Zwei Prominentenkinder im Kampf gegen den Faschismus
Jugendjahre
Erika Julia Hedwig Mann wurde, als ältestes von sechs Kindern der Eheleute Thomas und Katia Mann, am 9. November 1905 in München geboren. Nur ein Jahr später, am 18. November 1906, erblickte ebenda Klaus Heinrich Thomas das Licht der Welt. Die beiden Kinder wurden bereits früh mit Kunst und Kultur konfrontiert. Im Hause Mann verkehrten Berühmtheiten wie Bruno Walter, Hugo von Hofmannsthal und Andere. Über allem stand natürlich der Vater. So verwundert es nicht, dass vor allem Sohn Klaus versuchte, ihm nachzueifern. Der vierzehnjährige Klaus hatte in sein Tagebuch notiert, dass er berühmt werden wolle und müsse. Das Theaterstück „Der arme Seemann“ ist das früheste aller erhaltenen Manuskripte, welches um 1918 entstanden ist. Klaus verschlang geradezu die Literatur und die Liste seiner Vorbilder ist lang. Nebenbei gründeten er und Erika den „Laienbund deutscher Mimiker“. Mit einigen Freunden führten sie des Öfteren Theaterstücke auf. Beide Geschwister waren aber nicht unproblematisch und stellten die Mutter Katia, die für die Erziehung allein zuständig war, vor große Aufgaben. Privatunterricht, Töchterschule und andere Institutionen zeitigten nicht den gewünschten erzieherischen Erfolg. Beide erwiesen sich regelmäßig als „Gefahr für die Anstalt“ und schließlich blieb nur die Reformpädagogik. Klaus besuchte für kurze Zeit die Odenwaldschule Paul Geheebs, der sein großes Talent erkannte und zu fördern versuchte.
Klaus versuchte sich in nahezu allen Gattungen, er schrieb Novellen, Erzählungen, Theaterstücke und Romane. Sein Erstling war hier das Buch „Der fromme Tanz“. Mit diesem Roman outete er sich als homosexuell. Das Privatleben der beiden Mannkinder gestaltete sich äußerst turbulent. Klaus war mit der Schauspielerin Pamela Wedekind verlobt, in die Erika sehr verliebt war. Hinzu stieß der junge Gustaf Gründgens. Zwischen den vier jungen Menschen entstand ein enges Verhältnis. Beruflich und privat gingen sie eine Zeit lang gemeinsame Wege. 1926 heirateten Erika Mann und Gustaf Gründgens. Erika und Klaus gingen nach Ende der Beziehungen gemeinsam auf Weltreise. Was sie dort erlebten, schilderten sie in dem Buch „Rundherum“. Die aus dieser Reise resultierenden Schulden beglich der Vater übrigens mit Geldern aus seinem 1929 ihm zuerkannten Nobelpreis. Erika machte sich als talentierte Schauspielerin einen Namen und war auch sonst in vielerlei Hinsicht aktiv. Sie schrieb Kinderbücher, fuhr Autorennen und gründete schließlich das Kabarett Die Pfeffermühle. Zum Ensemble gehörte u. a. Therese Giehse. Klaus lieferte einige Texte, bis die so genannte Machtergreifung der Nationalsozialisten auch die beiden Geschwister in das Exil zwang. Beide waren erklärte Gegner des Regimes und kämpften fortan aus dem Ausland gegen den Faschismus in Deutschland. Das Leben der Prominentenkinder sollte einen anderen, unerwarteten Verlauf nehmen.
Exil und Kampf gegen den Nationalsozialismus
Gemeinsame Jahre
Am 1. Januar 1933 gründete Erika Mann gemeinsam mit ihrem Bruder Klaus, mit dem Musiker Magnus Henning und Therese Giehse das „literarische Cabarett“ Die Pfeffermühle. Gedacht war es jedoch als ein politisches Kabarett aus Protest gegen den Nationalsozialismus. Basis war ein Erlebnis Erikas vom 13. Januar 1932, das sie politisch werden ließ. An diesem Tag nahm sie in München an einer Versammlung teil, zu der unter anderem die „Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit“ geladen hatte. Einige SA-Leute störten die Veranstaltung, konnten aber nicht wirklich Unruhe erzeugen, was Erika Mann allerdings, die sich bedroht gesehen hatte und den Vorgang dramatisierte, anders darstellte. Drei Tage später berichtete der Völkische Beobachter von dieser Versammlung. Unter Verleumdungen und Drohungen war auch Folgendes zu lesen: „[…] Das Kapitel „Familie Mann“ erweitert sich nachgerade zu einem Münchener Skandal, der auch zu gegebener Zeit seine Liquidierung finden muß.“1 Andere Zeitungen schrieben noch drastischer, was Erika Mann zu einer Klage veranlasste. Es folgte eine regelrechte Kampagne gegen die Geschwister Mann, nachdem sich Bruder Klaus in die Streitigkeiten eingeschaltet hatte. Diese und weitere Umstände mündeten schließlich in der Gründung der Pfeffermühle und der offenen Opposition gegen das Naziregime. Am 1. Januar 1933 öffnete Die Pfeffermühle in München und hatte gleich großen Erfolg. Doch nur wenige Wochen später wurde der Spielbetrieb eingestellt. Am 12. März 1933 wurde das Hakenkreuz zur Pflichtbeflaggung.
