Ex-Spionageoffizier Putin für das Verkehrsnetz erübrigt? Immerhin will er bis 2024 umgerechnet 130 Mrd. Dollar aufwenden, um die Wege-In­frastruktur zu verbessern. Die Straßen gehören der Föderation oder den Regionen, was im russischen Klartext nur heißen kann, dass sich divergierende Bürokratien behindern und wenig vorankommt. Zum Weltwirtschaftsforum in Davos wurde 2019 eine Rangliste der weltweiten Straßenqualität erstellt, auf der Russland unter 141 Staaten Platz 99 belegte. Daheim betrieb man Ursachenforschung: Liegt die Misere an „Geldmangel oder Unfähigkeit zu bauen“?   Aber es muss etwas getan werden, nachdem schon seit Jahren zwei Drittel aller Investitionen im Straßenbau für Reparaturen draufgehen und es noch erheblich mehr wären, würden russische LKWs nicht halb so schnell wie westliche fahren und das mit geringerer Ladung. Russische Chauffeure haben ihre eigene „Sprache“ für eige­ne Nöte: Winterstraße (fest zugefrorenes Flussbett), Winterasphalt (Löcher voll mit festgefahrenem Schnee).

Russlands Straßennetz (1.28 Mio. km Ende 2012) rangiert im Weltvergleich auf Platz 114 (Schweiz Platz 3), eine Bestätigung von Gogol’s legendärer Sottise: „Russ­lands Übel sind die Dummköpfe und die Straßen“ (duraki i dorogi). In Russland bestehen zehn „Föderations-Subjekte“, in denen man „gut lebt“, und zahlreiche andere, wo die Lebensqualität „nicht weit her“ ist. Zu den zehn „lidery“ zählen Moskau, Sankt Petersburg, Moskauer Umland und weiter bis Kaliningrad, dem früher deutschen Königsberg (meiner Geburtsstadt). Ob dieses nur auf Platz zehn gehört, ist fraglich, da es über Vorzüge verfügt, die andere nicht haben, beispielsweise ganzjährig intakte und befahrbare Straßen, die laut Putin „deutsches Erbe“ sind. Davon kann man anderswo nur träumen, am sehnlichsten in der fernöstlichen Jüdischen Autonomen Region Bi­ro­bidshan (36.266 km², 160.000 Einwohner), der drittschlechtesten Region.

 Laut Weltbank und anderen internationalen Institutionen steckt Russland seit Jahrzehnten in einer Zwickmühle: Weil es schlechte Straßen hat, kommt es ökonomisch auf keinen grünen Zweig – weil die Wirtschaft ständig kränkelt, verfällt vor allem das Straßennetz. Von diesem Netz waren 2012 927.000 km befestigt, 355.900 unbefestigt – ganz 5 Prozent des Straßennetzes sind laut heimischen und internationalen Experten von „good quality“. Zum Netzt gehört die Autobahn Sankt Peterburg – Vladivo­stok, die mit ca. 9.200 Kilometern die weltweit läng­ste ist. Russische Touristikmanager haben dafür eine Planungshilfe ersonnen: „Wenn Sie die Strecke mit dem Fahrrad bewältigen, benötigen Sie 447 Stunden. Zu Fuß (peṧkom) sind Sie zwei Monate unterwegs. Ihr Hund schafft es in einem Monat“.

 

8. Putins „katastrophales“ Eigentor 2005

Ein kritischer Umgang mit eigener Geschichte und sowjetischer Vergangenheit fällt Russen überaus schwer, ihren heutigen Herrschern und deren Herolden gefällt hohles Eigenlob besser. Russen lieben wohl den schönen Selbstbetrug, besonders wenn er von angeblichen „Siegen“ im Weltkrieg bestätigt erscheint. 2010 war in der „Sieges-Enzyklopädie“ zu lesen:

„Den ganzen Krieg über demonstrierte der sowjetische Soldat im Unterschied zum deutschen die besten Züge seines Nationalcharakters: Selbstaufopferung, moralischen Adel, Furchtlosigkeit, Heldenmut“. 

Über so viel Eigenlob können Fachleute wie Izabella Šangina nur den Kopf schütteln (AiF 11/ 2020). Für sie sind ihre Russen „die größten Säufer auf dem Planeten“, „Fin­s­terlin­ge“, „Faulpelze“, „Sklaven im Geiste“ etc. Am 12. August 2020 ermittelte eine „allrussische Repräsentativumfrage“ (N = 1.600) die positiven und die negativen Eigenschaften „des russischen Menschen“. Als positiv wurden genannt (in Prozent): Güte (32), Zielstrebigkeit (23), Duldsamkeit (18), Kameradschaftlichkeit (14), Patrio­tismus (13), Arbeitsliebe (7) etc. Negative Eigenschaften wurden in Gruppen zusam­mengefasst und bewertet: Alkoholismus, Drogensucht (21), Faulheit, Initiativlosigkeit, Trägheit (17), Unterwürfigkeit, Stumpfheit (8).

Solche abträglichen Befunde bestritt Putin Ende Oktober 2020 rundheraus. Vor dem „Diskussionsklub Valdaj“ äußerte er einen konträren Lobeshymnus: „Ich glaube, das Hauptsächliche blеibt unverändert, die besten Eigenschaften unsres Volks – Patriotismus, Willensstärke, Kreativität und Arbeitsfähigkeit, gegenseitige Solidarität und die Fähigkeit, die Welt in Erstaunen zu versetzen, indem es schwierigste, beinahe unlösbare Aufgaben löst“. Was er mit so viel Komplimenten beabsichtigte, deutete sein wichtigster Politberater an, Aleksej Česnakov (*1970), Chef des seit 2000 für Pu­tin aktiven „Zentrums für politische Konjunktur“ (CPK): „Der Russe hat Angst vor einem Rücktritt Vladimir Putins als Präsident des Landes, das könn­te verschärfte Machtkämpfe und internationalen Autoritätsverlust des Landes auslösen“. 

Sind russische Politiker wie Putin immer ernst zu nehmen? Er schickte am 25. April 2005 eine „Botschaft“ (poslanie) an die „Föderal-Versammlung“, das russi­sche Parlament, bestehend aus der oberen Kammer „Föderationsrat“ (170 Mitglieder) und der unteren Kammer „Duma“ (450 Mitglieder). Vor den 620 Abgeordneten des höchsten legislativen Gremiums seines Staats nannte Präsident Putin den „Zerfall der UdSSR die schwerwiegendste (krupnejṧaja) geopolitische Katastrophe des Jahrhunderts“ Das gefiel notorischen Moskau-Hassern wie den Polen. Der Pole Donald Tusk, 2014 bis 2019 Präsident des „Europäischen Rats“, war im Juli 2019 auf einer internationalen Tagung in Georgien, für die er Klartext pu­blizierte:

„Der Zerfall der Sowjetunion WAR KEINE schwerwiegendste geopolitische Katastrophe. Heute möchte ich in Georgien laut und deutlich sagen: Der Zerfall der UdSSR war ein Segen für Georgier, Polen, Ukrainer, für ganz Zentral- und Osteuropa. Und für die Russen auch“.

Putin versuchte er noch am 27. Juni 2019 in einem Interview mit der „Financial Ti­mes“, zerschlagenes Porzellan zu kitten:

„Ich hatte vor allem die humanitäre Komponen­te im Blick, als sich 25 Millionen ethnische Russen im Ausland wiederfanden und erst aus Fernsehen und Radio erfuhren, dass die Sowjetunion nicht mehr existiert. Hören Sie, ist das etwa keine Tragödie? Und was für eine es ist!“

 

9. Sowjetmonumente – „scheußlicher Scheißdreck“

Russische Kommunikation verläuft oft nach dem Grundsatz „Nicht auf die Braue, gleich aufs Auge“ (Ne na brov‘, no na glaz). Ein Virtuose solcher Interaktion ist der populäre Designer (und Blogger) Arte­mij Lebedev (*1975), der Mitschuld daran trägt, dass in der Presse Russlands „russophob“ gleich „liberal“ gebraucht wird. 

