NS-Filmstar und Goebbels’ tschechische Geliebte
ICH MÖCHTE AUCH MAL FRÖHLICH SEIN – soll Werner Finck, Lieblingsärgernis von Propagandaminister Joseph Goebbels, von der Bühne herab bemerkt haben, was ihm einen großen Lacherfolg sicherte: Der Filmschauspieler Gustav Fröhlich (1902–1987) hatte nämlich kurz zuvor den Minister geohrfeigt, weil beide es auf die bildschöne Tschechin Lída Baarová abgesehen hatten. So wurde es allenthalben schadenfroh herumgetratscht, stimmte aber nicht. Einen Goebbels zu ohrfeigen, das hätte sich wohl niemand getraut, es wäre auch niemandem gut bekommen. Am wenigsten einem Filmschauspieler, denn Goebbels war auch „Filmminister“, also oberste Instanz des Filmgeschäfts und höchster Chef aller Schauspieler. Wie es wirklich war, verdeutlichte ein damals sehr populäres Bild, das Goebbels in entspannter Unterhaltung mit Fröhlich und Baarová zeigt.
Wie Ludmila Babková zu Lída Baarová wurde
Wie schildert man das Leben der Baarová, ohne in die abgegriffenen Topoi von „Höhen und Tiefen“, „Schicksalsschlägen“, „Tragik“ etc. zu verfallen? Als Ludmila Babková wurde sie am 7. September 1914 in Prag geboren, im Stadtteil Nusle, der bis heute noch die kuschelige Gemütlichkeit ausstrahlt, wie es damals mittelständisches Kleinbürgertum und gutsituierte Facharbeiterschaft verbreiteten. Die Familie fiel aus diesem Rahmen, denn ihr gehörte eine angesehene Firma. Vater Karel war zudem Beamter im Prager Magistrat, die Mutter war Chorsängerin. 1918 zog die Familie ins Prager Nobelviertel Letna um, 1924 kam Ludmila aufs Gymnasium und versuchte sich nebenbei in einer klassischen Ballettausbildung. 1926 bemühte sie sich um Aufnahme ins Prager Konservatorium, die ihr erst 1927 gelang. Dort wurde sie u. a. von Rudolf Deyl (1876–1972), dem Nestor der tschechischen Schauspielschule, ausgebildet.
Die Studenten des Konservatoriums durften keine Filmrollen annehmen – nur Komparserie war ihnen erlaubt. Das wusste natürlich auch Ludmila Babková, als sie sich 1931 um eine Rolle in dem Film „Die Karriere des Pavel Čamrda“ bewarb. Vorsichtshalber tat sie es unter dem Pseudonym Lída Baarová. Dafür hatte sie sich den Namen eines prominenten Freundes ihrer Familie ausgeliehen, Jindřich Šimon Baar (1869–1925), der katholischer Geistlicher war und Autor von viel gelesenen Romanen aus den tschechischem Dorfleben. Die junge Schauspielerin bekam die Rolle, der Film wurde ein Erfolg. Lída Baarová musste das Konservatorium verlassen, was ihr nichts ausmachte. Bereits 1932 war sie in einer Kriminalkomödie als Partnerin von Vlasta Burian (1891–1962) zu sehen, den alle Tschechen bis heute als „Král komiků“ (König der Komiker) verehren. Und so ging es weiter: Unter den besten Regisseuren und an der Seite populärster Schauspieler hat Lída Baarová von 1931 bis 1941 in 31 abendfüllenden Filmen Hauptrollen gespielt.
Lída Baarová war eine ausnehmende Schönheit, die Männer wahrhaft „verrückt“ machte. Einer ihrer ersten Liebhaber war der Regisseur und Schauspieler Karel Lamač (1897–1952), der in Deutschland als Förderer und Partner von Any Ondra, der späteren Ehefrau von Max Schmeling, bekannt wurde. Um Lída Baarová haben sich Stars von Bühne und Politik bemüht, zuerst Vlasta Burian, der sich scheiden lassen und sie heiraten wollte – was die Eltern von Lída Baarová noch mit einem „klärenden Gespräch“ verhindern konnten. 1934 lud die deutsche Filmgesellschaft UFA, in Prag mit einer eigenen „Filiale“ vertreten, sie zu Probeaufnahmen für den Film „Baccarole“ ein, die sie glänzend absolvierte. Für die Dreharbeiten war ein Umzug nach Berlin nötig, wohin sie mit ihrer Mutter ging – um intensiv deutsch zu lernen und diverse Kilo „abzuspecken“, wie es ihre neuen deutschen Chefs befahlen.
