Angela Vaupel: Frauen im NS-Film. Unter besonderer Berücksichtigung des Spielfilms, Hamburg 2005.
„Frauen-Emanzipation“ sei „ein nur vom jüdischen Intellekt erfundenes Wort“, verkündete Adolf Hitler auf dem Reichsparteitag 1934 in Nürnberg, gerade ein gutes Jahr nach der Machtübernahme. Nicht in öffentlicher und politischer Tätigkeit liege die Aufgabe der Frau – „ihre Welt ist ihr Mann, ihre Familie, ihre Kinder, ihr Haus.“
Vor diesem Hintergrund bieten die während der NS-Zeit produzierten Spielfilme – insgesamt waren es weit über 1000 – Überraschendes: Obwohl unter strikter Kontrolle des Propagandaministeriums produziert, werden hier anscheinend gegen jede NS-Ideologie vor allem moderne, selbstbewusste Frauen präsentiert. Da finden sich alleinerziehende Frauen, die sich von ihren Männern getrennt haben ebenso wie Frauen, die wirtschaftlich unabhängig ihren Berufen nachgehen. Und dies sogar in klassisch männlichen Betätigungsfeldern wie als Ärztinnen, Bergsteigerinnen und Fliegerinnen. Im Film „Schwarzer Jäger Johanna“ (1934), der während der Napoleonischen Befreiungskriege spielt, wird eine Frau sogar zu einer militärischen Heldenfigur. Auch äußerlich entsprechen die Filmfrauen nur selten dem Ideal der arischen Mutter, die man mit Mutterkreuz inmitten ihrer Kinder vermuten würde. Starke Frauengestalten sind häufig dunkelhaarig oder wirken „exotisch“ wie etwa Zarah Leander, Marika Rökk, Olga Tschechowa oder Lída Baarová. In ihrer Kleidung drücken sie ebenfalls ihren emanzipatorischen Anspruch aus: Hosenanzüge und männliche Berufskleidung, Schminke und Zigaretten, in der offiziellen NS-Frauenpropaganda verpönt, sind im Film regelmäßig bei Frauen zu sehen.
Stand der Film also im Widerspruch zur offiziellen NS-Propaganda, als der er doch ein Teil war? Wurde unter dem sich selbst als betont modern verstehenden Filmminister Goebbels ein Frauenbild propagiert, das wenig mit der Blut- und Boden-Ideologie der völkischen Ideologien zu tun hatte?
Die Filmforschung hat sich bisher kaum mit dem Bild der Frauen im Film des Dritten Reiches beschäftigt. Studien wie die von Angela Vaupel sind daher immer noch Pionierarbeiten auf einem bisher wenig bearbeiteten Feld.
Vaupel nähert sich dem Thema klar gegliedert in vier Abschnitten. Die ersten beiden behandeln in einem die Filmpolitik und Filmsteuerung während des Dritten Reiches und die Stellung der Frau im Nationalsozialismus generell. Im dritten Abschnitt befasst sie sich mit der „Darstellung und Rolle der Frau im nationalsozialistischen Film“. Dabei werden sowohl die Frauen als Schauspielerinnen wie auch die Erwartungshaltung insbesondere der weiblichen Zuschauer beschrieben. Immerhin machten in den Kriegszeiten Frauen einen erheblichen, wahrscheinlich sogar überwiegenden Teil des Kinopublikums aus. In einem weiteren Kapitel werden insgesamt 12 Spiel- und drei Dokumentarfilme auf ihre jeweils propagierten Frauenbilder hin untersucht.
Zu Recht geht Vaupel bei ihren Analysen davon aus, dass auch Unterhaltungsfilme im Dritten Reich keineswegs nur der unpolitischen Ablenkung von den Lasten der Diktatur und Krieg dienten, sondern im Sinne einer von Goebbels favorisierten verdeckten Propaganda nationalsozialistische Ideologie verbreiten wollten.
Unter dieser Perspektive erweisen sich auch die selbstbewussten Leinwandfrauen als propagandistisch wohl kalkuliert: Als Identifikationsfiguren, ohne die eine effiziente Filmpropaganda gar nicht denkbar ist, waren sie für die Zuschauerinnen mit eigenem Anspruch auf Selbstbestimmung besser geeignet als völkische Mustermaiden mit Zopffrisur.