Lebedev provozierte im August 2020 einen großen Krawall. Angeblich hatten „die Einwohner der Heldenstadt (gorod-geroj) Volgograd“ gefordert, die frühere Nachtbe­leuchtung des riesigen Denkmals „Mutter Heimat ruft“ (Rodina-mat‘ zovët) zu reaktivieren. Volgograd ist das frühere Stalingrad, wie nur noch eine Station der Pariser Metro trägt (Linie 2, 5 und 7). Die „Mutter Heimat“ verachtete Lebedev zutiefst:

„Sie ist scheußlich (urodskaja), das schrecklichste Produkt der sowjetischen Monumentalkultur, die man leider nirgendwo entsorgen kann. Das ist so ein Scheißdreck (chren‘), den man einmal aufrichtete, wo er Symbol wurde, aber wegräumen kann man ihn nicht mehr, nichts zu machen (ničego)“.

Die „Mutter“ wurde von dem ethni­schen Serben Evge­nij Vuče­tić (1908-1974) gestaltet. Das dauerte von 1959 bis 1967 und wurde in echt sowjetischem „brak“ (Pfusch) ausgeführt, der 1972 und 1986 umfangreiche Restaurierungen erforderte.

Russlands „Sieg“ im Zweiten Weltkrieg – ein Selbstbetrug„Mutter Heimat“ ist nicht scheußlich, trotz ihrer Höhe (52 m) und ihrer Mas­­­sigkeit (5.500 t Beton) ist sie attraktiv (linkes Bild). Vuče­tić postierte die schöne Georgierin Ni­­na Dumbadze (1919-1983, rechtes Bild), jahrelang Welt­­rekordhalterin im Diskuswurf und 1952 Olympiasiegerin, aufs Podest seines „Denkmals-Ensembles“ des Volgograder Mamaev Kur­gan. Für den Denk­mals-Kopf stand seine Frau Vera Modell, der nur der weitgeöffnete Mund der Mutter missfiel. 

Vuče­tić hat in Berlin (Ost) ein wirklich scheußliches „Werk“ geschaffen, „Voin-osvo­bo­ditel‘“ (Soldat-Befreier), 1946 bis 1949 im Park Berlin Treptow in Höchst-Tempo errichtet, als die Abgrenzungen der einzelnen „Sektoren“ der Siegermächte noch nicht feststanden. Am 25. April 1991 sagte das wiedervereinigte Deutschland den (damaligen) Sowjets vertraglich Denkmalsschutz zu: „Die Bundes­republik Deutschland verpflichtet sich, sowjetische Denkmäler für die Opfer des Krieges und der Gewaltherrschaft und Kriegsgräber in Deutschland zu erhalten und zu pflegen“. Darum blieb Deutschland der Ärger erspart, den Tschechen, Polen, Ungarn und andere mit Moskau haben, wenn sie die Denkmäler sowjetischer „Befreier“ wegräumen, die in Wahrheit Henker und Schlächter waren  Immerhin vermieden Deutsche, Vuče­tićs „Befrei­er“ als Vereinsabzeichen sowjetischer Ex-Besatzer zu präsentieren.

Russlands „Sieg“ im Zweiten Weltkrieg – ein SelbstbetrugDa schaut man lieber auf das eine von Vuče­tićs Werken, das sein Geniestreich war. 1957 bekam er den Auftrag, für das UN-Gebäude in New York ein repräsentatives Monument zu schaffen. Er wählte aus dem Alten Testament (Mich 4,3) den passenden Vers: „Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen“. Das hat Vu­če­tič in beeindruckender Weise umgesetzt, wozu auch die sprachliche Gestalt gehörte: Statt des langweiligen „machen“ wählte er das Verb „perekovat‘“ (umschmieden, neu fassen), was weltweit Eindruck machte, gar auf sowjetische Briefmarken kam (Bild). Nur in der DDR, wo Vučetićs Monument Symbol der regi­me­feind­lichen Opposition war, konnte es gefährlich werden, Vučetićs „Umschmieder“ am Revers zu tragen.

 

10. Ausblick: „Hasst“ alle Welt die Russen?

Im obigen Kapitel über „Nostalgie“ war die Rede von dem neo­chauvinistischen Krakeeler Starikov. Er demonstrierte 2018/19 Flachsinn mit seinem neuen Buch „Hass. Chroniken der Russophobie“ (Nenavist‘. Chro­­niki rusofobii), das in einem umwerfenden Befund gipfelt: „Wir waren imperial, wir waren kommunistisch, wir waren demokratisch – doch zu jeder Zeit vom Westen gehasst“. Warum? Weil der Westen in Russland den überlegenen Rivalen fürchtet. Und darum „wird im Westen der Russlandhass intensiv gefördert“, der seit jeher zu “unzähligen Verbrechen“ inspirierte.

Dem Westen ist Russland weithin gleichgültig, Osteuropa meist zuwider. Wofür Zahlen sprechen (AiF 49/2019): In den 1990-er Jahren haben 74,6 Mio. Menschen im Ausland Russisch gelernt, 2018 waren es noch 38,2 Mio. Dieser Rückgang verlief besonders krass in Osteuropa, wo die Zahl der Russisch-Sprecher von 38 Mio. (1990) auf 8 Mio. abstürzte, im ex-sowjetischen Raum von 119,5 Mio. auf 82,5 Mio.

Russlands „Sieg“ im Zweiten Weltkrieg – ein SelbstbetrugDas intellektuelle und soziopolitische Gegenstück zu Starikov & Gen. ist die Philologin Valerija No­­vodvor­s­kaja (1950-2014, Bild), die in Deutschland 1971 durch Rolf Winters kritisch-faktenreiches Russlandbuch (AB) bekannt wurde. Winter machte ihren infernalischen „Dank“ an die KP zum Motto seiner Aus­führungen zum Widerstand. Und bei Novodvorskaja wurde „Hass“ absichtsvoll artikuliert „Dank Dir, Partei,/ für alles was Du tust; /um unseren Hass auf Dich zu nähren. Dank Dir, Partei“. In Russland wurde sie bekannt durch ihren Appell „Nieder mit der Sowjetmacht“ (Doloj sovetskuju vlast‘). 1988 war sie Mitbegründerin der systemkritischen „Demokratischen Union“, nach 1991 stritt sie unermüdlich für die „Welt-Werteskala“, die sich ihr höchst einfach darstellte, auch wenn sie damit viele ihrer („sowjetisch“ sozialisierten) Mitstreiter, überforderte: „Freiheiten und Menschenrechte können nur auf einem System basieren, welches Kapitalismus heißt“.

Wenn der Politologe und Ökonom Sergej Karaganov (*1952) Recht hat, wird es ein solches System in Russland kaum jemals geben (AB): „Russland wählte den Kurs der Aufrüstung“, obwohl Russen wissen, dass „in der heutigen und kommenden Welt Militärpotential keine entscheidende Bedeutung in der Politik mehr haben wird“. Aber dem widersteht „der Appetit des verbleibenden Militärisch-Industriellen Komplexes, der (…) korrumpiert ist, wie fast alles bei uns“. Man betreibt eine “dumme Hochrüstung über jedes vernünftige Maß hinaus, sucht nicht vorhandene Feinde“ und plündert alle Entwicklungsbudgets für Militärausgaben, wo doch eine „nachhaltige Erhöhung der Aufwendungen für die Bildung“ nötig wäre. Wenn Russland so fortfährt, dann fehlen ihm in Bälde nicht nur Mittel „für Modernisierung und Diversifizierung der Wirtschaft, selbst für die Stärkung der Militärmacht wird es nicht mehr reichen“. Zur Bestätigung seines giftigen Urteils zitierte Karaganov den „ehemaligen BRD-Kanzler“ Helmut Schmidt, der die UdSSR „Obervolta mit Atom-Raketen“ nannte. Wann er das genau gesagt hat, ist unbekannt, aber russische Hochachtung für Schmidt hat sein Vergleich von Russland als „Verchnaja Vol’ta s raketami“ nie geschmälert.   

