Stalins „verschwendeter“ Meister-Spion
„Russland – das Land, das seine Dichter verschwendet“, lautete ein Urteil im 19. Jahrhundert. Analog dazu könnte man die Sowjetunion „ein Land, das seine Spione verschwendete“, nennen und Richard Sorge (1895–1944) als Kronzeugen aufrufen. Obwohl es nicht viel Sinn hätte, denn Sorges Schicksal ist nur ein Mosaiksteinchen des unendlichen Panoramabildes der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg. Dessen Ende vor 60 Jahren beherrschte 2005 Gemüter und Gazetten: Sowjetischer Alleinherrscher war im Krieg und danach Stalin – aber war er auch der „Sieger?“ Repräsentativumfragen im heutigen Russland geben keine eindeutige Antwort. 40 Prozent der Befragten bejahten eindeutig, 31 Prozent mehr oder minder, nur 11 Prozent äußerten sich „rundheraus negativ“. Diese drei Voten stehen für drei Einstellungen, die aktuelle Debatten prägen. Stalin war der „Vater unseres großen Sieges“, besagt die eine, während die andere zurückhaltend meint, dass Stalin sozusagen „zufällig“ der Führer eines Volks war, das allein und trotz seiner oft unsinnigen Politik gesiegt hat; die dritte Einstellung verurteilt den Stalin, der mit Hitler paktierte, dadurch „das Tor zum Weltkrieg aufstieß“ und den letztendlichen Sieg zu weit überhöhten Kosten erfocht, unter denen Russland immer noch leidet. Welche Einstellung wird vor der Geschichte Bestand haben? Ein Blick auf den neuerlichen „Sorge-Boom“ in Russland verhilft zu einigen Aufschlüssen.
Sorge – roter Asket mit Playboy-Manieren
Richard Sorge wurde in Sabunči auf der Halbinsel Apšeron (Kaspisches Meer, heutiges Aserbajdshan) geboren.[1] Sein Großvater Friedrich August Sorge (1828–1906) war ein enger Vertrauter von K. Marx und F. Engels, später Leiter der amerikanischen Sektion der I. Internationale. Sorges Vater, Gustav Wilhelm Richard Sorge, war als gut honorierter Erdölexperte für die Firma Nobel in Russland tätig; nach dem Tod seiner ersten Frau ehelichte er die Russin Nina Semenovna Kobeleva. Der Ehe entstammten fünf Kinder, als letztes Richard Sorge. 1898 kehrte die Familie nach Deutschland zurück, 1907 verstarb der Vater – die Mutter lebte bis 1952.
Richard Sorge durchlebte eine glückliche, sorgenfreie Kindheit. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs meldete er sich direkt aus der Oberrealschule Berlin-Lichtenfelde als Freiwilliger und absolvierte eine zweimonatige Ausbildung im Reservebataillon des 91. Infanterie-Regiments. Im Sommer 1915 ging er mit diesem Regiment an die Westfront, wurde während der Ypern-Offensive in Flandern (22. April–25. Mai 1915) verwundet und in Berlin geheilt. Danach ging sein Truppenteil an die Ostfront, wo Sorge ein zweites Mal verwundet wurde, gleichzeitig aber auch zum Unteroffizier befördert und mit dem Eisernen Kreuz dekoriert. Im April 1917 erlitt er eine schwere Verwundung durch einen Schrapnell und konnte erst nach drei Tagen aus einem Stacheldrahtverhau geborgen werden. Im Lazarett Königsberg bemühte man sich um ihn, aber sein eines Bein blieb fortan einige Zentimeter kürzer. Er knüpfte ein Verhältnis zu einer Krankenschwester an, deren politisch weit links stehender Vater Sorge in diesem Sinne beeinflusste. Noch nicht wieder „frontverwendungsfähig“, wurde ihm ein Jurastudium an der Universität Berlin erlaubt. 1919 bekam er die formelle Entlassung aus der Armee, setzte sein Studium in Kiel und Hamburg fort, das er am 8. August 1919 mit einer Dissertation über ein tarifrechtliches Thema und der Promotion zum Dr. jur. abschloß.
