Generalgouverneur in Polen
Hans Frank wurde am 23. Mai 1900 in Karlsruhe als Sohn eines Rechtsanwalts geboren. Nach seinem Abitur 1918 wurde er zur Infanterie eingezogen, kam jedoch nicht mehr an die Front. In den Jahren 1919 und 1920 gehörte Frank dem „Freikorps Epp“ an, das maßgeblich an der Niederschlagung der Münchner Räterepublik beteiligt war. Im selben Jahr trat er der völkisch-nationalistischen „Thule-Gesellschaft“ bei, wo er Anton Drexler, den Vorsitzenden der Deutschen Arbeiterpartei kennen lernte, der Frank kurz darauf beitrat. Von 1919 bis 1923 studierte Frank Rechts- und Wirtschaftswissenschaften in München, Kiel und Wien und promovierte 1924 zum Dr. jur.. Im September 1923 trat er in die SA, im Oktober des Jahres in die NSDAP ein. Am 9. November 1923 nahm Frank am Marsch auf die Feldherrnhalle in München teil und floh im Anschluss an den misslungenen Putschversuch für einige Monate nach Österreich. 1927 erhielt Frank eine Assistentenstelle am juristischen Seminar der Technischen Hochschule München, eröffnete zugleich seine Anwaltskanzlei in München und übernahm die Verteidigung angeklagter, mittelloser NSDAP-Mitglieder. Innerhalb kurzer Zeit avancierte er zum Spitzenjuristen der Partei und trat bis 1933 in über 2.400 Verfahren als Rechtsvertreter in NS-Angelegenheiten vor Gericht, darunter allein rund 150 Prozesse gegen Hitler persönlich.
Frank bekleidete innerhalb der NSDAP eine Vielzahl von Ämtern. 1928 gründete er den „Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen“ (ab 1936 NS-Rechtswahrerbund) und wurde zugleich dessen Vorsitzender. Im Anschluss an den Reichswehrprozess erhielt Frank den Auftrag, die Rechtsabteilung für die NSDAP-Reichsleitung aufzubauen und zu leiten. Im selben Jahr zog er für die Partei als Abgeordneter in den Reichstag ein und wurde 1933 im Jahr der nationalsozialistischen Machtergreifung zum Bayerischen Justizminister ernannt. In seine Amtszeit fiel 1934 die Mordaktion Hitlers, der Ernst Röhm und zahlreiche SA-Mitglieder beim sogenannten „Röhm-Putsch“ zum Opfer fielen. Nach eigener Aussage gelang es Frank, durch persönliche Intervention die Zahl der Todeskandidaten zu reduzieren. Weiter habe er sich in dieser Zeit vergeblich darum bemüht, die Planungen zum Bau des Konzentrationslagers Dachau bei München zu stoppen. Im gleichen Jahr wurde Frank zum „Reichskommissar für die Gleichschaltung der Justiz in den Ländern und für die Erneuerung der Rechtsordnung“ ernannt, wobei er in dieser Funktion de facto keinen erheblichen Einfluss auf den Erneuerungsprozess der Rechtsordnung ausübte. Ebenfalls 1933 wurde auf Franks Initiative die „Akademie für Deutsches Recht“ gegründet, die den Aufbau einer nationalsozialistischen Rechtswissenschaft zum Ziel hatte und deren Präsident er von 1934 bis 1942 war. 1935 berief Hitler ihn zum Reichsminister ohne Geschäftsbereich, wodurch Frank faktisch kaum weiteren Einfluss erhielt.
Im Oktober 1939 wurde Frank zum Generalgouverneur und damit zum alleinigen Verwaltungschef der besetzten ehemals polnischen Gebiete mit Amtssitz in Krakau ernannt. In dieser Position, in der er offiziell ausschließlich Hitler unterstellt war, sah sich Frank im Laufe der Zeit wachsender Einflussnahme seitens der SS, Parteikanzlei und anderer Reichsbehörden ausgesetzt. Frank bemühte sich in seiner Funktion als Generalgouverneur, die Verwaltungsautonomie und seine Kompetenzbereiche gegenüber dem Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei Heinrich Himmler und anderen abzugrenzen und zu sichern. Im Dezember 1939 verhängte er eine Arbeitspflicht für die polnische Bevölkerung, um die vom Deutschen Reich geforderte Anzahl an Land- und Industriearbeitern bereitzustellen. Durch die sogenannte „Gewalttatenverordnung“ wurde bereits im Oktober 1939 von Frank der Grundstein zur Legalisierung noch folgender Polizeiaktionen im Generalgouvernement (GG) gelegt. Im Mai 1940 ordnete Frank die Liquidierung der polnischen Intelligenz und des Widerstandes an. Im selben Monat errichtete er den „Sonderdienst“ als eine Art Ersatzpolizei auf Kreisebene, der ein Gegengewicht zu der durch Himmler gesteuerten Polizei darstellen sollte. Neben verwaltungspolizeilichen Aufgaben führte der Sonderdienst Wach- und Ordnungsdienste durch und war in diesem Zusammenhang auch an der Deportation von Juden beteiligt.
