Die ersten Denkmäler zur Erinnerung an die Verbrechen des NS-Regimes entstanden oft bereits in den eben befreiten Lagern oder auf dortigen Ehrengräbern, errichtet durch die alliierten Armeen, ausländische Regierungen und durch überlebende ehemalige Häftlinge. Die beschrifteten Stelen und Gedenksteine dienten der Erinnerung an die Morde und die Toten, dem Totengedenken, als Appelle an die Überlebenden zum Kampf gegen den Nazismus und zur Mahnung an die Nachgeborenen, niemals zu vergessen. Ungezählte Biografien, Spiel- und Dokumentarfilme, Reden, Artikel, Fachbücher, Romane und Gedenktage erinnern seitdem weltweit an die NS-Verbrechen. Zahlreichen ermordeten Männern und Frauen, Geschwistern, Eltern, Kindern und Freunden, Widerstandskämpfern und -kämpferinnen wurden literarische, fotografische oder steinerne Denkmäler gesetzt.
Urheberschaft, Funktion und Gestaltung dieser Denkmäler haben sich in Deutschland im Laufe der Jahrzehnte stark gewandelt. Dem ersten Andenken an die Toten durch die Überlebenden folgt heute zumeist das Nachdenken über die Zusammenhänge von gesellschaftlichem Selbstverständnis, Politik, Massen- und Völkermord.
Denkmäler für die NS-Opfer in Deutschland – In der Deutschen Demokratischen Republik
In der DDR gehörten Literatur, Filme, Mahnmale, Gedenktafeln, Straßennamen, Feiern für aktive, vor allem kommunistische Antifaschisten und Namenspatronate für Kultureinrichtungen durch überlebende oder Angehörige ermordeter Widerstandskämpfer von Anfang an zur offiziellen Gedenkkultur. Wie in zahlreichen anderen europäischen Ländern war der 8. Mai auch in der DDR offizieller Gedenktag für die Befreiung vom Faschismus. Ehrenfriedhöfe und Denkmäler für die Gefallenen der Roten Armee waren in das offizielle Gedenken integriert. Durch Kranzniederlegungen an Mahn- und Denkmalen für Widerstandskämpfer und die ehemaligen Kriegsgegner Deutschlands grenzte sich die Regierungspolitik nicht nur von der NS-Vergangenheit, sondern auch von der Bundesrepublik Deutschland ab. Reden und Inschriften priesen Existenz und Politik der DDR als verwirklichte Lehre aus der Vergangenheit.
Daneben gab es seit etwa den 1960er Jahren auch Erinnerungen an die im Gegensatz zu den „Kämpfern“ als „Opfer des Faschismus“ verstandenen Verfolgten und Ermordeten. Außer zahlreicher Fach- und biografischer Literatur zeigten Verfilmungen – zum Beispiel 1961 „Professor Mamlock“, 1972 „Die Bilder des Zeugen Schattmann“– zwar ebenfalls Lebenswege zu politischer Erkenntnis und Widerstand, erinnerten aber unmißverständlich auch an Kriegsverbrechen und die Ermordung von 6 Millionen Juden, an Trauer und Schmerz. 1966 erschien das reich bebilderte Buch „Kennzeichen J“ über die rassistische NS-Politik, das Arnold Zweig in seinem Geleitwort ein „Mahnmal“ nannte. Synagogen und jüdische Friedhöfe erhielten zunehmend den Status von Denkmälern. Das zentrale Mahnmal der DDR, 1957-1960 in der „Neuen Wache“ in Berlins Prachtallee Unter den Linden an zentralem Ort errichtet und nach letzten Umbauten 1969 fertiggestellt, erinnerte an alle „Opfer des Faschismus“, als „Opfer des Militarismus“ auch an die gefallenen deutschen Soldaten. Skulpturen mit Zügen gequälter Menschen, abstrakte Andeutungen von Stacheldraht oder Blumen zeichneten diese Denkmäler aus.