 

 

Teil II: Russlands „Siege“ – vermiedene Niederlagen

1. Einführung

Russische Aussagen über eigene „Siege“ sind zumeist haltloses Prahlerei – exemplifizierte im Mai 2020 der Historiker Jurij Pivo­va­­rov (*1950) an Stalin höchstpersönlich: Acht Zei­len verwendete Akademie-Mitglied Pivo­varov auf die Auflistung aller Titel, Ehrentitel und Anbetungen Stalins („Marschall, Generalissimus, Mann Nummer eins des zwanzigsten Jahrhunderts“ etc.), um dann ironisch zu resümieren: „Kann alles sein. Nur den Krieg hat er nicht gewonnen“. Stalins Terror in Armee und Ge­sell­schaft, so Pivovarov in Anlehnung an den „treuen Stalin-Marschall“ Aleksandr Vasi­levskij (1895-1977), hat Hitler erst ermutigt, die ­Sowjet­union anzugreifen:

„Der Hitler-Überfall vom 27. Juni 1941 traf auf 303 Divisionen der Roten Arbeiter- und Bauernarmee (RKKA) mit zusammen 5.373.000 Mann. Nach einem halben Jahr verblieben noch rund 1.650.000 Mann. Das heißt, der Feind hatte über vier Millionen Mann getötet, verwundet oder gefangen genommen. Im Herbst 1942 waren zwei Millionen km² des europäischen Teils der UdSSR mit einer Bevölkerung von 85 Mio. Menschen okkupiert. Nach Angaben des Deutschen Oberkommandos gerieten im ganzen Krieg 5.270.000 Soldaten und Offiziere der RKKA in Gefangenschaft, während noch 2005 der Generalstab des (russischen) Verteidigungsministeriums verlautete, 4.559.000 Rotarmisten seien in Gefangenschaft gekommen – ein Unterschied von 710.000“.

Russlands „Sieg“ im Zweiten Weltkrieg – ein SelbstbetrugSolche Daten publizierte man erst lange nach Kriegsen­de. Davor las man es anders, wie ein zeitgenössisches Plakat zeigte: Da sieht man das Brandenburger Tor (mit der kyrillischen Inschrift Germanija), darüber drei kleine Fähnchen der USA, Englands und Sowjetunion. Durchs Tor marschieren Rotarmisten, von denen einer die rote Flagge schwenkt: „Wir hissen über Berlin das Banner des Sieges“. Sieg? Am 9. April 2020 sendete die Rundfunkstation „Radio Svoboda“, die in Prag stationiert ist, die beeindruckende Dokumentation (in russischer Sprache) „Land-Lease – die Waffe des Sieges“, die der Mos­kauer Historiker Boris Sokolov (*1957) verfasst hatte – ein strenger Kritiker russischer Macht­haber, wie man schon dem Titel erkennen kann, mehr noch aus dem Inhalt. In Russland, so Sokolovs Tenor, übersieht man „traditionell“ die Bedeutung von Land-lease. Dabei war deren Rolle „weit gewich­tiger als es frühere sowjetische und heutige russische Historiker“ darstellen.    

Nochmals: Die West-Alliierten haben Stalins Sowjetunion großzügig Waffen und Geräte geliefert, die diese vor einer Niederlage bewahrten. Ansonsten durfte die Sowjetpropaganda die Westalliierten zwar “Brüder-Völker“ nennen, aber nur propagandistisch ausgewalzt: „Die Brudervölker verabredeten/ ein Treffen über der Hauptstadt des Feindes/ bei jedem Händedruck/ zitterte das faschistische Deutschland“. Brudervölker? Der mutige Moskauer Bürgerrechtler Ilja Varlamov hat im Mai in seinem Blog den bösen Essay veröffentlicht „Feind, Freund und wieder Feind – Wie Stalin das Dritte Reich lieb gewann“, der die Wege der Kumpanei Stalin – Hitler dokumentierte. Verfasst hatte ihn der Historiker und Schriftsteller Aleksej Kul’manov, der längst eine erste Adresse für historische Wahrheitsfindung ist. Laut ihm betrugen 1940 sowjetische Exporte nach Deutschland 190,3 Mio. Dollar, Importe 128 Mio, Das übertraf weit den Handel mit den USA und Großbritannien

 

2. „Sieg“, „siech“ oder Lend-Lease

Die bewusste Stalin-Äußerung, Überschrift dieser Dokumentation, fiel bei der Teheran-Konferenz (28. November bis 1. Dezember 1943), als die „Großen Drei“ Sta­li­n, Roosevelt und Chur­chill mit einem Festessen den 69. Geburtstag von Chur­chill würdigte. Man sollte sich an sie erinnern, wenn frü­here Sowjets und heutige Russen wieder einmal von ihren „Siegen“ tönen, wie es ausgerechnet Stalin nicht getan hatte, aber dafür sorgte, dass sein Dank an die Verbündeten nicht weiter publik wurde.

Dank? Im Februar 1942 schickte US-Präsident Roosevelt Admiral William Standley (1872-1963) als Botschafter nach Moskau. Seine Hauptaufgabe war die Koordinierung alliierter Hilfslieferungen. Dabei bekam er Einblicke und wagte Aussagen, die bis heute gern von russischen Historikern wie Oleg Budnickij (AB) zitiert werden:

„Offenkundig wollen die sowjetischen Machthaber die Tatsache verschleiern, dass sie Hilfe von außerhalb beziehen. Unverkennbar wollen sie ihrem Volk weismachen, dass die Rote Armee ganz allein Krieg führt“.

„Hilfe von außerhalb“? Davon wollten Russen nichts wissen: „Wir haben Millionen Leute verloren, aber sie verlangen, dass wir vor ihnen auf den Knien rutschen, nur weil sie uns Konserven schicken“. Solchen Unsinn zitierte der Historiker Oleg Budnickij (*1954) 2015, als er Umfang und Art der US-Hilfe schilderte: Von Juni 1941 bis September 1941 bekamen die Russen 17,5 Mio. Tonnen Güter, gebracht in 2.770 Transportschiffen. Diese waren auf eine Haltbarkeit von fünf Jahren konzipiert, wurden partiell aber bis 1974 genutzt.

1948 erschien eine „Kurze Geschichte des Großen Vaterländischen Kriegs“ mit einigen Angaben, was man von den Westalliierten an Waffen, Maschinen etc. erhalten hatte. Dann behaupteten die Autoren: „Jedoch war die­se Hilfe nicht sonderlich bedeutsam und keineswegs konnte sie einen entscheidenden Einfluss auf den Gang des Kriegs ausüben“. Bereits 1947 veröffentlichte Nikolaj Voznesenskij, Stalins Planungschef, eine Studie „Die Kriegswirtschaft der UdSSR zu Zeiten des Vaterländischen Kriegs“, in der er kühn behauptete, die „westlichen Lieferungen machten 4 Prozent der sowjetischen Produktion aus“.