Selbst für die damalige Zeit und für die Nachkriegsumstände hatte Sorge sehr „schnell“ studiert. Der Grund war nicht zuletzt Sorges Engagement in der (zur Jahreswende 1918/19 entstandenen) KPD, für die er bereits im November 1918 bei den Kieler Matrosen-Unruhen aktiv gewesen war. Danach war kurz in Berlin, dann in Hamburg und anderswo, immer in Verbindung mit dem geheimen Militärapparat der KPD, der sich erst 1924 als Rotfrontkämpferbund der Öffentlichkeit zeigte.[2] Von Anfang an unterhielt der KPD-Militärapparat engste Beziehungen zu sowjetischen Geheimdiensten, die in Deutschland eine „Revolution“ vorbereiteten. Richard Sorge war für sie ein zunehmend wichtigerer Vertrauensmann.
Sorge tarnte sich als Journalist und als Playboy. Eine Bekannte beschrieb ihn 1920: gut aussehend, elegant, fröhlich und kommunikativ – „die bürgerlichen Leute kamen gar nicht auf die Idee, er könne ein Kommunist sein.“ 1924 hielt die KPD ihren 9. (geheimen) Parteitag ab, bei dem auch eine sowjetische Delegation unter Dmitrij Manuil’skij (1883–1959) anwesend war, die die „Kampfbereitschaft“ der deutschen Genossen prüfen sollte. Sorge betreute die Gruppe und reiste kurze Zeit später nach Moskau, wo er zunächst im geheimen Spionageapparat der KOMINTERN („Abteilung für internationale Beziehungen“) unter Iosif Pjatnickij tätig war. Chef der militärischen Aufklärung (GRU) der Roten Arbeiter- und Bauern-Armee (RKKA) war 1924 der Lette Jan Berzin geworden, der Sorge für seinen Geheimdienst anwarb. Zurück aus Moskau, heiratete Sorge Christine Gerlach und zog nach Frankfurt am Main. Dort richtete er einen elitären „Salon“ ein, in dem Prominente wie der Komponist Paul Hindemith, der Dichter Stefan George, der Zeichner Georg Gross und ähnliche verkehrten.
In Frankfurt war in dieser Zeit das „Institut für Sozialforschung“, die später berühmte „Frankfurter Schule“, entstanden, die über den Kommunisten Felix Weil Geld aus Moskau bezog. Die gegenwärtige russische Historiographie nimmt an, dass Sorge Weil als Helfer oder Verbindungsmann beigegeben wurde. Was immer da im Spiel gewesen sein mag – es hat nicht lange gedauert. Bereits 1925 war Sorge wieder in Moskau, wo er feierlich in die KPdSU aufgenommen wurde. 1929 wechselte er von der KOMINTERN zur GRU über, 1932 ließ er sich von seiner Frau scheiden, die daraufhin in die USA auswanderte.[3]
Spion in allen Himmelsrichtungen
Sorges Chef Berzin und sein Apparat – offiziell „4. Leitung im Stab der RKKA“ – machten ab 1930 eine schwere Krise durch. Sein bewährter Beschützer in der obersten Parteiführung, Iosif Unšlicht (1879–1938), wurde auf einen unbedeutenden Posten in der Wirtschaft abgeschoben, der Dienst dem „Volkskommissariat“ (Ministerium) für Verteidigung unterstellt und mit inkompetenten Leuten bestückt, die Aufgaben wuchsen enorm an – z. B. die Überwachung der Kooperation zwischen RKKA und deutscher Reichswehr – und dafür standen nur 120 festangestellte und 350 „abkommandierte“ Mitarbeiter zur Verfügung. Unter diesen Umständen häuften sich in den frühen 1930er Jahren unglaubliche Fehlschläge für den Dienst, was dann in dem Terrorjahr 1937 den Chefs angelastet wurde. Unšlicht, Berzin und viele andere wurden nach Schauprozessen hingerichtet.[4]
Sorge selber blieb davon unberührt, da er faktisch permanent im Ausland arbeitete. 1929 ging er nach England, um dort die politischen und ökonomischen Verhältnisse und speziell die Position der englischen Kommunisten zu „studieren“. Das sollte er, so sein Auftrag, in konspirativer Heimlichkeit tun und sich politisch keineswegs engagieren. Im November 1929 kam er nach Deutschland, wo er sich – getarnt als Korrespondent der Getreide-Zeitung – der NSDAP anschließen sollte, um diese von innen her auszukundschaften.
