Hitlers letzter Schlag gegen die Alliierten in Luxemburg
Der Zweite Weltkrieg hatte sich bis zum Sommer 1944 eindeutig zuungunsten des Deutschen Reichs entwickelt, doch an der Westfront herrschte für den Augenblick operative Ruhe. Nach dem Durchbruch der Alliierten in der Normandie im Juni 1944 und den Kämpfen im Juli 1944 stockte der Vormarsch im August 1944, weil der Nachschub nicht Schritt halten konnte.
Offensive und Illusion: Der strategische Hintergrund

Verlauf der Ardennenoffensive vom 16. bis zum 25. Dezember 1944. User:Bomzibar, Ardennenoffensive (deutsch), CC BY-SA 3.0.
Die Alliierten nutzten zwar den strategisch wichtigen Hafen von Cherbourg, doch Antwerpen blieb bis Herbst 1944 unzugänglich. Im September 1944 drangen alliierte Verbände – allen voran amerikanische Truppen – bereits bis zur deutschen Grenze vor, mussten dort aber innehalten. In diesem Herbst 1944 wuchs in Berlin der Glaube, man könne mit einer deutschen Offensive an der Westfront die Initiative zurückgewinnen. Adolf Hitler, überzeugt von seiner Rolle als Feldherr, sprach von Hitlers letzter Chance für einen Umschwung im Krieg im Westen. Er plante eine Grossoffensive mit drei deutsche[n] Armeen: der 6. SS-Panzerarmee, der 5. Panzerarmee und der 7. Armee. Generalfeldmarschall Walter Model, Oberbefehlshaber der Heeresgruppe B, unterstellte diese Verbände wiederum dem erfahrenen Gerd von Rundstedt, während Hasso von Manteuffel das gepanzerte Zentrum führte. Viele Offiziere warnten, die Reserven der Wehrmacht reichten kaum aus; doch Hitler setzte auf die Erinnerung an den fulminanten Vorstoß durch die Ardennen im Mai 1940, der den Krieg im Westen damals fast im Alleingang entschieden hatte. Schon Anfang Dezember 1944 lagen schriftliche Direktiven vor; der Angriff sollte – so Hitlers Vorstellung – spätestens Mitte Dezember 1944 beginnen und war in den Stäben für Februar 1945 geplant, falls eine Verzögerung eintreten würde.
Die Ardennenoffensive nimmt Gestalt an
Mitte Dezember wurden an der dünn besetzten Frontlinie zwischen Monschau und Echternach heimlich Verbände konzentriert. Drei deutsche Divisionen simulierten Routinebewegungen, um den Aufmarsch zu verschleiern; tatsächlich aber rollten schwere Panzer an die Eifelbahn. „Wacht am Rhein“ lautete der Tarnname für die Ardennen-Offensive vom 16. Dezember 1944. Die Planer hofften, dass die winterliche Witterung den Alliierten die Luftüberlegenheit nahm; ohne Bomber könne eine deutsche Offensive im Westen vielleicht gelingen. Hitler verlangte ausdrücklich, Antwerpen zum Ziel aller Panzerkeile zu machen, weil dort der alliierte Nachschub floss. Die Operation sollte mit einem schnellen Vorstoß bis zur Maas beginnen; anschließend, so hieß es, müsse man in weniger als einer Woche an der Schelde stehen. Weiter nördlich wollte die Heeresgruppe einen gleichzeitigen deutsche[n] Angriff bei Monschau lenken, um alliierte Kräfte zu binden. Am Abend vor dem Angriff erließ Adolf Hitler einen Befehl, der die Truppe an die Pflicht erinnerte, „mit der Härte des deutschen Soldaten“ vorzugehen. Später stufte der Historiker Antony Beevor diesen Moment als „entscheidenden Augenblick eines selbstzerstörerischen Starrsinns“ ein. Der Plan verließ sich auf strategisch wichtige Treibstoffdepots, die man unterwegs erbeuten wollte – eine riskante Annahme.
Beginn der Offensive und ihr erster Vorstoß
Beginn der Offensive war der 16. Dezember 1944 um 5.30 Uhr. Nebel hing im Tal der Our, was die alliierten Beobachter täuschte. Deutsche Truppen des I. SS-Panzerkorps überquerten die belgisch-luxemburgische Grenze bei Losheim und stießen gegen die dünn besetzten Stellungen amerikanischer Infanteriedivisionen vor. Binnen Stunden klaffte im Abschnitt der 106. US-Division eine Lücke; die Panzer der 5. Panzerarmee drangen weiter, als es die Planer gehofft hatten. „Wir sind bereits vorgestoßen bis zur ersten Maas-Böschung“, notierte ein Stabsoffizier. Währenddessen griffen Verbände der 7. Armee das Großherzogtum Luxemburg auf breiter Front an; Zivilist-en flüchteten in eisiger Kälte. In der Eifel hielt allerdings die Frontlinie um Monschau stand, sodass der nördliche Keil ins Stocken geriet. Amerikanische Soldaten um Bastogne sammelten sich hastig; dort ergab sich eine Schlüsselstellung, weil sieben Landstraßen zusammenlaufen. Hitler drängte auf rasches Vorgehen, doch mangels Reserve an Treibstoff blieb so mancher schwere Panzer liegen. Noch vor Weihnachten zeichnete sich ab, dass der eigene Vorstoß Antwerpen kaum erreichen würde.