Für die Geschwister gab es kein Bleiben mehr und am folgenden Tag verließen sie Deutschland. In der Schweiz fand Erika Mann bei den Eltern in Arosa Unterschlupf. In Zürich kam es zur Wiedereröffnung der Pfeffermühle. Es folgten mehrere Tourneen und Gastspiele in Europa. Zwischen Erika Mann und dem Vater Thomas Mann kam es schließlich zum Zerwürfnis, weil dieser sich nicht öffentlich vom Nationalsozialismus distanzierte. Dieses geschah erst 1936. In diesem Jahr ging sie mit dem Bruder in die USA, wo beide einen Neuanfang unternahmen. Die Pfeffermühle gab dort noch einige Vorstellungen, doch 1937 wurden diese mangels Erfolg eingestellt. Die Amerikaner waren nicht das Publikum für diese Form des Kabaretts. Erika Mann ging auf Vortragsreisen, um das amerikanische Volk über die Vorgänge in Deutschland aufzuklären. Ihr erster Auftritt war im März 1937 im Madison Square Garden von New York anlässlich der „Peace and Democracy Rally“, der ersten Massenkundgebung in den USA gegen Hitlerdeutschland. Zusätzlich verfasste sie ihr erstes Buch mit dem Titel „School for Barbarians“, welches erst 1986 erstmals in Deutschland unter dem Titel „Zehn Millionen Kinder, Die Erziehung der Jugend im Dritten Reich“ erschien. Mit diesem Werk gelang ihr in den USA ein großes Maß an Aufklärung über die Zustände in Deutschland. In dieser Zeit hielten Erika und Klaus zahlreiche Vorträge in Amerika. Entweder gemeinsam oder allein. Dabei sprachen sie sowohl über politische, wie auch literarische Themen. Ihre Erfahrungen des Exils schlugen sich in zwei gemeinsamen Büchern nieder. „The Other Germany“ und vor allem „Escape to Life“, quasi ein Who is Who des Exils, geben Zeugnis vom Exil.
Klaus Manns literarische Verarbeitung des Dritten Reiches
Klaus Mann gehört zu den produktivsten Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. Obwohl nur 42 Jahre alt geworden umfasst seine literarische Hinterlassenschaft eine gewaltige Fülle an Romanen, Erzählungen, Kritiken, Schriften und Reden sowie auch ein dramatisches Werk. Seine politischen Texte können hier nur kurz angesprochen werden.
Das bekannteste Buch ist zweifelsfrei der Roman „Mephisto – Roman einer Karriere“. Hier schildert Klaus Mann den Aufstieg des Schauspielers Hendrik Höfgen von seinen Anfängen bis zum Jahr 1936, dem Höhepunkt der Karriere im Dritten Reich. Seine Hauptfigur trägt offensichtliche Züge des ehemaligen Schwagers und Freund Gustaf Gründgens. Dieser Umstand führte dazu, dass dessen Erben das Buch im Nachkriegsdeutschland verbieten ließen.
Eines der anerkannt besten Bücher ist sein Roman „Der Vulkan – Roman unter Emigranten“, in dem Klaus Mann fiktive Emigrantenschicksale beschreibt. Handlungsorte sind vor allem die großen Emigrantenzentren wie Amsterdam, Prag und Paris. Der Leser erfährt bedrückende Einzelheiten über den Alltag der Exilanten, auch über Depression, Drogensucht und Freitod. Der Suizid war in der Tat sehr oft der letzte Ausweg der Emigranten und die Liste der prominenten Opfer ist lang.
Gemeinsam mit seiner Schwester Erika verfasst Klaus Mann das Buch „Escape to Life – Deutsche Kultur im Exil“, ein Porträt des Exils und seiner Vertreter.
Zwischen 1938 und 1946 nimmt er in vielen Schriften Stellung zur politischen Lage und verfasst Aufsätze mit Gedanken und Konzepten für ein befreites Deutschland. (Bsp.: Notizen zur Umerziehung der Deutschen, 1944; Unsere Aufgabe in Deutschland, 1945 uvm.)