Rechtliche und politische Basis des „Sieges“ war der Lend-Lease-Act (Leih- und Pachtvertrag), vom US-Kongress am 18. Februar 1941 verabschiedet – mit dem Ziel, alle Gegner der „Achsenmächte“ (Deutschland. Italien, Japan) zu unterstützen. Im No­­vember 1941 wurde das Abkommen auch auf die Sowjetunion ausgedehnt, die allein aus den USA für 11,3 Mrd. Dollar Waffen und Gerät erhielt. Details hat im Mai 2020 der russische Wirtschaftswissenschaftler Dmitrij Prokof’ev in seinem brillanten Aufsatz „Was ein Sieg kostet“ (Skol’ko stoit pobeda, AB) ausgebreitet. Wie sollten die Sowjets überhaupt an „Hilfe“ kommen? Sie verfügten kaum über schwere Transportflugzeuge und nur eine „Handvoll“ Flugplätze mit betonierten Pisten, alle rund um Mos­kau gelegen. Gegen solche Mängel verfuhr Stalin in bekannter Manier: Erschießen! Sein prominen­testes Opfer war Generaloberst Grigorij Štern (1900-1941), Chef der Zentrale für Luftverteidigung. Da mehrfach deutsche Junkers-Maschinen unbehelligt bis nach Moskau flogen, wurde Štern verhaftet, als „deutscher Spion“ angeklagt und am 28. Oktober 1941 zusammen mit 25 Mitangeklagten erschossen. 

Ein ähnliches Schicksal traf Nikolaj Voznesen­skij (1903-1950), den Chef der Wirtschaftsplanung (Gosplan), Inhaber an­derer höchster Posten und von Stalin selber zu seinem Nachfolger (preemnik) be­stimmt. 1949 ur­teilte Stalin ganz anders, ließ Voznesenskij aus allen Posten werfen, im Oktober 1949 verhaften und Ende September 1950 erschießen. Die genaueren Gründe dafür sind unklar, aber vermutlich suchte Stalin einen Sündenbock für die Hun­gers­not von Juli 1946 bis August 1947, die bis zu 1,5 Mio. Todesopfer forderte und nach Ansicht westlicher Experten von Stalin gegen die rebellischen Bauern inszeniert worden war. 

Voznesenskij war Verbreiter der Lügen von der Geringfügigkeit alliierter Hilfen. Die Wahrheit hat, wie erwähnt, Prokof’­ev an lebenswichtigen Bereichen demonstriert: „Lieferungen aus dem Pacht- und Leihvertrag sicherten 80 Prozent vom Bedarf des medizinischen Dienstes der Roten Armee“. Noch mehr galt das für Nahrungsmittel, da „Russland im Sommer 1941 einen Großteil seines Ackerlandes verloren hatte“.

Über Lend-Lease diskutieren Russen immer noch, wobei (wie erwähnt) die Front der totalen Verleugner immer weiter bröckelt, wogegen auch der erwähnte N. Starikov mit seinen Huldigungen auf Stalin nicht ankommt. Eine neue Lesart besagt, die Alliierten hätten zwar etwas geliefert – „nicht viel und nicht kriegsentscheidend“ -, sich das aber „mit Blut und Gold“ bezahlen lassen. Die Wahrheit kennen und beweisen brillante Historiker wie Oleg Budnickij, Andrej Čaplygin, der junge Dmitrij Okunev etc., die auch die vernünftigen Print- und Funkmedien hinter sich wissen.   

Das gilt vor allem für Prokof’ev, dem wir logistische Grund­daten verdanken. In fünf Protokollen waren Liefertermine festgelegt worden (I. 7.12.41, II. „Washing­toner P.“ 9.12.42, III. „Londoner P.“ 10.43, IV. P. Februar 1944, V. P März 45). Wichtig waren die “Marschrouten” der Transporte, die für unterschiedliche Mengen bestimmt waren:   

Strecke

Tonnage (1.000 t)

Anteil an Gesamtliefg. (%)

Stiller Ozean

 8.244

47,1

Transiran

 4.160

23,8

Arktische Konvois

 3.964

22,6

Schwarzes Meer

    681

  3,9

Sowjet. Arktis

    452

  2,6

Total

17.501

100,0

 

Russlands „Sieg“ im Zweiten Weltkrieg – ein SelbstbetrugÜber die ersten drei Routen kamen 93,5 Prozent aller Lieferungen. Die wohl interessanteste war die transiranische, über die schwere LKWs „Studebaker“ kamen, die man über­all einsetzte, „wo es keine Bahn­li­nien gab“ (Prokof’­ev). Russland bezog 375.000 Exemplare. 3.374 „Studebakers“ wurden zu Raketenwerfern umgerüstet (Bild), die legendäre „Katjuṧa“, wie die effiziente Waffe nach einem populären Lied hieß  

Gefragt war bei den Menschen die „zweite Front“, also die Lebensmittellieferungen (tuṧënka, 4.478.000 t). die „fast die ganze Armee und das Gros der »Zivilisten«, Beschäftigte wichtiger kriegswirtschaftlichen Betriebe und politische »Nomenklatura«, versorgten. Kriegswichtig waren Maschinen, Metalle, Chemikalien etc., die die sowjetische Produktion um das Zehnfache übertrafen. Dazu andere Lieferungen:

Geräte, Waffen

Menge

Panzer

 18.564

Flugzeuge

 22.195

Autos

432.316

Motorräder

  36.891

Lokomotiven

    1.981

Waggons

  11.155

Spezialstahl

2.800.000 t.

Erdölprodukte

2.670.000 t

Chemikalien

   847.000 t

Traktoren

       8.071

Schienen

   622.100 t

Flugbenzin

2.586.000 t

Schießpulver

   123.000 t

Sprengstoffe

   306.000 t

Patronen div. Kalibers

603 Mio St.

Buntmetalle

  802.000 t

Soldatenstiefel

 15.5 Mio P.

Schuhe

16 Mio P.

Soweit Prokof’ev, Budnickij und andere Kenner, die auch exotische Lieferungen anführten: Bettdecken (1.541.590), Spiritus (331.066 Liter), Knöp­fe (pugovicy) 257 Mio.  

 

3. Personal, Preis und Bilanz der „Siege“

Ein Bonner Ex-Minister erzählte amüsiert, wie sowjetische Spitzenmilitärs ausrasteten, wenn vom Öko-Vandalismus der Sowjet-Besatzer in Ost-Deutschland die Rede war. Zu dessen Bereinigung musste man metertiefen Bodenaustausch vornehmen etc. Allein die Erwähnung solcher Fakten empfanden Russen als Schändung ihres Heldenruhms und nationale Beleidigung, worauf sie mit dem Totschlagargument reagierten: „Vergessen Sie nicht, wer den Krieg verloren hat“.

Man hätte den Russen aus dem Buch „Berliner Kreml“ vorlesen sollen, das der Rus­se Grigorij Klimov (1918-2007) 1951 veröffentlichte und das ein verdienter Erfolg war. So detailliert hatte zuvor (und später) noch kaum jemand registriert, wie rücksichtslos die Rote Armee deutsche Fabriken ausplünderte, die Bevölkerung versklav­te und die West-Alliierten als „Feinde“ auf Schritt und Tritt hinterging. Das hatten die Alliierten nicht bedacht, als sie den Sowjets Thüringen, Sachsen-Anhalt und Westsachsen überließen (MDR „Zeitreise“ 03.07.2020).  

Nach jüngsten deutschen Ermittlungen waren über 500.000 Sowjet-Besatzer in 620 ostdeutschen Standorten präsent, die meisten in Ost-Berlin (134) und Leipzig (69). Allein im Bundesland Brandenburg gab es 83 sowjetische Kasernen, 89 Wohnkom­plexe, 19 Flugplätze und 45 Schießplätze (Potsdamer Neuste Nachr. 29.08,2019).  Im Zuge einer Vortragsverpflichtung durfte ich einen solchen Hochaus-Komplex von außen anschauen – er war hermetisch abgesperrt, damit kein Deutscher durch die brüchige Statik der Gebäude gefährdet würde. Seit dem 10. Juni 1945 gab es Sowjetische Besatzer in Deutschland, am 31. August 1994 traten die letzten die Heimreise an. Aber noch feiert man in Russland am 10.Juni den „Gründungstag der Grup­pe sowjetischer Truppen in Deutschland“ (GSVG), wozu das junge (und lesenswerte) Wochenblatt „Juristische Zeitung“ (yur-gazeta.ru) 2020 einen akribischen Report publizierte. Die Sowjetische Besatzungszone maß 107.500 km² und zählte 18,5 Mio. Einwohner, die anfänglich von 2,9 Mio. Soldaten der „Grup­pe sowjetischer Besatzungstruppen“ (GSOV) “kontrolliert“ wurden. Oberbefehlshaber war Marschall Georgij Žukov, der in Personalunion auch die „Sowjetische Militär-Administration“ (SVA) leitete. Er nutzte seine Position zu Bereicherung und Plünderei (marodërst­vo), worauf ihn das KP-Politbüro am 20. Januar 1948 als „politisch und moralisch verkommenen Menschen“ rüg­te (was seiner Karriere weiter nicht schadete).

