Vorgeschichte
Nach der Niederlage im Deutsch-Französischen Krieg (1870/71) musste Frankreich den Elsass und Lothringen an das Deutsche Kaiserreich abtreten. Da die Eingliederung der französischen Gebiete in das Deutsche Reich als eigenständiger Bundesstaat gescheitert war und aufgegeben wurde, sah das Vereinigungsgesetz vom 9. Juni 1871 eine Zwischenstellung im föderativen Deutschen Reich vor. Elsass-Lothringen wurde als sogenanntes Reichsland mit einer einheitlichen Verwaltung unmittelbar dem deutschen Kaiser unterstellt. Im Zuge der Annexion kam es zu andauernden, aber wirkungslosen Protesten der französischen Bevölkerung. Daraufhin verließen viele Elsässer und Lothringer ihre Heimat und verlegten ihren Wohnsitz nach Frankreich. Im Gegenzug siedelten sich zahlreiche Deutsche in den annektierten Gebieten an. Darunter viele Beamte und Militärs. Bereits 1875 war der Anteil der Deutschen an der Gesamtbevölkerung auf rund fünf Prozent gewachsen, 1890 betrug er schon etwa zehn Prozent und 1910 rund 15 Prozent. Schon 1871 war Elsass-Lothringen in drei Bezirkspräsidien eingeteilt worden: Unter-Elsass mit der Hauptstadt Straßburg, Ober-Elsass mit Colmar und Lothringen mit Metz. Doch Elsass-Lothringen hatte lange Zeit nicht den gleichen politischen Status wie die anderen deutschen Staaten und war weder im Reichstag noch im Bundesrat vertreten. Am 16. April 1874 trat in Elsass-Lothringen die sogenannte Bismarcksche Reichsverfassung in Kraft. Es wurde der Landesausschuss, ein indirekt gewähltes Gremium mit ausschließlich beratender Funktion geschaffen und die Elsass-Lothringer erhielten endlich das Wahlrecht zum deutschen Reichstag. 15 Abgeordnete konnten daraufhin nach Berlin entsandt werden. 1879 übertrug der Kaiser seine Befugnisse auf einen Statthalter. Doch erst 40 nach der Aneignung durch Deutschland erhielt Elsass-Lothringen den Status eines deutschen Bundesstaates. Die Annexion blieb jedoch umstritten und bekam mit Beginn des Ersten Weltkriegs eine erneute hohe Aktualität.
Was passierte während des Krieges?
Die Rückeroberung der verlorenen Ostprovinzen war zunächst erklärtes Kriegsziel von Frankreich. Daher konzentrierten sich die Angriffe der französischen Truppen anfangs auf Elsass-Lothringen. Gleich nach Kriegsbeginn war die 2. französische Südarmee mit einer Offensive über die Grenze nach Lothringen vorgestoßen. Am 20. August begann die mit sechseinhalb Divisionen verstärkte 7. Armee in den Vogesen und in Lothringen mit einem Gegenangriff auf die französische Armee. Zwischen dem 20. und 22. August 1914 gelang es den deutschen Soldaten, die französischen Truppen über die Staatsgrenze zurückzutreiben. Die Deutschen nahmen über 10.000 Kriegsgefangene und erbeuteten zahlreiche Waffen, z. B. ca. 50 Geschütze. Doch der mit eigenen hohen Verlusten teuer erkaufte Sieg war nur von kurzer Dauer. Im September 1914 konnten die französischen Streitkräfte mit britischer Unterstützung dem deutschen Angriff an der Marne Paroli bieten. Der deutsche Vormarsch geriet ins Stocken und endete im Herbst 1914 im berüchtigten Stellungskrieg. Franzosen, Briten und Deutsche hoben Schützengräben aus und bauten Unterstände. Am 21. März 1918 begann mit dem Unternehmen Michael eine große deutsche Frühjahrsoffensive an der Westfront. Erstmals kam auch Giftgas zum Einsatz. Militärisches Ziel war, die britische und französische Armee voneinander zu trennen, die Front zu zerschlagen und die Briten zu vernichten. Doch es sollte anders kommen. Auch ein allerletzter deutscher Angriff zwischen dem 15. und 18. Juli 1918 blieb ohne nennenswerten Erfolg. Die deutschen Verluste konnten nicht mehr ersetzt werden. In den folgenden Monaten kam es zu der allliierten Gegenoffensive, die am 11. November 1918 zum Waffenstillstand führte. Der Erste Weltkrieg war zu Ende. Die Verluste waren immens. Neun Millionen Soldaten und mehr als sechs Millionen Zivilisten kamen zu Tode.