Frank trat während seiner Amtszeit zwar nachdrücklich gegen willkürliche, wirtschaftliche Ausbeutung des Landes ein, sprach sich aber für eine „geordnete“ und „legale“ Unterdrückungs- und Ausbeutungspolitik aus und bekannte sich in zahlreichen Reden vorbehaltlos zur Judenverfolgung und -ausrottung. Die „totale Bereinigung“ des GG von Juden durch die Zusammenführung in Konzentrationslagern, die Räumung der jüdischen Ghettos und die Errichtung und Führung der Konzentrationslager oblag allerdings nicht der Zivilverwaltung, sondern unterstand unmittelbar Himmler.
Im Sommer 1942 fiel Frank zwischenzeitlich in Ungnade, nachdem er sich in öffentlichen Reden verstärkt für die Wahrung rechtsstaatlicher Prinzipien im Sinne einer nationalsozialistischen Ideologie aussprach. Hitler verlangte von Frank die Niederlegung aller Parteiämter bis auf das Reichsministeramt und verhängte über ihn ein Redeverbot, ausgenommen in seiner Funktion als Generalgouverneur. Franks Position wurde durch die von Hitler tolerierten „Kompetenzmehrgleisigkeiten“ im GG immer weiter unterminiert, so dass die politische Realität letzten Endes im krassen Gegensatz zu den ursprünglich eingeräumten Machtbefugnissen des Generalgouverneurs stand. Bereits Ende 1943 jedoch konnte sich Frank wieder gestärkt gegen seine Konkurrenten Himmler und Friedrich-Wilhelm Krüger, den Höheren SS und Polizeiführer im besetzten Polen, durchsetzen. Bis 1944 wurde das GG von der durch das Reich geforderten Abgabenquote und der Aufrechterhaltung und Bereitstellung kriegswirtschaftlicher Anforderungen bei maximaler personeller und wirtschaftlicher Ausbeutung des Landes bestimmt. Während SS und Polizei mit Unterstützung und unter den Augen Franks systematisch durch Terror, Deportation und Mord das deutsche Okkupationsgebiet beherrschten. Bedingt durch die Kriegsereignisse kam es ab 1944 im GG zu keiner geregelten Verwaltungstätigkeit mehr.
Am 17. Januar 1945 floh Frank vor der Roten Armee aus Krakau. Bei seiner Verhaftung am 4. Mai 1945 in Neuhaus (Bayern) durch die US-Armee übergab er freiwillig seine Diensttagebücher und lieferte versteckte, von den Nazis geraubte polnische Kunstwerke aus. Frank wurde zunächst ins Stadtgefängnis Miesbach, dann ins Kriegsgefangenenlager Berchtesgaden, später nach Bad Mohndorf nahe Luxemburg und schließlich in das Gefängnis des Nürnberger Justiz-Palastes überstellt. Hier musste er sich ab dem 18. Oktober 1945 als einer der Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantworten. Frank bekannte sich im Laufe des Verfahrens für schuldig. Das Urteil gegen ihn erging am 1. Oktober 1946 und sprach ihn schuldig, „ein williger und wissender Mitwirkender (gewesen zu sein), sowohl bei der Anwendung von Terror in Polen, bei der wirtschaftlichen Ausbeutung Polens, in einer Weise, die zum Hungertod einer großen Anzahl Menschen führte, bei der Deportation von mehr als einer Million Polen als Sklavenarbeiter nach Deutschland, und einem Programm, das den Mord von mindestens drei Millionen Juden zur Folge hatte.“ Kurz vor seiner Hinrichtung schrieb Frank seine Memoiren, die unter dem Titel „Im Angesicht des Galgens“ veröffentlicht wurden. Frank wurde am 16. Oktober 1946 in Nürnberg durch den Strang hingerichtet.
Autorin: Petra Winheller
Literatur
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Benz, Wigbert / Bernd Bredemeyer / Klaus Fieberg: Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg. Beiträge, Materialien Dokumente. CD-Rom, Braunschweig 2004.
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Frank, Niklas: Der Vater. Eine Abrechnung, München 1993.
Friedman, Tuviah; Institute of Documentation in Israel. For the Investigation of Nazi War Crimes : Dr. Hans Frank. Generalgouverneur in Polen als Nazi-Herrscher 1939-1945, Haifa 1998.
Gutman, Israel / Eberhard Jäckel / Peter Longerich (Hrsg.), Enzyklopädie des Holocaust. Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden. (1998).
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Schudnagies, Christian: „Hans Frank. Aufstieg und Fall des NS-Juristen und Generalgouverneurs“, Frankfurt/Main; Bern; New York; Paris 1989 (Rechtshistorische Reihe, Band 67).