„Liduschka“ Baarová, Adolf Hitler und Joseph Goebbels
In „Baccarole“ spielte Lída Baarová erstmals mit Gustav Fröhlich zusammen, mit dem sie bald ein inniges Verhältnis verband. Fröhlich ließ sich scheiden und bezog mit der Baarová ein Haus auf der Halbinsel Schwanenwerder. Von Fröhlich erwartete sie ein Kind, verlor dieses aber durch eine Fehlgeburt oder eine Abtreibung (die „ohne ihr Wissen“ vorgenommen wurde, wie sie später sagte). Kinder konnte sie fortan nicht mehr bekommen, aber ihre Karriere ging steil aufwärts. Als bis dahin einzige Tschechin bekam sie 1937 von der US-Filmfirma das Angebot, in Hollywood zu arbeiten – was sie ablehnte und diese Ablehnung zeitlebens bedauerte.
Lída Baarová drehte Film um Film, wurde in der Öffentlichkeit als Star verehrt und genoss selbst bei den höchsten NS-Führern Wertschätzung. Hitler kam ins Atelier, um ihr bei der Arbeit zuzuschauen. Später lud er sie zweimal zum Tee ein und machte ihr höchst eindeutige Angebote: „Sie erinnern mich an ein Mädchen, das ich in jungen Jahren sehr geliebt habe“. Sie lehnte ab, was der „Führer“ ihr nicht übel nahm. Lída Baarová durfte weiterhin bei der alljährlichen Eröffnungssammlung für das „Winterhilfswerk“ die Sammelbüchse schwenken und sogar von Hitler einen Obolus einkassieren. Das galt unter dem NS-Regime als besondere Ehre, ganz speziell für die schöne Lída Baarová, von der jeder wusste (und im Tonfilm hören konnte), dass sie Tschechin war, die auch weiterhin in tschechischen Filmen auftrat. Es ist eine Vorstellung, die die Phantasie anregt – dass diese schöne Frau als Hitlers Mätresse die Weltgeschichte beeinflusst hätte: Der Zweite Weltkrieg begann im Grunde 1938, und er begann mit deutscher Aggressivität gegen die Tschechoslowakei (Münchner Abkommen 1938, „Protektorat Böhmen und Mähren“ 1939). Was wäre, wenn…? (Und wenn wir schon phantasieren: War dieses Aggressivität die Rache des von Lída Baarová abgewiesenen Hitlers? Eine Vorstellung, die einen schwindlig werden lässt.)
Warum wollte Lída Baarová nicht Hitlers Mätresse werden? Weil sie längst die Mätresse von Joseph Goebbels war! Die beiden waren sich bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin begegnet, hatten sich ineinander verliebt und waren häufig zusammen. Ihre tschechische Landsmännin und Kollegin, die Filmschauspielerin Adina Mandlová (1910–1991), hat in ihren späteren Erinnerungen erwähnt, dass Lída Baarová Goebbels aufrichtig liebte. Er sie auch, zudem war er „der einzige Mann, der sie sexuell befriedigen konnte“. Goebbels hatte zahllose Affären mit Frauen, seine Ehefrau Magda unterhielt ein Verhältnis mit Goebbels’ Staatssekretär Karl Hanke, aber dennoch sollten Joseph und Magda Goebbels als die „Musterehe“ des Reichs gelten. Ausgerechnet im entscheidenden Jahr 1938 – Anschluss Österreichs, Münchner Abkommen, „Reichskristallnacht“ etc. – drohte diese zu zerbrechen. Goebbels war bereit, für seine „Liduschka“ alles aufzugeben, als Botschafter nach Japan zu gehen – oder „als Krawattenverkäufer“. Stundenlang telefonierten beide, so lange, dass die Gestapo zusätzliche Leute einsetzen musste, da das Telefon der „feindlichen Ausländerin“ Baarová natürlich überwacht wurde. Magda Goebbels schlug Lída Baarová ein Dreiecksverhältnis vor, was diese aber ablehnte. Darauf beschwor Magda Goebbels Hitler mit theatralischen Szenen zum Eingreifen. Hitler hätte Goebbels wegen dessen Eskapaden am liebsten entlassen, konnte auf ihn in diesen bewegten Monaten jedoch nicht verzichten; also befahl er am 24. Oktober 1938 den zerstrittenen Eheleuten Goebbels die umgehende Versöhnung.