Die Ardennenschlacht im Brennglas von Bastogne
Die Ardennenschlacht erreichte am 21. Dezember ihren Höhepunkt. Die 6. SS-Panzerarmee umging Bastogne, während die 5. Panzerarmee die Stadt umzingelte. Der kommandierende General stellte den eingeschlossenen Amerikanern ein Ultimatum; General McAuliffe antwortete knapp: „Nuts!“ – ein Wort, das sinnbildlich für die alliierte Standhaftigkeit wurde. In denselben Tagen ereignete sich das Massaker von Malmedy, bei dem deutsche Soldaten über 80 amerikanische Gefangene erschossen; dieser Vorfall verhärtete die Fronten. Ende Dezember 1944 klärte das Wetter auf, und alliierte Bomberkräfte nahmen Kolonnen ins Visier. Pattons 3. Armee leitete eine Gegenoffensive ein, brach am 26. Dezember den Ring um Bastogne und trieb die erschöpften deutschen Truppen zurück. Walter Model meldete Hitler den Verlust operativer Initiative; doch der Diktator blieb bei seinem Befehl, Antwerpen nicht aus dem Auge zu verlieren. In Wirklichkeit fehlte es vielerorts schon an Nachschub, Munition und funktionsfähigen Fahrzeugen. Ein Frontoffizier der Wehrmacht notierte: „Unsere Verbände bestehen nur noch aus zusammengeschmolzenen Resten; die Infanteriedivisionen sind ausgeblutet.“ Trotz alledem ließ die SS-Panzerarmee ihre letzten Panzer in die Schlacht ziehen.
Januar 1945: Rückzug und Ende der Hoffnung
Januar 1945 begann bitterkalt. Alliierten Truppen nutzten ihre wiedergewonnene Luftüberlegenheit und schlugen die deutsche Front Stück für Stück zurück. Die Heeresgruppe B versuchte, eine neue Verteidigungslinie östlich der Maas aufzubauen, doch gegen Ende Januar 1945 war der Bulge entschwunden. Hitler sprach jetzt nur noch von „Verzögerungsräumen“; der deutsche Angriff hatte sein Ziel verfehlt. Gleichzeitig rollte die Rote Armee mit mächtigem Druck an der Ostfront vor – ein Zeichen dafür, dass die in den Ardennen gebundenen Reserven an anderer Stelle schmerzlich fehlten. Am 1. Februar 1945 ordnete das Oberkommando endgültig den Rückzug auf die Ausgangsstellungen an, wiewohl einzelne schwere Panzer erst Anfang Februar 1945 die demolierten Brücken überqueren konnten. Für viele deutsche Soldaten endete die Offensive im Westen als Marsch in Gefangenschaft, während alliierte Verbände auf breiter Front nach Rheinland vorrückten. Im März 1945 wurde Remagen genommen, und der Rhein war überquert – der Krieg im Westen näherte sich seinem Ende.
Nachklang
Die Ardennenoffensive 1944 – von Zeitgenossen auch als Battle of the Bulge“ bezeichnet – kostete rund 20 000 deutsche und 19 000 amerikanische Gefallene. Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge betreut bis heute Friedhöfe, auf denen viele Opfer dieser Schlacht ruhen. Für Historiker markiert sie den Punkt, an dem das Deutsche Reich jede Aussicht auf einen strategischen Sieg verlor: Die Ostfront verlangte nach Verstärkung, die jedoch in den Wäldern von Luxemburg und Belgien verblutet war.
Literatur
Antony Beevor (2015): Ardennen 1944. Hitlers letzte Schlacht im Westen. München: C. Bertelsmann.
Peter Caddick-Adams (2015): Schnee und Stahl. Die Ardennen-Schlacht 1944/45. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.
Danny S. Parker (2016): Die Ardennenoffensive. Hitlers letzte Schlacht im Westen 1944/45. Übers. Hans Schumacher. Würzburg: Echter Verlag.
Charles B. MacDonald (2000): Company Commander. Ein amerikanischer Offizier in der Ardennenschlacht. Stuttgart: Motorbuch.
Christian Hartmann (Hrsg.) (2020): Krieg im Westen 1944/45. Der Zusammenbruch des Deutschen Reiches. München: C. H. Beck.
Ralf Joannek (2012): Bastogne. Schlüssel zur Ardennenschlacht 1944/45. Paderborn: Schöningh.
Günter Gillessen (1984): Als die Ardennen brannten. Zeitzeugen berichten. Aachen: Helios.
Hermann Jung (2005): Die Ardennen-Offensive 1944/45. Planung, Durchführung, Folgen. Hamburg: E.S. Mittler & Sohn.
Alexandra Richie (2019): Faust’s Metropolis. Berlin und der deutsche Krieg 1940–1945. Berlin: Rowohlt.
Deutsche Welle Beitrag: Der Überlebende der Ardennenoffensive.