Klaus Mann dient in der US Army
Klaus Mann meldete sich am 24. April 1942 freiwillig zum Dienst in der US Army. Erst bei der dritten ärztlichen Untersuchung wurde seine Diensttauglichkeit festgestellt. Die Hauptgründe für seine Zurückweisung lagen in der Überwachung seiner Person durch das FBI. Er galt als den Kommunisten nahe stehend und als „sexuell pervers“. Schließlich aber wurde Klaus Mann in die USA eingebürgert und in die Armee aufgenommen. Seine Erfahrungen als Außenseiter in der Armee verarbeitet er 1943 in der Erzählung „The Monk“ (deutsch: Der Mönch). Auch andere Prominente dienten in der US Army, wie Curt Riess, Stefan Heym und Erika Mann. Nachdem Klaus Mann einige Monate in verschiedenen Camps der Army „auf dem Abstellgleis“ verbringen musste, erhielt er schließlich den Marschbefehl und landete am 2. Januar 1944 in Casablanca. Von dort aus sollte er am Feldzug gegen die deutschen Truppen in Nordafrika und Italien teilnehmen. Dies tat Klaus Mann in einer speziellen Einheit für psychologische Kriegsführung und verfasste Flugblätter und Reden, die in den Grabenlautsprechern verlesen wurden. Eines der bekanntesten Flugblätter hat den Text: „Für Hitler sterben – oder für die Heimat leben?“ Die schlechte Stimmung unter den Soldaten der Wehrmacht wurde ausgenutzt, um zur Desertion aufzurufen. Während seines Italienaufenthaltes schrieb der den Aufsatz „Notizen zur Umerziehung der Deutschen“.2 Intention für diese Schrift war eine Erziehung des deutschen Volkes hin zur Demokratie. Diverse Prinzipien hatte er mittlerweile relativiert. Der überzeugte Pazifist war nun Soldat geworden und er, der nie mit einem „Braunhemd“ ein Wort wechseln wollte, musste sich nun auch verbal mit Offizieren der SS auseinander setzen. Höhepunkt war hier seine Teilnahme an einer Pressekonferenz, in welcher Hermann Göring als Gefangener der Öffentlichkeit vorgeführt wurde. Diese verarbeitete er in dem Artikel „Göring wirbt um Mitgefühl“.3 Den letzten Teil seines Militärdienstes verbrachte Klaus Mann zunächst in Rom als Korrespondent für die Tageszeitung der US Army „The Stars and Stripes“ und schrieb hauptsächlich über den Kriegsverlauf in Deutschland. Am 5. Mai 1945 sandte ihn die Zeitung als Sonderberichterstatter nach Deutschland. Er besuchte das zerstörte Elternhaus in München und fuhr zum KZ Dachau. Seine Eindrücke schilderte er in dem Text „Unsere Aufgabe in Deutschland“. Dort heißt es: „Die Deutschen zeigen nicht die Spur einer Empfindung von Verantwortung, geschweige denn ein Gefühl von Schuld. Sie begreifen nicht, daß ihre gegenwärtige Misere das unmittelbare, unvermeidliche Ergebnis dessen ist, was das deutsche Volk als Ganzes in den letzten fünf Jahren der Welt angetan hat.“4 In zahlreichen Artikeln analysierte Klaus Mann den Zustand seiner früheren Heimat und zeichnete ein düsteres Bild. Die Quintessenz aller Eindrücke und Erfahrungen seines Deutschlandbesuches im Frühsommer 1945 fasst ein Titel seiner vielen Schriften dieses Zeitraums zusammen: „Es gibt keine Heimkehr!“.5 Am 28. September 1945 wurde Klaus Mann „in Ehren“ aus der US Army entlassen.
Erika Mann kämpft an vorderster Front
Der Kampf Erikas in Europa begann von London aus. Für die BBC machte sie Rundfunksendungen nach Deutschland und versuchte die Hörer von der Sinnlosigkeit des Krieges zu überzeugen. An die Amerikaner richtete sie Appelle für einen Kriegseintritt. Auch privat wurde sie mit der Sinnlosigkeit des Krieges konfrontiert. Das Schiff, welches auch ihre Schwester Monika Mann und deren Ehemann nach Kanada bringen sollte, wurde von einem deutschen U-Boot versenkt. Die Schwester konnte knapp gerettet werden, der Schwager aber kam ums Leben. Von den 92 Kindern an Bord des Schiffes konnten nur 19 gerettet werden. Ihnen setzte sie mit dem Kinderbuch „A Gang of Ten“ ein kleines Denkmal. Hier wird deutlich, dass Erika an allen Fronten kämpfte. Ab 1943 tat sie dies als Kriegsberichterstatterin für diverse Zeitungen und erhielt den Status eines Offiziers ohne Befehlsgewalt in der US Army. Am 6. Juni 1944 begleitete sie die Landung der alliierten Truppen in der Normandie. Sie traf den ehemaligen tschechischen Staatspräsidenten Beneš und war als einzige Frau bei den Prozessen von Nürnberg anwesend als Beobachterin. Dabei gelang es ihr, zu den Hauptangeklagten vorzudringen. Auch die Ehefrau von Rudolf Heß konnte sie sprechen. Mit dem Ende der Naziherrschaft ging auch ein weiterer Lebensabschnitt zu Ende. Aber Erika hatte, im Gegensatz zu ihrem Bruder, bereits neue Aufgaben.