1930 schickten ihn seine sowjetischen Auftraggeber nach Shanghai (China), wo er mit der linksradikalen amerikanischen Autorin Agnes Smedley (1892–1950) bekannt wurde, die dort seit 1928 lebte und für englische und chinesische Blätter schrieb, daneben Bücher in einem prokommunistischen Geist verfasste. Sorge trat unter dem Namen Johnson als Korrespondent der Frankfurter Zeitung und anderer deutscher Blätter auf und wurde von Smedley mit dem japanischen Journalisten Hozumi Ozaki bekannt gemacht, der später Mitarbeiter von Sorges Spionagegruppe Ramsay war. Sorge blieb bis 1933 in Shanghai und kehrte dann nach Moskau zurück. Dort war man mit ihm sehr zufrieden, dekorierte ihn mit einem Orden und erlaubte ihm im August 1933, seine Freundin Ekaterina zu heiraten. Das war erstaunlich, denn in Shanghai arbeitete „Abram“, der Russe Jakov Bronin, der noch im Oktober 1934 Sorge in einem Bericht als Gegner der Politik der KOMINTERN denunzierte, die ihm, Sorge, als ausschließliche Unterstützung sowjetischer Interessen und Vernachlässigung anderer Länder erschien.
Ozaki war 1932 nach Japan zurückgekehrt, wo er – überzeugter Kommunist und Mitglied einer Spionagegruppe der KP Chinas – Karriere in der Leitung des japanischen China-Expeditionskorps machte. 1933 reiste Sorge über Berlin, wo er ganz offiziell der NSDAP beitrat, und über die USA nach Yokohama, erneuerte seine Kontakte zu Ozaki und machte sich im Moskauer Auftrag daran, seine eigene Spionagegruppe Ramsay in Japan aufzubauen.[5] Zu dieser gehörten mindestens 16 hochrangige „Quellen“ und 40 sonstige Zuträger. Die wichtigsten Aktivisten waren neben Sorge und Ozaki der japanische Journalist Miyagi Yotoku vom englischsprachigen Japan Advertiser, der kroatische Journalist Branko Vukelić von der französischen Vu und der Deutsche Max Klausen, der der Gruppe als Funker diente. Als Code wurden Shakespeares Werke verwendet, wobei jeder Funkspruch mit dem Hinweis begann, in welchem Stück und welcher Szene das Wort stand, das zur Entschlüsselung des gesamten Textes nötig war.
Glanz und Elend von Sorges Tokioter Mission
Deutschland und Japan hatten nach längeren Konflikten ab 1933 zueinander gefunden, wozu insbesondere das Wirken des projapanischen Diplomaten Herbert von Dirks (1882–1952) beitrug, der von 1933 bis 1938 Botschafter in Japan war. „Einträglicher“ für Sorge war der gute Kontakt zum Militärattaché und späteren Botschafter Eugen Ott. Sorge fing eine Liebschaft mit dessen Frau Helma an und nutze die Möglichkeiten Otts weidlich aus. Der Diplomat vertraute ihm grenzenlos, ließ ihn eingehende chiffrierte Telegramme begutachten, verwertete seine Analysen in Berichten nach Berlin und öffnete ihm zahllose Kontakte und Informationsquellen. Als nationalsozialistischer „Parteigenosse“ hatte Sorge auch Zugang zu allen deutschen Zirkeln und Gruppen in Japan, bei denen er als „Patriot“ galt.
