Peer Heinelt: „PR-Päpste“. Die kontinuierlichen Karrieren von Carl Hundhausen, Albert Oeckl und Franz Ronneberger, Berlin 2003.
Der Autor dieser Marburger Dissertation schreibt im Vorwort seiner Studie mit großer Offenheit, dass es ihm bei der „Niederschrift (seiner) Doktorarbeit weniger um den Erwerb akademischer Weihen (ging) als darum, die Geschichte einer Kommunikationsform zu beleuchten, deren Anwendung in der Bundesrepublik sowohl an Einrichtungen der beruflichen Weiterbildung als auch an Universitäten gelehrt wird“. Die Monografie des Politologen Peer Heinelt, der auch die Weiterbildung der Deutschen Public Relations Gesellschaft (DPRG) zum PR-Berater absolviert hat, ist insofern „parteiisch“ als sie die NS-Vergangenheit der im Titel genannten „PR-Päpste“, deren Schriften bis heute als Standardwerke der Kommunikationswissenschaften und Public Relations Branche gelten, kritisch in den Blick nimmt und deren Kontinuitätslinien vom Dritten Reich in die Bundesrepublik Deutschland sowohl hinsichtlich der theoretischen Werke Hundhausens, Oeckls und Ronnebergers als auch ihres praktischen Wirkens analysiert. Dabei verzichtete der Autor bewusst auf eine Befragung der zu Beginn seiner Studien Ende der 1990er-Jahre noch lebenden Oeckl und Ronneberger, da er von deren apologetischer Deutung ihrer Handlungsweisen im Nationalsozialismus ausging. Er konzentriert sich stattdessen auf das zu diesen Personen vorhandene Aktenmaterial und deren Schriften.
Carl Hundhausen (1893–1977) wurde nach dem Krieg PR- und Werbechef des Krupp-Konzerns, zu dem er 1944 gewechselt war. Im Nationalsozialismus entwickelte er u. a. die Idee von der „politischen Propaganda“ als neben Gesetzen und Verboten „wichtigstem Mittel der Absatzlenkung“ (S. 54). Dabei lobte er Görings Vierjahresplan zur wirtschaftlichen Kriegsvorbereitung als Musterbeispiel einer vorbildlichen Absatzlenkung. Neben seiner Tätigkeit bei Krupp fand er 1948 Zeit sein Drama „Moses“ zu publizieren, in dem er die bis heute gängigen Stereotypen für die Rechtfertigung des Mitmachens im Nationalsozialismus am Beispiel des von ihm verfälschten biblischen Stoffes abarbeitete: „Pharao“ Hitler, im wesentlichen nur von „Generalvogt“ Himmler unterstützt, war ein paranoider Alleinherrscher, unter dem sogar seine engste Umgebung litt. Kollaboriert wurde um Schlimmeres zu verhüten. Und letztlich seien das eigene Volk wie auch fremde Völker gleichermaßen Opfer dieser Gewaltherrschaft geworden, die keine Spielräume gelassen habe. In seinen Schriften und wissenschaftlichen Werk betonte Hundhausen vor und nach 1945, dass Wirtschaftswerbung und PR Instrumente unternehmerischer Menschenführung seien, mit dem Ziel dem „gemeinen Nutzen von Volk und Staat zu dienen“ (S. 85).