Die Zeit nach dem Krieg
Klaus Mann sollte nach dem Krieg nie mehr seine literarische Produktivität erreichen. Er korrigierte seine Werke und übersetzte seine zweite Autobiografie „The Turning Point“ ins Deutsche. „Der Wendepunkt“ kann als eines seiner besten Werke angesehen werden. Ausgebrannt und beherrscht von Drogensucht und Todessehnsucht setzte er seinem Leben am 21. Mai 1949 in Cannes ein Ende.
Erika Mann, die bereits seit den dreißiger Jahren dem Vater zur Seite stand, kümmerte sich um das Andenken und den Nachlass des Bruders und widmete sich ganz dem Vater. Nach dessen Tod verwaltete sie auch den Nachlass Thomas Manns und schrieb das Buch „Das letzte Jahr“. Sie gab eine dreibändige Ausgabe der Briefe ihres Vaters heraus und war auch an den Verfilmungen der Thomas Mann Bücher beteiligt. So ist sie beispielsweise in der Verfilmung des „Felix Krull“, mit Horst Buchholz in der Titelrolle, zu sehen. Am 27. August 1969 starb sie nach schwerer Krankheit in Zürich.
Autor: André Krajewski
Literatur
Schaenzler, Nicole: Klaus Mann. Eine Biographie, Berlin, Aufbau Verlag 2001
Naumann, Uwe: Klaus Mann (rororo Monographie), Reinbek bei Hamburg 1984
ders. [Hrsg.]: „Ruhe gibt es nicht bis zum Schluß“ (Klaus Mann 1906 – 1949), Bilder und Dokumente, Reinbek bei Hamburg 2001
Weiss, Andrea: Flucht ins Leben. Die Erika und Klaus Mann-Story, Reinbek bei Hamburg 2000
von der Lühe, Irmela: Erika Mann. Eine Biographie, Frankfurt/Main; New York, Campus Verlag 1994
Keiser-Hayne, Helga: Erika Mann und ihr politisches Kabarett „Die Pfeffermühle“ 1933-1937. Texte, Bilder, Hintergründe, Reinbek bei Hamburg 1995
Spangenberg, Eberhard: Karriere eines Romans. Mephisto, Klaus Mann und Gustaf Gründgens. Ein dokumentarischer Bericht aus Deutschland und dem Exil 1925 – 1981, München 1982
Werke von Klaus Mann (Auswahl)
Mephisto. Roman einer Karriere. Amsterdam, Querido Verlag 1936
Der Vulkan. Roman unter Emigranten, Amsterdam, Querido Verlag 1939
Escape to Life. Deutsche Kultur im Exil, hrsg. und mit einem Nachwort von Heribert Hoven, München 1991 (gemeinsam mit Erika Mann)
The Other Germany. Translation by Heinz Norden, New York 1940 (gemeinsam mit Erika Mann)
The Turning Point, New York 1942 deutsch: Der Wendepunkt. Ein Lebensbericht, Frankfurt/Main 1976
Tagebücher 1931-1949. 6 Bände, hrsg. von Joachim Heimannsberg, Peter Laemmle und Wilfried F. Schoeller, München 1989
Werke von Erika Mann (Auswahl)
Zehn Millionen Kinder. Die Erziehung der Jugend im Dritten Reich. Mit einem Geleitwort von Thomas Mann, München 1986
Das letzte Jahr. Bericht über meinen Vater, Frankfurt/Main 1956
A Gang of Ten, New York 1942
Anmerkungen
1 in: Völkischer Beobachter, Ausgabe vom 16. Januar 1932, Seite 1
2 in: Mann, Klaus: Auf verlorenem Posten. Aufsätze, Kritiken, Reden 1942-1949 , hrsg. von Uwe Naumann und Michael Töteberg, Reinbek bei Hamburg 1994, Seite 138
3 siehe Anmerkung 2, Seite 221
4 siehe Anmerkung 2., Seite 217
5 siehe Anmerkung 2, Seite 224