Hinzu kamen die exzellenten Kontakte Ozakis zu Premierminister Fumimaro Konoye (1891–1945), die eine Fülle hochkarätiger Informationen erbrachten. Sorge hat sich in einer späteren Autobiographie, die er in einem japanischen Gefängnis schrieb, ironisch darüber geäußert, wie leicht ihm seine Spionagetätigkeit gemacht worden war: Alle Welt glaubte seiner Tarnung als deutscher Korrespondent, nahezu jede von Moskau gewünschte Information war leicht zu beschaffen, Polizei und japanische Gegenspionage beachteten ihn gar nicht. Folglich „bombardierte“ Ramsay Moskau mit Tausenden Berichten, die von wechselnden Standorten gefunkt wurden – nicht einmal das beschämend kärgliche Budget, das die Sowjets ihrem Meisterspion bewilligt hatten, war ein Hindernis: Sorge, der niemals materielle Nöte gekannt hatte, zahlte Mehrkosten aus eigener Tasche. Das alles fiel nicht auf, und Sorge blieb allgemein bekannt als Liebhaber schöner Frauen, harter Getränke, schneller Autos und schwerer Motorräder.
Die eigentliche Gefahr übersah oder verdrängte Sorge. In Moskau landeten nach und nach alle seine früheren Bekannten, Helfer und Mitarbeiter vor Gerichten und Erschießungskommandos: Gorev, der 1933 seine Anreise über Deutschland organisiert hatte, Ramm, sein Helfer in Shanghai 1930–1932, Kuusinen, die Frau eines ZK-Mitglieds, die 1935–1937 bei Ramsay tätig gewesen war, und noch viele mehr. 1939 und 1940 versuchte man, ihn nach Moskau zurück zu holen, was Sorge lässig abwies: Er habe „dringende Arbeiten“, momentan sei „keine Zeit für Urlaub“ und ähnliche Ausreden mehr, die in Moskau als „Unverschämtheiten“ empfunden wurden und den Verdacht verstärkten, dass Sorge in Wirklichkeit ein deutscher und japanischer „Doppelagent“ wäre, dem nicht zu trauen sei.[6]
Wer sich das Verhältnis Sorge – Moskau in den späten 1930er Jahren anschaut, kann nur doppelt staunen: Zum einen darüber, was Sorge alles in maximaler Akribie herausfand und meldete – Details zum Antikomintern-Pakt oder zu Japans Plänen bezüglich Chinas z. B. –, und zum anderen darüber, wie oberflächlich Moskau mit diesen Informationen umging. Ein kurzer Dank, aber keine konkreten Schlussfolgerungen oder gar Maßnahmen – das wiederholte sich in monotoner Reihenfolge.
Und nach Kriegsbeginn wurde es noch grotesker: Sorge hatte im März, April, Mai und Juni 1941 in zahlreichen Funksprüchen, alle unter dem Codewort „Wiesbaden“ abgesetzt, vor der eskalierenden Vorbereitung Deutschlands auf den Überfall auf die Sowjetunion berichtet und sogar den genauen Termin erkundet: 22. Juni „in aller Frühe“. Stalin wischte die Warnungen vom Tisch und glaubte an seine „Freundschaft“ mit Hitler. Dann griff Hitler an, und die Sowjetunion geriet in größte Schwierigkeiten – vor Wintereinbruch sollte durch die Einnahme Moskaus der Krieg entschieden sein. Da kam am 14. September 1941 ein Funkspruch Sorges: Die kaiserliche Regierung Japans habe am 6. September beschlossen, die Kriegsvorbereitungen auf die USA und England zu konzentrieren. An zwei Fronten zu kämpfen, war Japan nicht in der Lage, also war die Sowjetunion vor einem japanischen Angriff sicher. Diese Analyse Sorges konnte Stalin nicht mehr übergehen: Große Teile der Fernost-Armee wurden eiligst nach Moskau verlegt, die Hauptstadt konnte verteidigt werden, ab November 1941 war die Kriegslage stabilisiert, im Dezember begann eine sowjetische Gegenoffensive.