Was geschah nach 1918?
Nach der Niederlage musste Deutschland das Elsass erneut abtreten. Die deutsche Regierung versuchte zwar in den letzten Kriegsmonaten 1918, das Land als Bundesstaat im Reich zu halten. Doch Mitte November 1918 rückten französische Truppen in Elsass-Lothringen ein und der Versuch scheiterte kläglich. Der elsässisch-lothringische Landtag stimmte am 6. Dezember 1918 für den Anschluss an Frankreich. Die endgültige Eingliederung erfolgt dann durch den Versailler Friedensvertrag vom Mai 1919. Elsass-Lothringen wurde wieder französisch. Zur Sicherung der zurückgewonnenen Gebiete wurde seitens der Franzosen eine strenge Politik der Assimilation betrieben. Dazu gehörte die Ausweisung aller pangermanischer Bürger, allen voran die altdeutschen Einwohner. Damit waren die Deutsche aus anderen Reichsteilen gemeint, die nach der Annexion von Elsass-Lothringen 1871 in das Reichsland Elsass-Lothringen umsiedelten. In einem ersten Schritt wurden ab dem 14. Dezember 1919 die gesamten Bewohner des Elsass je nach ihrer Abstammung in vier Gruppen eingeteilt:
- Einwohner, die selbst oder deren Eltern/Großeltern vor 1870 in Frankreich oder Elsaß-Lothringen geboren worden waren, galten als Vollfranzosen.
- Einwohner, bei denen ein Eltern- oder Großelternteil schon vor 1870 aus Frankreich oder Elsaß-Lothringen stammte, galten als Teilfranzosen.
- Einwohner, die selbst oder deren Eltern/Großeltern aus einem mit Frankreich verbündeten oder neutralen Staat stammten, galten als Ausländer.
- Einwohner, die selbst oder deren Eltern/Großeltern aus dem übrigen Deutschen Reich oder aus Österreich-Ungarn stammten, galten als Deutsche.
Die vierte Gruppe, die sogenannten Altdeutschen oder immigrés allemands wurden ausgewiesen. Die Umsetzung dieser willkürlichen Zwangs-Aussiedelung erfolgte durch die Commission de Triage, das waren von den französischen Behörden in den deutschsprachigen Gebieten Elsass-Lothringens eingerichtete spezielle Auslesekommissionen. Deren Aufgabe war die Feststellung und Ausweisung der Deutschen und die Bestrafung von Kollaborateuren. Außerdem sprachen die Kommissionskammern Vermögensstrafen, Enteignungen oder die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte aus. Arbeitsgrundlage waren meistens schwarze Listen und Denunziationen. Erst Mitte der 1920er-Jahre beendete die Commission de Triage ihre Arbeit. In der Folge mussten von Dezember 1918 bis Oktober 1920 etwa 150.000 bis 200.000 Menschen aus Lothringen und aus dem Elsass das ehemalige Reichsland in Richtung Deutschland verlassen. Die meisten der Vertriebenen waren gezwungen, ihren Besitz in Elsass-Lothringen zurücklassen. Jeder Erwachsene durfte nur 30 Kilogramm Gepäck und 2.000 Reichsmark mitnehmen. Alle übrigen Besitztümer wurden vom französischen Staat eingezogen und liquidiert. Auf Druck des US-Präsident Woodrow Wilson konnte etwa die Hälfe der vertriebenen Altdeutschen wieder nach Elsaß-Lothringen zurückkehren. Die anderen wurden im deutschen Südwesten, hauptsächlich in Baden angesiedelt und mußten sich eine neue Existenz aufbauen, was in der Nachkriegszeit besonders schwierig war. Immerhin gab es den Artikel 74 des Versailler Vertrages. Dieser bestimmte, dass Deutschland seine durch Liquidation enteigneten Landsleute selbst zu entschädigen hatte. Daher konnten die aus Elsass-Lothringen vertriebenen Deutschen wenigstens auf eine Abfindung für den zurückgelassenen Besitz hoffen. Die Entschädigungssumme entsprach etwa dem Verlust.
Siehe auch FAZ-Artikel dazu.