So geschah es. Hitler ließ umgehend einen Fotografen kommen, der das wieder gekittete Familienidyll festhielt. In Berlin nahm Goebbels in einem tränenreichen Endlostelefonat Abschied von Lída Baarová. Dieser wurde 1938 das Filmen verboten, 1939 verwies man sie aus Berlin, worauf sie in ihre Heimat zurückkehren wollte. Diese bestand nicht mehr in der alten Form, nachdem das grenznahe Sudetenland ans „Reich“ angegliedert worden war (September 1938), die Slowakei sich von Böhmen und Mähren abgespalten hatte und diese als deutsches „Protektorat“ jede Eigenständigkeit verloren (März 1939) hatte. Dorthin konnte selbst ein Filmstar wie Lída Baarová nur unter aufwendigen bürokratischen Prozeduren zurückkehren, die sie aber mit Hilfe ihres einflussreichen Vaters bewältigte. Ihr beträchtliches Vermögen hatte sie mitgebracht, und dieses erlaubte ihren Eltern, in dem Villenviertel Hanspaulka (Prag 6) ein Prachthaus zu bauen.
Filmen im „Protektorat Böhmen und Mähren“
Das „Protektorat Böhmen und Mähren“ war zwar ein deutsches Gebilde, besaß aber auf kulturellem Gebiet eine gewisse Autonomie, die erstaunliche Ergebnisse aufwies. Im April 2005 strahlte Radio Prag die zweiteilige Dokumentation „Alltagsleben im Protektorat“ von Martina Lustigová aus, in der der Historiker Petr Koura dazu sagte: „Obwohl das Protektorat eine ziemlich blutige und schwere Periode war, ging das Leben weiter. Die Leute lebten inmitten von Kultur, trieben auch Sport, es gab sportliche Wettbewerbe, Theatervorstellungen fanden statt, Filme wurden gedreht. Erinnern wir uns doch, dass manche Filme aus dem goldenen Bestand der tschechischen Kinomategraphie, etwa ‚Christian‘ oder ‚Der Stationsvorsteher‘, im Protektorat gedreht worden waren. Das können heutige Zuschauer kaum glauben, weil man es den Filmen überhaupt nicht anmerkt, in welch schwerer Zeit sie entstanden sind“.
Zwar waren die weltbekannten Prager Filmstudios Barrandov von Deutschen vereinnahmt worden, aber es bestanden noch weitere, in denen solche Filme gedreht wurden. Im August 2005 richtete das Prager Nationalmuseum eine Ausstellung zum tschechischen Film im Protektorat aus. Cheforganisator Libor Jůn erinnerte daran, wie man sich damals formal und inhaltlich um kulturelle Schadensbegrenzung bemühte: „Es entstanden viele Lustspiele, die eine Art Flucht aus der Kriegsrealität waren. Und es entstanden große Filme zu Themen aus der klassischen tschechischen Literatur und der Geschichte. Schließlich verhalf die Kriegssituation sogar dazu, das gewisse Experimentalfilme entstehen konnten, die unter den Bedingungen normaler kommerzieller Filmwirtschaft nie hätten gedreht werden können“.
Das alles war nicht zuletzt deshalb möglich, weil tschechische Filmstars ihre deutschen Beziehungen zum Schutz des tschechischen Film einsetzten – sagt heute der Historiker Petr Koura: „Wenn man den Protektoratsfilm erwähnt, dann denken viele Leute an berühmte Schauspielerinnen jener Zeit, vor allem Adina Mandlová und Lída Baarová. Diese Frauen waren ja schon vor dem Zweiten Weltkrieg in ganz Europa bekannt. Später hatte Lída Baarová ein Liebesverhältnis mit Joseph Goebbels und kam in der Protektoratszeit mit höchsten Machthabern zusammen. Ich glaube, dass sie durch solche Kontakte mit Nazi-Honoratioren viele Dinge günstig beeinflussen konnte. So haben es nicht wenige gehalten, die dann rasche Kehrtwendungen vollzogen – etwa der Regisseur Otakar Vávra, der bis zum letzten Moment eine Protektoratskomödie drehte, sozusagen Brot und Spiele für die Masse, um kurz danach noch 1945 Anti-Nazi-Filme zu drehen“.