Am 14. Oktober 1941 wurden Ozaki, Klausen und andere verhaftet, am 18. Oktober Sorge. Da seine Mitarbeiter unter den Torturen im Sugamo-Gefängnis zusammenbrachen, hielt es auch Sorge für zwecklos, weiter zu schweigen. Er wurde zum Tode verurteilt, jedoch erst am 7. November 1944 hingerichtet. In dieser Zeit schrieb er eine Art Autobiographie, in welcher er sich bemühte, eventuellen Lesern seine Motive zu verdeutlichen. Die Japaner ließen ihn einstweilen leben, weil sie hofften, ihn gegen hochkarätige Gefangene austauschen zu können. Der sowjetische Botschafter in Tokio, Jakov Malik, bekam kaum verhüllte Angebote in dieser Richtung. Moskau reagierte nicht: In Tokio sei ein deutscher Spion verurteilt worden, den die Sowjetunion nicht kenne und der sie auch nicht interessiere.
Nachspiel
Im Mai 1942 sprach das sowjetische Justizministerium kryptisch von „KOMINTERN-Agenten“, die in Japan tätig gewesen seien. Dieser kurze Hinweis wurde von US-Diensten registriert, die nach Kriegsende erstmals genau untersuchten, was Sorge und seine Helfer in Japan getan hatten. Dabei kam heraus, dass der japanische KP-Chef Ritsu Ito der Polizei 1941 Informationen gegeben hatte, die alsbald zur Aufdeckung der Gruppe Sorge führten. Das war ein doppelter Schlag gegen die zu dieser Zeit prosperierenden Kommunisten Japans: Ito floh 1951 nach Peking und wurde zwei Jahre später als „Verräter“ aus der Partei ausgeschlossen, die sich indessen von diesem Rückschlag nicht wieder erholte.
In Moskau war im September 1942 Sorges zweite Frau Ekaterina verhaftet und nach neun Monaten Einzelhaft in dem Geheimpolizei-Hauptquartier „Lubjanka“ in ein Straflager in Krasnojarsk verschleppt, wo sie am 3. Juli 1943 starb. Unter den deutschen Kriegsgefangenen wurde Sorges älterer Bruder Hermann, im Zivilberuf Chemie-Ingenieur, aufgespürt und in ein Speziallaboratorium gebracht, wo er fortan in seinem Beruf arbeiten konnte.
Im März 1953 starb Stalin, seine Nachfolger öffneten einige Archive und so wurde auch bekannt, was Sorge für die Russen getan hatte. 1961 wurde in Frankreich – in Kooperation mit Deutschland, Italien und Japan – der Film „Qui êtes-vous, Monsieur Sorge?“ (Wer sind Sie, Herr Sorge?) gedreht, der kurze Zeit später auch in die Sowjetunion gelangte und dort ungeheuer populär wurde. Danach kam es im Westen zu einer wahren Flut von Büchern, Filmen, Dokumentationen etc. zum Leben und Wirken Richard Sorges.
Am 5. November 1964 wurde Richard Sorge postum mit dem Titel „Held der Sowjetunion“ geehrt. Davon kündete eine Briefmarke aller Welt. Erst seit etwa zwei Jahren ist in Russland nachhaltiges Interesse für Sorge erwacht – hervorgerufen nicht zuletzt durch japanische Dokumentenfunde, die die letzten Stunden dieses Mannes akribisch festgehalten hatten. Er bedankte sich bei dem Gefängnisdirektor und den Wärtern für die ihm erwiesene „Güte“ und ging gefasst in den Tod.
