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Startseite > Rezensionen - Artikel und Beiträge > Buchrezensionen > Was war deutsches Judentum? 1870-1933 – von Christina von Braun
Geschrieben von: Thomas Gräfe
Erstellt:

Was war deutsches Judentum? 1870-1933 – von Christina von Braun

Christina von Braun (Hg.): Was war deutsches Judentum? 1870-1933, Berlin 2016.

Das vorliegende Buch versammelt die Beiträge einer Tagung des Zentrums für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg vom Herbst 2013 und versucht, die titelgebende Frage zu beantworten: „Was war deutsches Judentum?“ und zwar in der Blütezeit der klassischen Moderne zwischen 1870 und 1933. Das weit gespannte Themenfeld des Bandes reicht von der Religions- und Geistesgeschichte über die Kulturgeschichte bis hin zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Trotz dieser Gliederung widmen sich die Beiträge eher Spezialthemen und streben nicht den enzyklopädischen Charakter der „Deutsch-jüdischen Geschichte“ von Michael Brenner und Steven M. Loewenstein an.[1] Der Leser erhält keinen Überblick, sondern einen Einblick in die aktuelle Forschung.

Dominique Bourel und Rainer Kampling widersprechen in ihren Beiträgen der Ansicht, dass Moses Mendelssohn und die Haskala nur für ein hyperassimiliertes Reformjudentum traditionsstiftend gewesen seien. Auch für Orthodoxe und Zionisten war Mendelssohn eine wichtige Autorität, wobei sie allerdings andere Aspekte seines Werks betonten als die Liberalen. Mendelssohns Modernisierung des Judentums stiftete einen breiten Konsens. Laut Frank Mecklenburg war dieser Konsens auch in der Lage, die Gräben zwischen Assimilation und Zionismus zu überbrücken. Die zahlreichen Kompromiss-Gemeinden zeigen, dass immer wieder viele verschiedene politische und theologische Strömungen integriert werden konnten. Die nationalsozialistische Machtergreifung drehte allerdings das Mehrheitsverhältnis zwischen Assimilanten und Zionisten um.

Seit Moritz Goldsteins legendärem Aufsatz „Deutsch-jüdischer Parnaß“ (1912)[2] wird die Rolle der Juden in der deutschen Kultur immer wieder kontrovers diskutiert. Goldsteins provokante These, die Juden hätten sich ungefragt zu Verwaltern deutscher Kultur aufgeschwungen, muss im Lichte der kulturgeschichtlichen Beiträge des Sammelbandes als grobe Vereinfachung der Tätigkeit jüdischer Kulturschaffender zurückgewiesen werden. Micha Brumlik beleuchtet Heinrich Heines Verhältnis zur Hegelschen Philosophie. Hildegard Frübis geht christlichen und jüdischen Symboliken in Max Liebermanns Gemälden nach. Hannah Lotte Lund und Liliane Weissberg widmen sich der literarischen Selbstreflexion jüdischer Schriftsteller des 19. und 20. Jahrhunderts. Es zeigt sich, dass jüdische Künstler deutsche Kultur nicht einfach adaptierten. Viele Werke weisen eine Mischung von Einflüssen aus Mehrheits- und Minderheitskultur auf. Das gilt selbst für die Jüdische Renaissancebewegung, die Goldsteins Forderung nach einer Rückbesinnung auf die jüdische Kultur entsprach. Von der Mehrheitsgesellschaft wurde aber gerade die „deutsch-jüdische Mischkultur“ als Verweigerung der Assimilation gedeutet. In dieser Hinsicht bleibt Goldsteins Diagnose zutreffend: Die Teilhabe der Juden an der deutschen Kultur bot eine Angriffsfläche für den Antisemitismus.  

War der legitime Zugang zur deutschen Kultur für die Juden also erst nach vollständiger Assimilation, d.h. der Ablegung alles „spezifisch Jüdischen“, möglich? Till van Rahden zeigt, dass es durchaus eine Alternative gab. Eine multikulturelle Koexistenz war im großstädtischen Raum möglich und erfolgreich, solange die Juden dort eine unverzichtbare Kerngruppe des Wirtschafts- und Bildungsbürgertums bildeten. Diese Konstellation war allerdings nur in wenigen Großstädten, namentlich Breslau, Königsberg, Berlin und Frankfurt a.M., vor dem Ende des Ersten Weltkriegs gegeben.