Otakar Vávra (1911–2011) feierte im Februar 2006 seinen 95. Geburtstag, wobei zahlreiche Elogen auf ihn laut wurden. Seine Tätigkeit im Protektorat wurde nicht verschwiegen, aber als Hilfe für die Schauspieler interpretiert. Traf das zu? Lída Baarová begann wieder, Filme zu drehen, hauptsächlich unter der Regie von Vávra, mit dem sie noch 1941 den Film „Turbina“ aufnahm. Gleichzeitig war Vávra aber auch der Wortführer derer, die die Baarová als „Nazi“ verleumdeten und als „Goebbels-Geliebte“ verachteten. Das brachte die wahren „Nazis“, allen voran Staatsminister Karl Hermann Frank (1898–1946), in größte Verlegenheit: Lída Baarová war gewissermaßen ein Symbol, an welchem sich die antideutsche Stimmung der Tschechen entlud. Darum verbot Frank ihr 1941 jede weitere Filmtätigkeit. Die Schauspielerin wich nach Italien aus, wo sie 1942/43 einige erfolgreiche Filme drehte. Nach der Besetzung Roms ging sie 1943 zurück nach Prag, wo sie Frank mit ihrem Selbstmord drohte. Dieser fürchtete unliebsames internationales Aufsehen und hob das Drehverbot auf.
Lída Baarová blieb bis zum letzten Moment in den Filmstudios. Das Kriegsende erwartete sie in wachsender Panik, die sie mit Alkohol zu mildern versuchte. Mit ihrer strikt antideutschen Familie hatte sie sich überworfen und ihren Wohnsitz in das Hotel Esplanade verlegt. Der deutsche Schauspieler Hans Albers, ein guter Freund von Lída Baarová, hatte ihr angeboten, die erste Nachkriegszeit in seiner Villa am Starnberger See zu verbringen, und Ende April 1945 flüchtete sie zusammen mit einer deutschen Familie in ihrem stadtbekannten blauen PKW nach Bayern. Dort geriet sie umgehend in die Fänge des Geheimdienstes der US-Armee, der sie stundenlang verhörte und wochenlang im Gefängnis von Stadelheim und in einer Münchener Klinik für Geisteskranke festhielt. Am 23. September 1945 wurde sie von tschechoslowakischen Soldaten nach Prag gebracht und dort inhaftiert – zusammen mit Adina Mandlová. Die Haft sahen beide als „Glück“ an, denn in Freiheit wären sie von den aufgeputschten Menschen gelyncht worden. So hatte Vater Karel Babka Zeit, bei Justizminister Prokop Drtina für ihre Freilassung zu wirken, die zu Heiligabend 1946 auch erfolgte. Um diese Zeit war ihr früherer Regisseur Otakar Vávra längst wieder im Geschäft, nachdem er sich mit dem Film „Němá barikada“ (Die stumme Barrikade) noch 1945 in der Nachkriegs-Tschechoslowakei bestens eingeführt hatte.
Lída Baarová zwischen allen Welten
Lídas Baarovás größte Feindin war ausgerechnet ihre schöne Schwester Zorka, die unter dem Pseudonym Zorka Janů (1921–1946) ebenfalls als Schauspielerin reüssiert hatte. Zorka hatte Lída ihre „deutschen“ Kontakte stets vorgehalten – ohne zu ahnen oder zu wollen, dass sie selber deswegen in „Sippenhaft“ geriet. Als „Schwester von Lída Baarová“ durfte sie nicht mehr in Film und Theater auftreten und beging am 24. März 1946 Selbstmord. Ihre Mutter hatte bereits im Mai 1945 nach einem Verhör bei der Geheimpolizei einen Schlaganfall erlitten und war daran gestorben. Dem Vater musste Anfang 1946 ein Bein amputiert werden und noch aus ihrer Haft heraus hatte Lída Baarová die junge Kollegin Marcela Nepovimová bewogen, sich um den kranken Vater zu kümmern; das tat diese nicht nur – im November 1948 heiratete sie den alten Herrn sogar und kümmerte sich um ihn bis zu seinem Tod 1965.
Lída Baarová hatte weniger als befürchtet auszustehen. Im Herbst 1946 begann ein Prozess gegen sie, bei dem die Zeugen durchweg zu ihren Gunsten aussagten und ein ehemaliger Gestapo-Angehöriger, aus der Haft vor Gericht geladen, offenbarte, dass sie von den Protektoratsbehörden auf einer „Liste politisch feindlicher Elemente“ geführt worden war. Unter diesen Umständen durfte sie das Prozessende in Freiheit abwarten, was jedoch nicht nötig war, da das Verfahren Anfang 1948 eingestellt wurde.
