Der Erfinder des Dokudramas Heinrich Breloer präsentierte auf der Berlinale seine neue Fernsehproduktion „Brecht“ und zeigt damit, dass zum Großmeister des deutschen Theaters längst noch nicht alles gesagt ist.
Der bereits mehrfach ausgezeichnete Breloer, unter anderem bekannt für „Die Manns – Ein Jahrhundertroman“ und „Speer und Er“, widmete sich diesmal Brecht mit einer Mischung aus Spiel- und Dokumentarfilm. Er gibt einen neuen Einblick in das Leben des deutschen Dichters. „Die dunkle Seite des Mondes“ wolle er zeigen, so Breloer, den leidenden Brecht, den man so noch nie gesehen habe. Man habe bis jetzt immer nur Brechts inszenierte Vorderseite im Kopf, so Breloer weiter, den harten Mann mit der Lederjacke. Dies will der Filmemacher ändern und zeigt Brecht als Menschen mit all seinen Facetten.
In seinem Dokudrama teilt er Brechts Leben in zwei Teilen. Beginnend in der Weimarer-Republik erzählt er von dem jungen Burschen, der auf dem Gymnasium mit seinen politischen Aufsätzen konfrontierte. Es folgt die Geschichte des jungen Dichters / Genius, dessen Frühwerk „Baal“ bereits Brechts späteres Konzept des Epischen Theaters vorausahnen lässt. Weiter geht es mit dem großen Theatererfolg „Die Dreigroschenoper“, bis hin zum Jahr 1933 und der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Es folgt Brechts erstes Exil in Prag. Arrogant und selbstbewusst begegnen wir ihm, dem Charmeur und Liebhaber der Frauen. Gierig auf Erfolg geht es mit ihm weiter. Der zweite Teil spielt in Nachkriegsdeutschland und zeigt anschaulich die gespaltenen Meinungen über Brecht in dieser Zeit, sowie seine eigene Einstellung zur DDR. Von Mutter Courage bis zum kaukasischen Kreidekreis.
Breloer beleuchtet Brecht mit einer Tiefe, die man so noch nie im Film gesehen hat. Brechts Frauengeschichten begleiten ihn durch sein ganzes Leben hindurch. Seine Vorliebe für junge Schauspielerinnen ist hinreichend bekannt. Wie ein roter Faden ziehen sich die Frauen Brechts durch das Dokudrama. Breloer zeigt hier neben Spielfilmszenen auch Interviews mit realen Personen (zum Teil bereits vor 40 Jahren aufgenommen). So beispielsweise mit Brechts erster Geliebten, Paula Banholzer, die jahrelang mit dem Dichter zusammengewohnt hat. Auch die Regisseure Egon Monk und Manfred Wekwerth, sowie die Schauspielerin Regine Lutz kommen zu Wort. Er stellte jedoch nicht nur Fragen über die Liebe, das Leben, das Theater und die Politik. Breloer scheint jedes Detail wichtig. Wie sprach Brecht, wie hat er Menschen begrüßt, trug er ein Gebiss? All dies soll laut Breloer eine Nähe zu Brecht vermitteln, die so nie dagewesen ist.
Bertolt Brechts Desillusionierung des Theaters, seine Gegenüberstellung des Schauspiels und des wahren Lebens, findet sich auch in Breloers Werk wieder. Genauso „offen“ wie Brecht seine Werke schrieb, zeigt sich auch das Dokudrama. „So, wie Brecht die Schauspieler an die Rampe treten lässt, um über ihre Rollen zu sprechen, und damit die Illusion bricht, so gibt es diese Distanzierung auch, wenn ich das Spiel mit der Dokumentation breche“, so Breloer über seinen Film. Gekonnt inszeniert er den Übergang vom jungen zum alten Brecht, großartig dargestellt von Tom Schilling und Burghart Klaußner. Ebenso eindrucksvoll werden die Beziehungen Brechts dargestellt. Besonders Adele Neuhauser glänzt als Brechts Ehefrau und Schauspielerin Helene Weigel. Das Dokudrama wirkt hier sehr intim und doch auch kritisch. Gerade dies scheint von Regisseur Breloer jedoch eindeutig gewollt.
Brechts Selbstinszenierung wird in Breloers Werk genauso auseinandergenommen, wie der Blick, den andere auf ihn hatten. Es wird anschaulich erörtert, wieviel Wahrheit wirklich in Brechts Worten steckt und ein intimes Bild des Dichters geschaffen, das Brecht selbst wohl eher nicht gefallen hätte. Breloer lässt die interviewten Zeitzeugen die Kamera vergessen und die Erzählungen so stark und authentisch wirken. Er produziert eine Art „Doppelbelichtung“ mit seiner Montage aus lebendigen Erinnerungen und Spielfilm. Breloer will damit zwei ineinander verflochtene Ebenen erschaffen, die als reine Dokumentation nie möglich gewesen seien. So entstand ein Werk, aus dem sich jeder selbst einen Eindruck von Brecht verschaffen soll. Breloer selbst sagt über seinen Film: „Ich glaube, dass wir alle verschiedene Bilder von Brecht mit uns herumtragen.“ Schauspieler Tom Schilling schließt sich dem an und erzählt, dass er bis heute Brecht als Mensch nicht wirklich verstanden habe.
Mit Breloers spannender Mischung aus Dokumentation und Fiktion ist die Manifestation seines Brecht Bildes in jedem Fall gelungen. Wer den Zweiteiler auf der Berlinale verpasst hat, kann ihn am 22. März auf Arte und am 27. März im Ersten begutachten.
Brecht
Regie: Heinrich Breloer
Deutschland / Österreich 2018, Deutsch
187 Min · Farbe
Berlinale – Sektion Berlinale Special