Trotz Emanzipation und Assimilation blieben den Juden viele Teilbereiche der Gesellschaft durch faktische Diskriminierung verschlossen. Monika Richarz untersucht die informellen Berufsbeschränkungen für jüdische Akademiker. Sie zwangen bildungsbürgerliche Juden in die freien Berufe und hielten sie von staatsnahen Tätigkeitsfeldern fern. Shulamit Volkov erkennt ein ähnliches Muster im politischen Feld. Eine Teilintegration der Juden war allein bei Linksliberalen und SPD möglich, so dass sie keine Alternative hatten, im Kaiserreich staatsfern und in der Weimarer Republik staatsnah zu sein. Beides erwies sich für die Juden als ungünstig.

Gab es einen durch den Antisemitismus erzwungenen Rückzug in eine jüdische Parallelkultur? Die Herausbildung eines spezifisch jüdischen Vereinswesens ist auch, aber keinesfalls ausschließlich, auf den Antisemitismus zurückzuführen. Der Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens konstituierte sich nicht nur als Abwehrorganisation, sondern als selbstbewusste „pressure group“ für jüdische Belange – etwas, das der mehrheitlich von Christen betriebene Verein zur Abwehr des Antisemitismus nicht leisten konnte. Isabel Enzensbach zeigt in ihrem Beitrag noch einen weiteren Unterschied zum VAA auf. Der CV ließ es nicht bei Aufklärungsarbeit und Rechtsschutz bewenden, sondern nutzte Massenmedien wie Flugblätter und Klebezettel.

Der Verjudungstopos der Antisemiten führt noch heute die Forschung bei der Suche nach Spuren des „spezifisch Jüdischen“ auf Irrwege. Zu leicht wird übersehen, dass Juden auch in Teilbereichen von Wirtschaft und Gesellschaft, in denen sie sich durch Neigung und Zwänge besonders stark engagierten, in der Minderheit waren. Christoph Kreutzmüller demonstriert dies an Gewerbetreibenden in Berlin, Anita Grossmann an den Diskursen um Frauenemanzipation und Sexualreform. Gideon Reuveni zeigt, wie sehr gerade die Wirtschaftsgeschichte bis heute mit Werner Sombarts Legende von einer spezifisch jüdischen Wirtschaftsethik zu kämpfen hat. Er empfiehlt daher, den Blick von der Beteiligung an Handel und Geldwirtschaft auf das Konsumverhalten der Juden umzulenken.

Die Stärke des Bandes „Was war deutsches Judentum?“ ist, dass alle Beiträge Assimilationsprozesse neu durchdenken. Angleichung und Bewahrung von Differenz waren keine freien Wahloptionen oder einander ausschließende Widersprüche, sondern wurden allzu oft von den Umständen aufgezwungen. Aufgrund ihrer geographischen Verteilung, ihrer Sozial- und Wirtschaftsstruktur und nicht zuletzt aufgrund des Antisemitismus konnten die deutschen Juden nicht in der Mehrheitsgesellschaft aufgehen, obwohl es an der Bereitschaft zur Anpassung, so Julius H. Schoeps in einem resümierenden Beitrag, nicht fehlte. Anstelle einer integrationalistischen Assimilation fand vielmehr eine Verbürgerlichung statt, die sich das urbane, liberale und kulturprotestantische Bürgertum zum Vorbild nahm. Doch bei diesem Teil des Bürgertums handelte es sich selbst um ein Minderheitsmilieu, das im Gefolge des Ersten Weltkriegs vollständig erodierte. So hat die Assimilation das ethnische Profil der deutschen Juden nicht aufgelöst, sondern paradoxerweise geschärft. Der Frage, ob es sich dabei um ein spezifisch deutsches Problem handelte, wird leider nicht nachgegangen, da keiner der Beiträge international vergleichend arbeitet. Eine weitere Schwäche des Sammelbandes ist seine Konzentration auf den städtischen Raum. Fast die Hälfte der Beiträge beschränkt sich gar auf die Verhältnisse in Berlin. Die Landgemeinden in Posen, Hessen, Westfalen, Baden und Württemberg kommen nicht vor. Doch auch das war deutsches Judentum. 

Autor: Thomas Gräfe

 

Christina von Braun (Hg.): Was war deutsches Judentum? 1870-1933 (= Europäisch-jüdische Studien Beiträge Bd. 24), De Gruyter, Berlin 2016.

 

Anmerkungen

[1] Michael Brenner/ Steven M. Loewenstein (Hg.), Deutsch-jüdische Geschichte in der Neuzeit, 4 Bde., München 2000.

[2] Thomas Gräfe, Deutsch-jüdischer Parnaß (Moritz Goldstein, 1912), in: Wolfgang Benz (Hg.), Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart, Bd.7, Berlin 2015, S. 68-70.

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