Albert Oeckl (1909–2001) trat 1933 der NSDAP bei und wurde wenig später Mitarbeiter des Propagandaministeriums. Ab 1936 arbeitet er in der Berliner Zentrale des IG Farben-Konzerns. Im Krieg ist er zunächst nachrichtendienstlich im Amt Ausland/Abwehr tätig und wechselt 1941 zum Reichsamt für Wirtschaftsausbau, das von Carl Krauch, Aufsichtsratsvorsitzender der IG Farben und Görings Generalbevollmächtigten im Vierjahresplan für Fragen der chemischen Erzeugung, geleitet wurde. Dort ist er mit der Nutzung eroberter Rohstoffressourcen befasst und hat in diesem Zusammenhang auch mit der Rekrutierung von Zwangsarbeitern zu tun. Nach dem Krieg übernimmt er 1951 die Geschäftsführung sowie die Leitung der Pressestelle des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT) und ist 1958 Mitbegründer der Deutschen Public Relations Gesellschaft (DPRG), bis heute die berufsständische Organisation deutscher PR-Berater. 1961 geht Oeckl wieder zur Chemie-Industrie zurück. Dieses Mal zu einem der Nachfolgekonzerne der IG Farben, der Badischen Anilin- und Sodafabrik (BASF), deren PR-Chef er wird. Laut Oeckl besteht das „Hauptziel der PR in der Immunisierung der Gesellschaft gegen politische und soziale Veränderungen“ (S. 129).
Franz Ronneberger (1913–1999) zählte im Unterschied zu Hundhausen und Oeckl nicht zur Wirtschaftselite, sondern als ganz junger Karrierist zur politischen und akademischen Elite des Dritten Reiches. Als Aktivist des NS-Studentenbundes fand er schnell den Weg in Staats- und Parteiämter. 1944, auf dem Höhepunkt seiner Karriere im Dritten Reich, führte der 31-Jährige, zeitgleich zu seiner Habilitation an der Hochschule für Welthandel in Berlin, mehrere parteiamtliche Dienstbezeichnungen und übte verschiedene leitende Funktionen aus. Er war SS-Untersturmführer und hauptamtlicher Mitarbeiter des Wiener SD. Er leitete die Außenstelle Ost der Reichsstudentenführung, die Korrespondenzstelle Wien des Auswärtigen Amtes (Dienststelle Dr. Ronneberger) sowie den Nachrichtendienst der Südosteuropa-Gesellschaft (SOEG), die dem Reichssicherheitshauptamt (RSHA) unterstellt war. In seiner wissenschaftlichen Tätigkeit, als Dozent der Südost-Stiftung des Mitteleuropäischen Wirtschaftstages an der Hochschule für Welthandel in Wien sowie als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Union Nationaler Journalistenverbände (UNJ) und des „Völkischen Beobachters“, schrieb er u. a. zur Erforschung der Sozialstruktur südosteuropäischer Staaten im Hinblick auf die „Judenfrage“, die es zu „lösen“ galt. Ronnebergers zentrale Kategorie als Kommunikationswissenschaftler war zeitlebens der Begriff der „Integration“. Während er im Dritten Reich darunter „die Einordnung der südosteuropäischen Staaten und ihrer Bevölkerung in den von Deutschland beherrschten politisch-ökonomischen Großraum“ verstand, bezog sich sein wissenschaftliches Wirken in der Bundesrepublik Deutschland – er übernahm 1964 als Professor die Leitung des Instituts Publizistik (vormals Zeitungswissenschaften) an der Universität Erlangen-Nürnberg, das er in „Institut für Politik- und Kommunikationswissenschaft“ umbenannte – auf die „Massenmedien als Mittel der Integration“, wobei sein Denken immer auch die Ausgrenzung derjenigen im Blick hatte, „die nicht integriert werden sollten (Juden) oder sich der ‚Integration‘ widersetzten (Kommunisten)“ (S. 187 f.). Heinelts Studie zur Geschichte dieser bis in die Gegenwart hinein wirksamen Protagonisten der Public-Relations- und Kommunikationsforschung gehört in jede gute Bibliothek.
Autor: Wigbert Benz. Erstveröffentlichung in: Informationen für den Geschichts- und Gemeinschaftskundelehrer, Heft 71/2006, S. 75 f.
Peer Heinelt: „PR-Päpste“. Die kontinuierlichen Karrieren von Carl Hundhausen, Albert Oeckl und Franz Ronneberger (= Rosa-Luxemburg-Stiftung: Manuskripte 37. Zugl.: Marburg, Univ., Diss., 2002). Karl Dietz Verlag, Berlin 2003, 239 Seiten, ISBN 978-3-320-02936-4 oder ISBN 3-320-02936-3, EUR 9,90.