Die GSOV-Führung residierte anfänglich in Potsdam, wurde aber bald nach Wünsdorf verlegt, wo sie bis zuletzt verblieb und „sogar Nuklearwaffen zur Verfügung hat­te“. Wünsdorf besaß einen eigenen Bahnhof, von dem täglich Züge von und nach Mos­kau gingen. Im Internet sind Bilder und Filme zu Wünsdorf zu sehen, die einen Eindruck von russischem Umgang in „Feindesland“ vermitteln     

Russen fühlen sich bis heute als alleinige „Sieger“ über Deutschland, wie sie 1945 bis 1994 im Namen ihrer Besatzertruppe „in Deutschland“ kund­taten, nicht etwa in der DDR. In Russland verblieb Besat­zerkult. „Nazadvgsvg.ru“ (Zurück zur GSVG) nennt sich seit über einem Jahrzehnt ein Internetportal, wo zahlreiche Veteranen-Clubs, benannt nach ihren Standorten von Altenburg bis Zerbst, Nostalgie pflegen ans „tolle Land DDR“, dieses „Einkaufsparadies“, in dessen „Läden gab es alles“, dazu „deutsche Kultur, Ordnung und Sauberkeit“. Daran erinnerte die (lesenswerte) „Moskauer Deutschen Zeitung“.

Rein rechnerisch müsste die GSVG-Gemeinde riesig sein, denn seit Jahrhunderten ist es russischer Ehrgeiz, mit Deutschen zu reüssieren. Wie ein russisches Sprichwort besagt: „Der Deutsche gewinnt mit dem Verstand, der Russe mit den Augen“ (Nemec umom dochodit, Russkij glazami). Und die GSVG bot ja viele Gelegenheit, bei den „Fritzen“ manches abzugucken. Unglaubliche 8,5 Mio. Russen haben zwischen 1945 und 1994 als Militär oder Zivilpersonal bei den Besatzern gedient, wozu noch Hundert­tausende Familienangehörige, Zivilangestellte etc. kamen. 15,5 Mrd. D-Mark kostete es das wiedervereinte Deutschland, die ungeliebten „Freunde“ außer Landes zu bringen. Angeblich sollten dafür Wohnungen für GSVG-Militärs gebaut werden, doch gewiss versickerte das Geld anderswo. Von daher rührt der Zorn vieler Russen auf Gorbačëv und andere, die die ostdeutsche Kolonie opferten. Dabei sind die Lebensverhältnisse in Russland, mit Gorbačëv oder ohne ihn, die schlechtesten in ganz Osteuropa. Dаs erklärt unter anderem die hohe Kriminalität in Russland.

Die heutige Misere hat ihr Nachkriegs-Vorspiel. 1946 wurden aus den „ausländischen Aktionszonen der sowjetischen Armeen“ insgesamt 4.199.488 „Sowjetbürger“ repatri­iert, davon 2.660.013 Zivilisten und 1.539.475 Armeeangehörige. „Von den Anglo-Ame­rikanern übernommen oder aus anderen Ländern“ kamen weitere 2.352.686 Personen. Diese Zahlen spielen keine größere Rolle, weil sie allem Anschein nach inkorrekt sind. So viele russische Quelle man konsultiert, so viele differierende Zahlen bekommt man. Das beginnt mit Globalzahlen der Kriegsgefangenen – laut deutschen Angaben 5,270.000, laut russischen 4.559.000. Zudem hat die (lesenswerte) russische „Novaja gazeta“ im September 2020 behauptet, dass von den russischen Kriegsgefangen „3,8 Mio. in den ersten Kriegsmonaten in Gefangenschaft kamen“. Das bezeugte die Schreckstarre, in die die sowjetische Staats- und Parteiführung bei Kriegsausbruch fiel, Stalin allen voran, der ernsthaft befürchtete, erschossen zu werden. Nikita Chruṧčëv (1894-1971) berichtete, dass Stalin tage- und wochenlang unfähig für jede Aktivität war. Anastas Mikojan zitierte in seinen Memoiren eine Äußerung Stalins: „Le­nin hat uns diesen Staat hinterlassen, aber wir haben ihn verkackt!“  

„Russische Kriegsgefangene“ ist seit Jahrzehnten ein Reizwort in Russland, weil damit vor allem „Vlasovcy“ gemeint sind, die 125.000 Angehörigen der „Russischen Befreiungsarmee“ (ROA), die in den letzten Kriegsmonaten auf deutscher Seite kämpf­te. Laut russischen Angaben wurden die „Vlasovcy“ und andere „Helfer der Besat­zer“, zusammen 14,96 Prozent aller „repatriierten“ Kriegsgefangenen, „Repressionen“ (repressii) unterworfen, wie die euphemistische Umschreibung für Erschießung lautete. Das war für die ROA kein Geheimnis, denn schon Ende 1944 hatte ihre Zei­tung „Zarja“ (Morgenröte) als erste Stalins Äußerung publiziert, dass es für die Rote Armee keine Kriegsgefangenen gäbe, nur „Heimatverräter“. Dieses Wort Stalins sei „ohne großen Aufwand“ verbreitete worden, so „Zarja“ weiter, war bei der Bevölkerung aber nicht „ergebnislos“ geblieben, wie die jüngsten Kämpfe zeigten.

Schon bei ihrer Vereidigung mussten Rotarmisten schwören: „Eine Gefangengabe an den Feind ist Vaterlandsverrat“. Und Stalins „Befehl 270“, kurz nach Kriegsbeginn erlassen, drohte jedem kriegsgefangenen Offizier nach Rückkehr mit dem Tod. Wie ernst Stalin es damit meinte, demonstrierte er an seinen ältesten Sohn Jakov Džu­­gaṧvili, den er 1941 in deutscher Gefangenschaft ungerührt umkommen ließ.

Wenn es nicht zynisch klänge, könnte man Stalins Umgang mit eigenen Kriegsgefangenen als seinen Beitrag zum „Großen Sieg“ bezeichnen, dass er den Soldaten nur die Wahl zwischen dem Tod auf dem Schlachtfeld oder in den Erschießungskellern der Geheimpolizei ließ. So et­was steigert offenkundig Kampfbereitschaft. Die Realität sowjetischer „Befreiung“ (osvobož­denie) und „Befreier“ (osvoboditel‘) wurden bei den Volksaufständen in Ostdeutschland (1953), Polen (1956) und Ungarn (1956) brutal deutlich. Denn, wie Nikolaus Ehlert formulierte, „wo einmal ein russischer Fuß stand, das wird mit atemberaubender Selbstverständlichkeit national vereinnahmt“. Auch begegnete Ehlert unter Russen „keinem einzigen, der die Eroberungen nicht letztlich gebilligt und die eroberten Gebiete nicht heute als »heilige russische Erde« betrachtet hätte.