Autor: Wolf Oschlies
Literatur
Crüger, Herbert: Verschwiegene Zeiten – Vom geheimen Apparat der KPD ins Gefängnis der Staatssicherheit, Berlin 1990.
Deakin, F. W. / Storry G. R. (1965): Richard Sorge. Die Geschichte eines großen Doppelspiels, London 1965.
Goljakow, Sergej / Ponisowski, Wladimir: Richard Sorge. Kundschafter und Kommunist. Biografie. Berlin (Ost) 1982.
Gorbunov, Evgenij: Provaly 1931 goda (Die Fehlschläge von 1931), in: Nezavisimoe voennoe obozrenie 14.10.2005.
Korolkow, Juri: Der Mann, für den es keine Geheimnisse gab. Richard Sorge in Tokio. Berlin (Ost) 1967.
Mader, Julius /Stuchlik, Gerhard / Pehnert, Horst: Dr. Sorge funkt aus Tokyo. Ein Dokumentarbericht über Kundschafter der Friedens mit ausgewählten Artikeln von Richard Sorge, Berlin (Ost) 1966.
Mader, Julius: Dr.-Sorge-Report. Ein Dokumentarbericht über Kundschafter des Friedens mit ausgewählten Artikeln von Richard Sorge. Berlin (Ost) 1985.
Rošupkin, Vladimir: Tokijskaja missija Ramzaja (Ramsays Tokioter Mission), in: Nezavisimoe voennoe obozrenie 10.12.2004.
Timmermann, Heiner; Sergej A. Kondraschow; Hisaya Shirai (Hg.): Spionage, Ideologie, Mythos – der Fall Richard Sorge. Münster 2005.
Whymant, Robert: Stalin’s Spy. Richard Sorge and the Tokyo Espionage Ring, London / New York 1997.
Whymant, Robert: Richard Sorge – Der Mann mit den drei Gesichtern. Hamburg 1999.
Wolf, Markus: Der Meisterspion – über jeden Verdacht erhaben, in: Neues Deutschland 6.11.2004.
Zemljanoj, Sergej: Špion za svoj scet (Spion auf eigene Rechnung), in Politiceskij žurnal Nr. 37, 7.11.2005.
Anmerkungen
[1] Detaillierte Biographie von Sergej Zemljanoj: Špion za svoj sčet (Spion auf eigene Rechnung), in Političeskij žurnal Nr. 37, 7.11.2005
[2] Herbert Crüger: Verschwiegene Zeiten – Vom geheimen Apparat der KPD ins Gefängnis der Staatssicherheit, Berlin 1990
[3] In deutschen Darstellungen der Frankfurter Schule wird diese Finanzierung so dargestellt, als habe Weil von seinem Vater Hermann, Getreidehändler in Argentinien und Multimillionär, enorme Gelder geerbt, die ihm dieses Mäzenatentum erlaubten. (Vgl. Rolf Wiggershaus: Die Frankfurter Schule – Geschichte, Theoretische Entwicklung, Politische Bedeutung, dtv-Wissenschaft 4484, München 1988, S. 22 ff.) Nach neuesten russischen Darstellungen (vgl. Zemljanoj, Spion… aaO.) war es jedoch so, daß die Sowjetunion Weizen zu Dumping-Preisen im Westen verkaufte, einen Teil des Verkaufserlöses an Weil zur Finanzierung der Frankfurter Schule weiterleitete und ihm Sorge als eine Art Aufpasser zur Seite stellte.
[4] Evgenij Gorbunov: Provaly 1931 goda (Die Fehlschläge von 1931), in: Nezavisimoe voennoe obozrenie 14.10.2005
[5] Markus Wolf: Der Meisterspion – über jeden Verdacht erhaben, in: Neues Deutschland 6.11.2004
[6] Vladimir Rošupkin: Tokijskaja missija Ramzaja (Ramsays Tokioter Mission), in: Nezavisimoe voennoe obozrenie 10.12.2004