Tatsächlich erweist sich die Modernität und Selbstständigkeit der Filmfrauen bei genauer Analyse aber als nur scheinbar. In den meisten Filmen ist die Autonomie der Frauen häufig durch das Schicksal erst verursacht und alles andere als freiwillig. Bei entsprechender Gelegenheit sind sie denn auch bereit, Karriere und Beruf aufzugeben, und sich ihren von der NS-Ideologie zugewiesenen Bestimmungen als Mütter und Hausfrauen zuzuwenden. Frauen stehen – häufig als Handlungsfazit dieser Filme – dann an der Seite ihres Mannes und folgen ihm bedingungslos. Die Frau soll dabei ebenso sehr Kameradin und Freund des Mannes sein. Dies war für die NS-Führung besonders während des Krieges wichtig. Die Männer an der Front mussten sich auf ihre Frauen verlassen können: Diese sollten nun unabhängig von ihren Männern den Haushalt bewirtschaften, auch Berufen in der Kriegsindustrie nachgehen, aber in jedem Fall treu zu ihren Männern an der Front halten. Vor allem seit 1939 war daher eine gewisse Eigenständigkeit der Frauen gewünscht und wurde entsprechend in den Filmen propagiert. Aber es blieb eine beschränkte Autonomie, immer eingeordnet in das Bild leitender Männlichkeit.
Als negative Folie und Warnung zugleich zeigen NS-Filme dagegen die Folgen, wenn Frauen ihre Selbstständigkeit nicht im NS-Sinne nutzen. Im Film „La Habanera“ (1937) mit Zarah Leander heiratet die Protagonistin – eine Schwedin – in Puerto Rico gegen alle Warnungen den Südamerikaner „Don Pedro“, in den sie sich spontan verliebt. Die Ehe mit Don Pedro, der mit seinem Äußeren und seiner Abstammung („kreolisch“ heißt es im Film) subtile rassistische Vorurteile bedient, wird für die Schwedin zur Katastrophe. Sie verliert jede Form der Freiheit, lebt eingesperrt und wird unterdrückt. Erst nachdem ihr tyrannischer Mann stirbt, kann sie das Land verlassen. Aber nicht etwa in die Eigenständigkeit, sondern in die Obhut eines neuen Mannes, eines schwedischen Arztes, dem sie sich als Frau, nun aber aus freien Stücken, bedingungslos unterordnet. Die kaum verhüllte Botschaft des Films, formuliert Vaupel: „Sie muss unter ihrer Ehe leiden, weil sie aus Instinktlosigkeit den rassisch falschen Mann geheiratet hat.“
Die Autonomie der nationalsozialistischen Frau besteht also letztlich darin, sich – aus eigenem Willen – dem zu unterwerfen, was der NS-Staat von ihr fordert. Das ist freilich nicht spezifisch für die Frauenpolitik, sondern gilt generell für die NS-Propaganda. Die „Volksgenossen“ sollen sich nicht einfach der Gewalt als Untertanen unterordnen, sondern als gläubige Anhänger der nationalsozialistischen Weltanschauung von sich aus im Sinne des Regimes handeln.
Natürlich gibt auch Angela Vaupel kein umfassendes, oder gar abschließendes Bild von der Frau im NS-Film. Dazu ist schon die empirische Basis von gerade 15 Filmbeispielen zu gering. Aber sie gibt wichtige Impulse für ein noch weitgehend unbearbeitetes Forschungsfeld. Künftige Arbeiten werden das Frauenbild sicher noch genauer differenzieren, auch Generationenunterschiede zwischen den Frauen untersuchen und sich mit den verschiedenen Rollenmustern detaillierter befassen müssen. Auch wäre es wichtig zu fragen, ob in Filmen, die sich vorwiegend an ein weibliches Publikum wandten, andere Frauenideale propagiert wurden als in „Männerfilmen“ wie den zahlreichen Militärstreifen, die während der NS-Zeit produziert wurden. Schließlich könnte auch ein Vergleich mit dem Weimarer Film deutlicher differenzieren, was den filmischen Frauengestalten jeweils spezifisch nationalsozialistisch, und was allgemein dem „Zeitgeist“ bereits der 30er Jahre entsprach.
Angela Vaupel hat eine lesenswerte Studie zum Thema vorgelegt. Dass sie zugleich neugierig auf weitere Nachforschungen macht, ist ein zusätzlicher Verdienst dieser Arbeit.
Autor: Bernd Kleinhans
Angela Vaupel: Frauen im NS-Film. Unter besonderer Berücksichtigung des Spielfilms, Hamburg 2005. Verlag Dr. Kovač, Hamburg 2005, 220 Seiten, € 48,00. ISBN 3-8300-1729-9