 

 

4. Erinnerung: Stalins Niederlage vor Jugoslawiens Marschall Tito

Russische „Sieges“-Medaillen, im Krieg millionenfach verstreut, zerfallen in zwei Kategorien. Die einen vergab man „für die Einnahme“ (za vzjatie) von Budapest, Wien, Königsberg, Berlin etc. Die anderen gab’s „für die Befreiung“ (za osvobož­denie) Warschaus, Prags, Belgrads etc. Die Belgrad-Medaille zeigte, im Unterschied zu anderen, einen Lorbeerkranz, dabei war sie nur ein schlechter Scherz. Die Sowjets hatten wenig Ahnung vom Kriegsgeschehen im West-Balkan, was sich erst im Januar 1944 änderte. Da schickte Moskau eine „Mission“ zu Titos Partisanen, was die Briten bereits im Mai 1943 getan hatten. Mehr noch: Churchill, ein persönlicher Bewunderer von Tito und dessen Partisanen, schickte 1944 seinen Sohn Randolph (1911-1968) als Verbindungsoffizier zu Tito. Der hat ihm das nie vergessen, während er Stalins ständige Mahnungen, sich mit dem in Londoner Exil weilenden jugoslawischen König Petar gut zu stellen, wütend zurückwies: „Wenn ihr schon keine Hilfe schicken könnt, dann behindert uns wenigstens nicht“. Jetzt setzte Moskau seine Mission in Marsch – ein halbes Jahr nach den Briten und nach mehrwöchiger Anreise über Teheran, Kai­ro, Tunis etc. Leiter war General Nikolaj Korneev (1900-1976), ein übervorsichtiger Bürokrat aus dem Bildungswesen der Armee, dem Moskau diese schwierige Aufgabe zutraute. Tito akzeptierte die „Mis­sion“ als Statisten der Westalliierten, die sie wohl als „Genossen“ von Tito hinnahmen. Ausstehen konnte man sie nicht, die Briten lästerten über das „staatsmännische“ Gehabe sowjetischer Offiziere, was jugoslawische Partisanenführer genüsslich herumtratschten.

Allein Russen wussten, was sie in Jugoslawien sollten, da der Sieg Titos und seiner Partisanen nur noch eine Frage von Monaten war: Spitzel anwerben, Titos Kon­takte zu den Alliierten stören, die Jugoslawen nach Kräften „ausnehmen“ und bulgarische Truppen in Makedonien als Vorgriff auf eine „dualistische“ Föderation Bulgarien – Jugoslawien akzeptieren. Als Gegenleistung schickten sie „Hilfe“ – 44.368 Orden und Medaillen, 100.000 Abzeichen mit dem Bild Titos und 25.000 Em­bleme „Partisan 1941“ Als Gegenleistung  forderten sie, am 14. Oktober 1944. „als erste in Be­­lgrad einzumarschie­ren“. Wenn Tito das konzediert hätte, wäre ihm ein Mordskrach mit seinen Partisanen sicher gewesen. Aber Tito dachte anders, er wollte die aus Un­garn angerückte Rote Armee einspannen, den nördlichen Srem zu besetzen. Das wiederum durften die So­wjets nicht, ihr einziger Auftrag war, Belgrad einzunehmen, „weitere Be­fehle hätten sie nicht“. Tito ließ ein paar Rotarmisten in Belgrad einmarschieren, wobei er aufpasste, dass die Sowjets keine deutschen Waffen, Geräte, Maschinen etc. stahlen. Das war es dann auch schon mit sowjetischer „Befreiung Belgrads“.

Tito hatte Recht, den Sowjets zu misstrauen. Vladimir Dedijer (1941-1990) schilderte in seinem Weltseller „Stalins verlorene Schlacht“, dass sich die Russen unmittelbar nach Kriegsende in Jugoslawien wie primitive Eroberer aufführten. Den Schaden davon hatten Tito und seine Führung: Die Menschen wurden immer verärgerter über die Russen, deren Chefs beschwerten sich bei Stalin, der wiederum die Tito-Führung beschimpfte. So besagte es Dedijer, der die schlimmsten Fälle ausließ„ Berühmt“ wurde z.B. die Äußerung eines sowjetischen „Instrukteurs“: „Jugoslawien ist ein kleines Land, das nur durch die Sowjetunion existieren kann. Wir Russen allein haben Jugoslawien befreit und niemand sonst. Daher sind wir berechtigt, von euch zu ver­langen, dass ihr tut, was wir euch befehlen“. Übler noch waren die zahllosen Vergewaltigungen jugoslawischer Frauen durch sowjetische Soldates­ka. Dazu publizierte Belgrad 1953 das Weißbuch „Untaten unter dem Mantel des Sozialismus“, das man nach Stalins Tod (5.März 1953) rasch zurückzog. Nicht rasch genug, inzwischen kursierte eine deutsche Übersetzung „Genosse Feind“.

In der zweiten Hälfte der 1940-er Jahre war Titos Jugoslawien mit ganz Europa verkracht, was es seelenruhig „aussaß“. Der Konflikt mit Stalin eskalierte bis zur Kriegsnähe, bis 1950 zählte man über 5.000 bewaffnete Grenzzwischenfälle, die Stalins dümmste Scharfmacher wie der Sachse Walter Ulbricht gern zum „lokalen Krieg“ ausgeweitet hätten. Das ließ Stalin lieber bleiben, zumal das kriegserfahrene Jugoslawien alle Kriegsvorbereitungen getroffen hatte und einem Kräftemessen fast schon vergnügt entgegensah. Die Ex-Jugoslawen mögen mittlerweile völlig entzweit sein – daran erinnern sie sich immer noch gern, wie sie zusammenstanden und es möglichen Aggressoren gern besorgt hätten. Zudem drohte mit dem Westen Krach, nachdem Tito zwei westliche Kampf­jets abschießen ließ. Das nahm man ihm nicht weiter übel, da man ihn als gewichtigen Partner im ausgebrochenen Kalten Krieg benötigte. Darum bekam er auch fast 160 Mio. Dollar aus dem Marschall-Plan, den Stalin seinen Satelliten streng versagte.

Tito siegte an allen Fronten: Am 20. Oktober 1949 wurde Jugoslawien mit 39 Stimmen (als nichtständiges Mitglied) in den UN-Sicherheitsrat berufen, was ein bewusster Affront gegen Stalin war. Und weitere Aktionen, die erst nach Stalins Ableben endeten. Nicht ganz: Im Mai 1955 trat Stalin-Nachfolger Nikita Chruṧčëv seinen Canos­sa-Gang nach Belgrad an, wo Tito ihm durch seine Mitstreiter kräftig die Leviten lesen ließ. Dieser Marschall besaß als bestätigter „Sieger“ und “Befreier“ die Zuneigung seiner Untertanen in einem Maß, wie es sie anderswo kaum ein zweites Mal gab, im kommunistischen Osteuropa mit Sicherheit gar nicht. Sein Chefdolmetscher erinnerte sich an eine charakteristische Begebenheit: Am 1. August 1978 wurde in Helsinki die berühmte „Schlussakte“ unterzeichnet. Im Saal saßen gedrängt Prominente aus vielen Ländern – die alle aufstanden, als Tito eintrat. Verwundert das?

Tito starb am 4. Mai 1980 im Militärkrankenhaus Ljubljana, Tage später wurde sein Leichnam im „plavi voz“, dem legendären „blauen Sonderzug“, durch Jugoslawien nach Belgrad gefahren. In größeren Städten waren kurze Aufenthalte geplant, die sich nur in der kroatischen Hauptstadt Zagreb länger ausfiel – weil Tausende Kroaten alte Liebeslieder wie „Hvala“ (Danke) sangen.    