Denkmäler für die NS-Opfer in Deutschland – In der Bundesrepublik Deutschland
In der Bundesrepublik Deutschland gab es keine zentralen Weisungen zum Umgang mit der deutschen Vergangenheit und keine zentral zuständige Institution oder Organisation. Auseinandersetzungen um die Errichtung von Denkmälern belegen die quer durch alle Parteien widerstreitenden Meinungen, ob überhaupt, an wen, weshalb und an welchem Ort Erinnerung stattfinden sollte. Zwar bestanden etwa prominente verfolgte Sozialdemokraten wie Herrmann Brill oder Kurt Schumacher, Angehörige des militärischen Widerstandskreises des „20. Juli“, der Münchener Studentengruppe „Weiße Rose“ oder auch Günter Weisenborn durch seine 1953 veröffentlichte Sammlung „Der lautlose Aufstand“ ebenfalls auf der Anerkennung deutschen Widerstands gegen den Nationalsozialismus, erreichten allerdings erst ab den 1970er Jahren eine breiter werdende öffentliche Zustimmung. Initiativen von Überlebenden oder Angehörigen zur Errichtung eines Denkmals oder der Umbenennung von Straßen und Schulen fanden zunächst nur wenig Unterstützung. In den meisten Fällen einigte man sich auf Denk- und Mahnmale, die angesichts der ungeheuren Dimensionen der Massenmorde einfach eine fassungslose Trauer zum Ausdruck brachten. Oft pauschale Inschriften wie „Den Verfolgten von 1933 – 1945“ oder „Den Opfern“ meinten dabei gleichermaßen jüdische wie nicht-jüdische Einwohner als auch politische Gegner des NS-Regimes. Sinnsprüche richteten sich allgemein gegen die Verletzung der Menschenwürde oder baten in christlicher Terminologie um Vergebung. Bei den Einweihungsfeiern fügten die Festredner außerdem häufig einen Hinweis auf „eigene“ Opfer – auf gefallene Soldaten, Bombenkriegsopfer, Tote bei Flucht und Vertreibung sowie auf Opfer „kommunistischen Terrors“ und die noch in der Sowjetunion inhaftierten deutschen Kriegsgefangenen – an. Die Erinnerungsformen waren insgesamt eher Ausdruck pauschaler Trauer. Die Inschrift eines im September 1953 am Rathaus von Berlin-Reinickendorf eingeweihten Figurenensembles etwa war so allgemein gegen gewalttätige Weltanschauungen gerichtet, dass hier seit 1988 eine Zusatztafel nötig schien, um die Widmung des Denkmals für die in der NS-Zeit verfolgten, deportierten und ermordeten Mitbürger zu verdeutlichen. Ein anderes Beispiel ist die Umgestaltung des Obelisken für die ermordeten sowjetischen Kriegsgefangenen in Stukenbrock (Nordrhein-Westfalen), der in den 1950er Jahren ein russisch-orthodoxes Kreuz an Stelle des ursprünglichen Roten Sterns erhielt und eine in den 1960er Jahren angebrachte Tafel hier fortan in verschleiernden Worten an „sowjetische Kriegstote“ erinnerte, die „fern ihrer Heimat starben“. Auch den 1952 eingeführten „Volkstrauertag“ verstanden die meisten Deutschen in der Bundesrepublik Deutschland in erster Linie als Gedenktag für die Opfer beider Weltkriege – der gefallenen deutschen Soldaten – obwohl er offiziell die „Opfer von Gewaltherrschaft“ einschließt.
Das Datum des Kriegsendes in Deutschland, den 8. Mai 1945, verstand man in der Bundesrepublik zumeist nicht als Befreiung, sondern als Niederlage und alliierte Kriegsgräber standen daher außerhalb der Gedenkkultur. Erst zum 40. Jahrestag des Kriegsendes, 1985, erfolgte hier ein Bruch, indem Richard von Weizsäcker mit der ganzen Würde seiner Person und seines Amtes als Bundespräsident den „8. Mai“ eindeutig den „Tag der Befreiung“ von der NS-Diktatur nannte.
Ebenfalls seit den 1980er Jahren mehrten sich Gedenktafeln und Denkmalssetzungen. Dank der enormen öffentlichen Wirkung des 1979 in der Bundesrepublik ausgestrahlten US-amerikanischen Vierteilers „Holocaust“ wurden von Geschichtsinteressierten nun fast flächendeckend Spuren jüdischen Lebens in Deutschland dokumentiert. Offizielle Ehrungen seitens der Politik für einzelne Personen, für zerstörte jüdische Einrichtungen und Synagogen oder ein mahnendes Gedenken an Vernichtungslager schlossen sich zahlreich und mit abnehmendem Widerstand der Bevölkerung an. Eine erhebliche Anzahl Schulen nennt sich mittlerweile nach „Anne Frank“ oder „Sophie Scholl“. Die sich durch die Benennung bestimmter Opfergruppen differenzierende Wahrnehmung sorgte bald für weitergehende Unterscheidungen und rückte auch andere, nun ausdrücklich genannte Verfolgte und Ermordete – „Euthanasie„-Opfer, Homosexuelle, Sinti und Roma – wieder ins Bewußtsein der Öffentlichkeit. In das Gedenken mischte sich zugleich die Notwendigkeit, über die bisher Verschwiegenen aufzuklären. Textinschriften mit Informationscharakter, anklagende Formulierungen gegen das bisherige Verdrängen oder eine Skizzierung eines nicht mehr vorhandenen Ortes verbanden nun die Trauer um die Getöteten mit Forderungen um Anerkenntnis der Schuld und dem Wunsch nach Toleranz in der Gegenwart.
