Lara (Clara Khoury) ist Palästinenserin. Vor 13 Jahren hat sie Ramallah verlassen, ist nach London gegangen und hat sich dort ein neues Leben in mustergültiger Integration aufgebaut: Ihr Ehemann, Michael, ist Engländer und verdient viel Geld in der Werbebranche, der Sohn James geht auf eine Eliteschule und spricht nur Englisch. Doch dann steht eines Tages Inam (Nataly Attiya) vor Laras Haustür, ihre Jugendfreundin aus Ramallah, die ebenfalls damals in die englische Hauptstadt zog.
Sofort ist die Spannung zwischen den beiden Frauen zu merken. Die beiden teilen eine vorbelastete Jugend. In Rückblenden zeigt der Film das Leben der Schulfreundinnen in Ramallah. Die Intifada, die strengen Familien und harten Zustände in der Schule bilden den Hintergrund zu persönlichen Grenzerfahrungen. Lara liebte ihre Freundin nicht nur platonisch und suchte Trost im Alkohol, denn die extrovertiertere Inam nahm sich lieber die Jungs vom Schulhof. Bei einem heimlichen Kinobesuch der beiden in Jerusalem kommt es zum traumatisierenden Zwischenfall mit zwei jungen israelischen Soldaten. Was an diesem Abend genau passierte, darüber sprechen Inam und Lara auch viele Jahre später nicht. Es wird aber deutlich, dass Erinnerungen und Interpretationen über zehn Jahre später deutlich differieren – Ausdruck der zwei sehr unterschiedlichen Wege der beiden Frauen.
Der israelische Wettbewerbsbeitrag des kanadisch-israelischen Regisseurs Jonathan Sagall erzählt mit der Geschichte der beiden Frauen eine bewegende psychologische Studie über Freundschaft, Missgunst, Betrug, unerfüllte Sehnsucht, Liebe und menschliche Schwächen. Das alles gelingt dem Regisseur recht gut. Der Nahostkonflikt bietet eine Art politisches Grundrauschen, das manchmal etwas irritierend laut wird. Doch die starke Präsenz der beiden Protagonistinnen macht Odem zu einem guten Film, dem viel Erfolg zu wünschen ist.
Odem
Israel, Großbritannien, 2010, 90 min
Regie: Jonathan Sagall
Darsteller: Clara Khoury, Nataly Attiya, Moran Rosenblatt, Ziv Weiner, Daniel Caltagirone
Sektion: Wettbewerb