 

5. „Russkij mir“ = russische Welt, Frieden, Dorfgemeinschaft

Bohrende Fragen nach dem ständig gefeierten „Sieg“ und seinen ausbleibenden Wohltaten werden oft gestellt, aber nie beantwortet. Russische politische Debatten stecken oft voller Untiefen, die weder zu ergründen noch zu füllen sind. Musterbeispiel dafür ist „russkij mir“. Das Adjektiv „russkij“ heißt „russisch“. Aber das Substantiv „mir“ hat vier divergierende Bedeutungen! „Mir“ steht erstens für „Welt“, zweitens für „Frieden“, drittens für „Dorfgemeinschaft“ (als erweiterte russische Familie) und viertens für „weltliche Vergangenheit“ (von Mönchen). In diesem Gewirr die Orientierung zu behalten, schafft niemand. Früher gab es Parolen wie „miru mir“ (der Welt den Frieden),  heute ist „russkij mir v poiskach soderžania“ (auf Suche nach Inhalt). So formulierte es im August 2017 „Rossija v global’noj politike“ (Russland in der Globalpoliitk, RGP), die von dem Germanisten Fëdor Luk’janov redigierte außenpolitische Fachzeitschrift, die sich zu Recht höchster internationaler Reputation erfreut.

Was ist „russkij mir“? Es ist eine analoge Bildung zu „Pax Romana“ vom Beginn unserer Zeitrechnung, „Pax Britannica“ und „Pax Americana“ im 19. Jahrhundert und anderen Konzepten für multiethnische Groß- und Kolonialreiche, die nach langen Konflikten zu friedlicher Selbstverwaltung und ökonomischer Konjunktur finden sollten. Bei Römern und Briten funktionierte das Pax-Konzept leidlich ein, zwei Jahrhunderte lang, der „russkij mir“ nie. Weil er meist anmutete als wenig überdachte Wiederbelebung romantischer Internationalismen vor Jahrhunderten wie „Pan­slavismus“ (von Tschechen erdacht) oder „Slavophilie“ (eine deutsche Wortschöpfung).

. In jedem Fall endeten panslavische Träume, die Putins Russland im Rahmen des „russkij mir“ wiederbeleben möchte. 2007 hatte er per Ukaz den „Fonds Russkij mir“ ins Leben gerufen – zwecks „Popularisierung von russischer Kultur und russischer Sprache“. Also gewissermaßen die russische Version des deutschen „Goethe-Instituts“, das bei russischen einschlägigen Äußerungen herangezogen wird.  017 mühte sich Putin in einem weitere Ukaz, Klarheit in die Sache zu bringen, aber das Gegenteil kam heraus. Der Präsident hatte drei Zielgruppen der russkij-mir-Aktivitäten bestimmt: Russen (russkie), Russländer rossijane) und „russischsprachige Ausländer“. In einer dieser drei Fraktionen fanden sich auch russischsprachige Israelis wieder, was Russen kaum interessiert. RGP berichtete (4/2017), dass 71 Prozent aller Russen „noch nie davon gehört“ hätten, von „russkij mir“ nämlich. 

Das müssen sie auch nicht, denn im Grunde gehört „russkij mir“ zu den zahlreichen Begriffen, die wenig verständlich und schwer erklärbar sind, etwa die „Di­glossie“ zwischen deutscher „Hochsprache“ und „deutschen“ Regiolekten, wie sie in Österreich, der Schweiz, Luxemburg etc. anzutreffen ist. Was immer da geredet (und bei TV-Berichten per „Untertitel“ verständlich gemacht wird), ist sprachlicher Ausdruck der idealtypischen Unterscheidung in „Kulturnation“ und „Staatsnation“, die der Historiker Friedrich Meinecke (1862-1954) 1908 traf. Ihm schwebten Frankreich als Staats­nation und Deutschland als Kulturnation vor, was man auch umgekehrt sehen konnte. Eindeutiger wurde es, als die DDR unter Ulbricht eine „eigene Sprache der sozialistischen Arbeiterklasse“ erschaffen wollte und dafür nur Hohngelächter erntete.

Für Putin sind „russkij mir“ und „russkoe slovo“ (russisches Wort/ Sprache) fast identisch, was undeutlich bleibt. Alljährlich begeht Russland am 4. No­vember, als man 1612 die polnischen Besatzer aus Moskau hinauswarf, den „Tag der nationalen Einheit“ (Den‘ narodnogo edinstva), wozu Putin 2006 ausführte: „dieser Tag vereint nicht nur das multinationale Volk Russlands, sondern auch die Millionen unserer Volksge­nos­sen (sootečestvenniki) im Ausland, die ganze so genannte russkij mir“. Das mag verstehen, wer will – ein ethnokultureller Besitzanspruch ist wenigstens ansatzweise unüberhörbar. Hinzu kommt das zweite Adjektiv “rossijskij“, das etwas Klarheit bringen kann, da es sich, möglichst in der begrifflichen Kombination „rossijskaja civilizacija“, nur auf „geistige, immaterielle, kulturelle“ Sphären bezieht – beide mal in Klein- oder in Großschreibung fixiert -, während „russkij mir“ immer den ganzen Staats betrifft, also letztlich die „rossijskaja civilizacija“ einschließt. „Kavardak“ (Wirrwarr) nennen Russen so ein Durcheinander, von dem sie befürchten, das „russkij“ außerhalb Russlands abträgliche Assoziationen an „Russozentrimus als besondere Form von Nationalismus“ weckt (besonders wenn Putin mit diesen Begriffen „spielt“). Wortführer dieses Verdachts ist der bekannte Dissident Aleksej Naval’nyj, der meinte, „in Putins Russkij Mir wird man mit Gewalt getrieben“.

Es ist in der Tat nicht ungefährlich, von „russkij mir“ zu reden und dessen Geltungsbereich nach Belieben abzustecken. Die Russische Orthodoxe Kirche (RPK) möchte ihn „unpolitisch“ verwenden, aber dazu passen kaum die Befunde von Patriarch Kirill: „Russkij mir ist eine besondere Zivilisation, zu der Menschen gehören, die sich heute  verschieden benennen – Russen (russkie), Ukrainer (ukraincy) und Belorussen (belorusy)“. Das ist vielleicht ein Fortschritt gegenüber der jüngeren Vergangenheit, als die drei Volksgruppen als „Großrussen, Kleinrussen, Weißrussen“ firmierten. Aber ärgerlich bleibt eine solche Vereinnahmung doch, und Verstimmung ist bei dieser Wortwahl gar nicht zu vermei­den. Von daher ist es dem belorussischen Präsidenten Luka­ṧenko nicht zu verdenken, wenn er im Sommer 2020 wütete: „Russkij Mir ist eine Dummheit (glupost‘), die jemand der Propaganda untergeschoben hat“. Das war noch milde, gemessen an Äußerungen belorussischer oder ukrainischer Oppositioneller, die seit Ausbruch der Konflikte in der Ukraine (2014) hinter jeder russkij-mir-Aktion eine großrussische Aggression gegen die eigene „westliche Zivilisation“ wittern. Andererseits besagten an der Jahreswende 2016/17 Umfragen, dass „65 Prozent der Belorussen überzeugt seien, es sei besser mit Russland als mit Europa verbündet zu sein“. Das interpretierten selbst die „Macher“ der Umfragen als Reflex der ökonomischen Abhängigkeit von Russland.

Ähnlich und anders war die Einstellung der Ukraine: Noch 2011 befand deren Kulturminister Dmitrij Tabačnik, „russkij mir sei eine ganz natürliche Bezeichnung“ und es „widerspräche nicht der ukrainischen Souveränität, dazu gezählt zu werden“. Aber dann kamen die kriegerischen Verwicklungen in den „Volksrepubliken“ Doneck und Luhan sowie der Krim, wonach „russkij mir“ in der Ukraine aufgefasst wurde als „aufgeweichte Variante der alten Überzeugung russischer Reichs-Chauvinisten, im Himmel säße ein Russischer Gott“ (Russkij Bog). 