Nach 1990
Mit dem Ende Kalten Krieges entspannte sich auch das Gedenken. Fast jede Gruppe Verfolgter und Ermordeter, seit 2002 auch Wehrmachtsdeserteure, die von NS-Gerichten verurteilt worden waren, ist heute als Opfer von NS-Terror und Willkür staatlich und gesellschaftlich anerkannt. Die Tatsache der vorsätzlichen Ermordung sowjetischer Kriegsgefangenen durch das NS-Regime ist allgemein unbestritten. Tagungen, Ausstellungen und Filme ehren Menschen, die sich aus unterschiedlichsten Beweggründen gegen die Vereinnahmung durch den Nationalsozialismus und damit auf die Seite der Verfolgten stellten. Etliche Informationstafeln und Denkmäler für zerstörte jüdische Einrichtungen sind seit 1990 neu aufgestellt worden, Straßennamen und Denkmäler für kommunistische Widerstandskämpfer, die gleichzeitig den „Sieg des Sozialismus“ in der DDR repräsentierten, wurden hingegen teilweise entfernt oder umgestaltet.
Zur Erinnerung an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945, ist der „27. Januar“ seit 1996 offizieller deutscher Gedenktag an nationalsozialistischen Rassenwahn und Völkermord. Deutschland erkennt diesen Verbrechen damit den makabren Vorrang vor jedem anderen Verbrechen der Nazis zu. Seit 2005 ist der 27. Januar auch in der UNO zentraler Erinnerungstag.
Zugleich erweiterten sich die Formen des Gedenkens. 1993 im Bayrischen Viertel in Berlin angebrachte Zitate aus NS-Verordnungen gegen Juden konfrontieren den Spaziergänger mit der seit 1933 vor aller Augen stattfindenden schrittweisen Ausgrenzung der jüdischen Mitbürger. Über 1000 seit 1997 in vielen Städten vor Wohnhäusern in Bürgersteige eingelassene „Stolpersteine“ mit Adresse, Namen und Lebensdaten ermordeter jüdischer Nachbarn oder Namensschilder an Hauswänden regen zum Nachdenken an. Diese unvermittelt im Stadtbild auftauchenden Hinweise gedenken damit nicht nur des Völkermords in fernen Lagern, sondern erinnern vor allem an das einstige Leben der Ermordeten in der Mitte der Gesellschaft.
Zwei herausragende Bauten bilden eine Abkehr von dieser Entwicklung des spezifischen und kritisch informierenden Gedenkens. Das frühere „Mahnmal für die Opfer des Faschismus und Militarismus“ der DDR mit seiner herausragenden Lage Unter den Linden in Berlin ist keine Mahnstätte gegen den Nationalsozialismus mehr. Die an seiner Stelle 1993 eröffnete „Zentrale Gedenkstätte für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“ Deutschlands ist eine mit christlicher Symbolik ausgestattete Trauerhalle für verschiedenste Tote seit dem Ersten Weltkrieg und knüpft damit an das pauschale Gedenken der 1950er Jahre in der Bundesrepublik Deutschland an. Und das im Mai 2006 ebenfalls in Berlin eingeweihte „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ ist an sich so nichtssagend, dass Stiftung und Bundesregierung einen zusätzlichen „Ort der Information“ beschlossen.
Zahlreiche Ausstellungen, Gedenkstätten, Literatur, Filme und Denkmäler bezeugen heute bundesweit nicht nur die stattgefundenen Verbrechen, sie zeugen auch vom Umgang beider deutscher Staaten und Gesellschaften mit der NS-Vergangenheit. An Täter und Opfer, Unbeugsame und Widerstandskämpfer angemessen zu erinnern, bleibt Teil der historischen Verantwortung Deutschlands in der Gegenwart und für die Zukunft.
Autorin: Bettina B. Altendorf M.A.
Literatur
Reichel, Peter: Politik mit der Erinnerung – Gedächtnisorte im Streit um die nationalsozialistische Vergangenheit. Frankfurt/M. 1999 (mit umfangreichem Literaturverzeichnis)
Zorn, Monika (Hg.): Hitlers zweimal getötete Opfer. Westdeutsche Endlösung des Antifaschismus auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Freiburg 1994 (eine extrem polemische, dennoch informative Dokumentation)
Weblinks
Denkmäler und Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus (Auf dem Gebiet der alten Bundesrepublik Deutschland: http://www.bpb.de/files/HI68BD.zip; Auf dem Gebiet der ehemaligen DDR: http://www.bpb.de/files/0V84HG.zip . Herausgegeben von der Bundeszentrale für politische Bildung. Bonn 1996
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:swb:14-993471154921-23995
„Gedenkstätten, Mahnmale und Ehrenfriedhöfe für die Verfolgten des Nationalsozialismus“, Dissertation von Peter Fibich, über die in Deutschland zwischen 1945 und 1960 entstandenen Denkmalanlagen für NS-Verfolgte unter dem Aspekt ihrer landschaftsarchitektonischen Gestaltung.
„Deutschland – ein Denkmal – ein Forschungsauftrag“, Projekt des Karl Ernst Osthaus–Museums, Hagen, nach einem Konzept von Sigrid Sigurdsson und unter Kuratel von Dr. Michael Fehr.