Als Lída Baarová zu Weihnachten 1946 aus der Haft entlassen worden war, erwartete sie ein Schock: Ihr gesamtes Vermögen war konfisziert worden, desgleichen die ihr gehörende Hälfte des Hauses in Hanspaulka (die andere Hälfte hatte sie rechtzeitig ihren Eltern überschrieben). Im Gefängnis hatte sie oft ein gewisser Jan Kopecký besucht, den sie im Juli 1947 heiratete. Kopecký stammte aus einer berühmten Puppenspieler-Familie und die Jungverheirateten versuchten, mit Puppenspiel in allen Landesteilen wieder wirtschaftlich in die Höhe zu kommen – die Behörden untersagten Lída Baarová diese Tätigkeit.
Im Februar 1948 übernahmen die Kommunisten mit einem Putsch die Macht in der Tschechoslowakei. Kurz darauf warnte ein anonymer Telefonanruf sie vor ihrer bevorstehenden Verhaftung. Lída Baarová verbarg sich einige Zeit bei Freunden und flüchtete mit ihrem Mann über Bratislava nach Österreich. Von dort wollten beide nach Argentinien reisen, weil für dieses Land die benötigten Papiere am leichtesten zu bekommen waren. Kurz vor der Abreise erkrankte sie, ließ sich in der Klinik des Arztes Kurt Lundwall behandeln, während Kopecký allein nach Argentinien ging. Nach ihrer Gesundung folgte Lída Baarová ihm, konnte am Land aber keinen Gefallen finden. Sie kehrte nach Europa zurück, ihr Mann kam später nach, ihre Ehe wurde geschieden. Lída Baarová reiste nach Rom, wo man sie noch aus Kriegszeiten in guter Erinnerung hatte. Es folgten einige Filme unter berühmten Regisseuren wie Robert Rosselini, Vittorio de Sica und Federico Fellini.
1956 beendete Lída Baarová ihre Filmlaufbahn und spielte fortan Theater im gesamten deutschen Sprachraum. Vom Ausland her kümmerte sie sich um ihren kranken Vater, der aus seinem Prager Haus ausgewiesen und ins Grenzgebiet umgesiedelt worden war. So oft sie konnte, traf sie sich mit ihrem ehemaligen Arzt Kurt Lundwall, und als dessen Frau starb, heirateten die beiden 1969. Die Ehe dauerte nur drei Jahre, da Lundwall 1972 verstarb. Ab seinem Todestag hört Lída Baarová auf, ihre Haare zu färben und lebte als weißhaarige alte Dame im Salzburger Haus ihres verstorbenen Mannes. Mit Hilfe des tschechischen Schriftstellers Josef Škvorecký verfasste sie 1983 das Buch „Útěky“ (Fluchten) und 1991 ihre Erinnerungen „Život sladké hořkosti“ (Ein Leben süßer Bitternis). Nach der „samtenen Revolution“ hat sie mehrfach Prag besucht, sich mit alten Freunden und Kollegen getroffen und Marcela Babková aufgesucht, die zweite Frau ihres Vaters. Einsam war sie und verbittert, was sie erneut zum Alkohol trieb. In ihren letzten Jahren interessierten sich TV-Dokumentaristen für sie, die von ihr authentische Auskünfte über Hitler, Goebbels etc. haben wollten. Am 27. Oktober 2000 verstarb sie in Salzburg und wurde im Prager Familiengrab beigesetzt.
Autor: Wolf Oschlies
Literatur
Becker, Wolfgang: Film und Herrschaft. Organisationsprinzipien und Organisationsstrukturen der nationalsozialistischen Filmpropaganda (Zur politischen Ökonomie des NS-Films). Berlin 1973.
Benz, Wolfgang / Graml, Hermann / Weiß, Hermann (Hrsg.): Enzyklopädie des Nationalsozialismus. München 1997.
Kettermann, Richard / Schmidt, Uwe (Hrsg.): Lida Baarova. Die süße Bitterkeit meines Lebens. Koblenz 2000.
Moeller, Felix: Der Filmminister. Goebbels und der Film im Dritten Reich. Berlin 1998.
Quanz, Constanze: Der Film als Propagandainstrument Joseph Goebbels’. Köln 2000.
Witte, Karsten: Lachende Erben, Toller Tag. Filmkomödie im Dritten Reich. Berlin 1995.