Was empfinden frühere Sowjetbürger, wenn sie die Konzeption von „russkij mir“ mit vergangener „Einigkeit“ im Zarenreich und in der Sowjetunion vergleichen? Sie werden von Moskau unsanft angestoßen, sobald Lettland, Ukraine u.a. in neuen Schulgesetzen das Gewicht der russischen Sprache stutzen, was Russland als “Derussifizierung“ übelnimmt. Beim Zerbrechen der Sowjetunion blieben „fünfundzwanzig Millionen ethnische Russen außerhalb der Grenzen des Kontinents“ (matrik), aber „die russische geistige Zivilisationslandschaft“ umfasst seit jeher 300 Millionen Menschen, und wenn „diese Umgebung heute zerstört ist, dass muss sie reanimiert werden, was nichts mit einem  „Erheben von Territorialansprüchen“ zu tun hat. Russland gehört zu den „gespaltenen Nationen“, was es nicht hinnehmen muss. Eine „Kon­föderation mit souveränen Staaten“ (Ukraine, Belasrus) sollte bis 2030 denkbar sein.

 

6. Rückblick und Ausblick

Russlands „Sieg“ im Zweiten Weltkrieg – ein SelbstbetrugNach mehrfacher, durch Quarantäne bedingter Verschiebung erlebte am 10. Oktober 2020 das Moskau­er „Theater der Nationen“ (Teatr Nacii) – vormals Russlands be­kann­testes Privattheater (*1885), seit 2006 eine weltberühmte Stätte für dramatische und szenische Originalität – die Premiere des Stücks „Gorba­čëv“ (Bild). Der Titelfigur, dargestellt von Evgenij Mironov, hat­te das Stück ausnehmend gut gefallen, besonders die Rolle von Gorbačëvs Ehefrau Raisa (1932-1999), gespielt von der schönen Tatarin Čulpan Chamatova (*1975). Durch sie wurde „Gorba­čëv“ zu einem „Schauspiel über die Liebe“, in welchem sich der Titelheld bemüht, seine bereits todkranke Ehefrau aufzumuntern. Dabei hätte er selber mitunter Zuspruch benötigt, etwa wenn wieder einmal ein Attentat auf ihn versucht worden war. So geschah es am 7. November 1990, als der Schlosser Aleksandr Šmonov auf dem Moskauer Roten Platz während der Revolutionsfeiern auf Gorbačëv, damals noch Staatspräsident und Parteichef, feuern wollte. Gor­bačëv vermutete dahinter einen Anschlag der „Spezialdienste“.     

Gegenwärtig kommt „Gorbi“ auf die Bühne. Verfasst und inszeniert hatte das Stück, eine Dokumentation aus Presse-, Buch- und anderen Texten, der Lette Alvis Hermanis (*1965), dem das (werbewirksame) „Glück“ widerfuhr, die Abneigung der neostalinistischen Sekte „Kommunisten Russlands“ (ge­gr. 2012) zu erregen. Deren Führer Maksim Surajkin (*1978) forderte vom russischen Kulturministerium das augenblickliche Verbot des Stücks. Es sei „ein Schlag gegen das historische Gedenken und eine Beleidigung aller Russen, die große Opfer vom Zerfall der UdSSR davongetragen und ihn nur mit Mühe überlebt hatten“. Suraj­kin hat bei den Präsidentschaftswahlen 2018 ganze 0,68 Prozent bekommen. Das waren 499.342 Stimmen, wenig im Vergleich zu Gorbačëv, wie ihn Hermanis sah und auf die Bühne stellte:

 „Wenn es im zwanzigsten Jahrhundert auch nur einen Menschen gibt, der das Leben Hunderter Millionen Leute so grundlegend beeinflusste, dann war es Gorbačëv. Gera­de er hat die Karte von ganz Eurasien neu gezeichnet, er fand den Schlüssel zu dem Kerker, in dem wir alle steckten, er wagte den Schritt hin zur Offenheit. Früher dach­te ich selber, die UdSSR werde unter dem Druck ökonomischer Ursachen einstürzen. Jetzt bin ich überzeugt, dass ein einzelner Mann das geschafft hat. Und das Ziel dieses Dramas ist zu verdeutlichen, welche Qualitäten diesen Mann prägten“.

Gorbačëv – seit Jahrzehnten sind Russen bei Umfragen uneinig, die letzte im November 2019, ob er nur der drittschlechteste russische Politiker sei oder gleich der übels­te, wie 41 oder gar 46 Prozent der Befragten meinten. Zur Auswahl standen noch Zar Nikolaj II., Nikita Chruṧčėv oder Boris El’cin, keinesfalls aber Stalin, der längst „kanonisiert“, zur „Ikone“ gemacht wurde, wie die Historikerin Natalija Naročnickaja (*1948) be­obachtete. Diese kluge Frau hat auch eine stimmige Erklärung für den neuerlichen Personenkult um Stalin: Wer Stalin nicht vergöttert, negiert auch den sowjetischen „Sieg“ im Zweiten Weltkrieg!

So etwas wäre außerhalb Russlands undenkbar, denn hier liebte man Gorbačëv, vor allem in Deutschland, dem er „die Wiedervereinigung bescherte“. Das traf zwar nicht zu, sprach aber für die Zuneigung, die Deutsche für den Russen „Gorbi“ hegten. So dachten auch Polen, traditionell scharfe Moskau-Feinde – bis Gorbačëv kam. Was dann geschah, zeigte ein Konzert mit dem begnadeten Entertainer Andrzej Rosiewicz (*1944), das noch im Internet zu genießen ist. Ein Saal, proppevoll mit polnischer und sowjetischer Polit-Prominenz, im Zentrum Gorbačëv mit Ehefrau Rai­sa (1932-1999), alle lauschen begeistert Rosiewiczs polnisch-russischem Lied „Wieje wiosna se wschodu“ (Der Frühling kommt aus dem Osten), wobei Raisa (Rosiewicz: „Die Frau ist eine Schönheit“) strahlt, wenn der russische Refrain erklingt: „Michail, das ist dein Lied, bringe deine Reformen zum guten Ende, du russischer Recke“.

Raisa Gorbačëva litt schon länger an Leukämie, gegen die auch beste deutsche Experten machtlos waren. Sie starb am 20. September 1999 in der Münsteraner Univer­sitätsklinik. Ihr Tod war gewiss der schwerste Schlag, den Gorba­čëv in der Spätpha­se seines Lebens hinnehmen musste, darunter am 26. April 1986 die Reaktorka­ta­stro­phe von Černobyl, am 19. August 1991 der Putsch durch ein „Staatskomitee für die Ausnahmesituation in der UdSSR“ (GKČP SSSR) etc. In einem Interview sagte Gorba­čëv 2009, er habe zwar „als Politiker verloren“, (ja proigral kak politik), aber unter seiner Führung habe „unser Volk“ zu positiven Veränderungen beigetragen, die in Europa und der Welt „unumkehrbar“ seien. Das ist so zutreffend, dass anders­lauten­de Äußerungen nichts als eine Selbstdekuvrierung derer sind, die derartige Dinge äußern. Gorbačëv, heißt es da, sei ein „Kreml-Judas“, der „das heilige Recht der Sieger“ verletzte, als er den „Irrsinn“ (bezumie) beging, die sowjetischen Besatzer aus der DDR abzuziehen. Der „2 + 4 Vertrag“, am 12. September 1990 in Moskau signiert, regelte alle Details, die längst unumgänglich waren. Doch wird Gorbačëv kritisiert, u.a. von Putin, er habe die NATO zu sehr geschont, viel zu wenig Geld gefordert, nur ein „Dankeschön“ erhalten – kurz: Er hat „Russen und Deutsche betrogen“. So befand Anfang Oktober 2020 das (erzreaktionäre) Blatt „Reportër“, während Gor­bačëv am 20. Oktober urteilte: Vor 30 Jahren hat  „Deutschland alle Verpflichtungen bei der Vereinigung erfüllt“ – die „Russen verstanden nach allem Unheil des Krieges die Sehnsüchte der Deutschen und kamen ihnen entgegen“. 

Autor: Wolf Oschlies

 

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