Der deutsche Sokrates
Ein Licht warf einen Strahl – Und es ward hell.
Er sagte Dank.
Die Morgenröte zog herauf.
Wer baut die Brücke zwischen gestern und morgen
– Gedanken, Träume, Pläne aller Art?
Nur eins davon schon ist genug!
Ein Lied erklang lebendig und schön!
Wohl dir – du bist gesegnet.
Aus Teilen wird ein Ganzes.
Das Ganze jedoch ist mehr
als die Summe seiner Teile!
Da ist ein Bruch, es ist nicht alles Logik.
Philosophen haben große Einsichten,
aus großen Gedanken, schönen Träumen werden großartige Pläne:
Sie folgen dem Licht.

Moses Mendelssohn (1771, Porträt von Anton Graff, Kunstbesitz der Universität Leipzig)
Moses Mendelssohn – das ist nicht nur ein historischer Name. Er hat eine Epoche geprägt, die bis heute nachwirkt. Geboren wurde er in Dessau 1729 als Sohn eines Toraschreibers. Sein Vater entdeckte bald die große Begabung des Kindes. Sein Lehrer war Rabbiner David Fränkel. Als dieser nach Berlin berufen wurde, folgte Moses Mendelssohn ihm bald nach und erfuhr durch ihn eine große und entscheidende Förderung. Mit Fleiß, Geduld und viel Interes se erwarb er sich eine umfassende Allgemeinbildung. Mit 33 Jahren geht er die Ehe mit Frommet Guggenheim 1762 ein und begründet mit seiner Familie eine bis heute lebendige Dynastie.
Der schöpferische Denker und Gelehrte ist in die jüdische und deutsche Geschichte einge- gangen. Den Juden seiner Zeit mutete er eine Bibelübersetzung ins Deutsche zu und rief nicht wenig Protest unter den Frommen hervor. „Gut so“, meinte er. Denn wenn man nicht protestierte, wäre diese Arbeit und Mühe umsonst. Die Emanzipation bahnte sich an.
Als Freund Lessings und Förderer der Bildung brachte er neue Ideen in die bürgerliche Gesellschaft ein. Die Frage nach der Religion, so zentral sie auch für das jüdische Leben ist, wurde nur neben anderen diskutiert. Kultur, Literatur, Musik und die bewegte Zeit des Umbruchs selbst füllten die Gesprächskultur aus. Die Idee der Aufklärung fand in einer Fülle von Schriften mit ganz verschiedenen Auslegungen ihren Ausdruck.
Es war die Zeit Friedrichs des Großen, der sich selbst um die Aufklärung verdient gemacht hatte. Der preußische König nahm regen Anteil an dem Neuen in der geistigen Welt. Er hatte sich Voltaire aus Frankreich an den Hof Sanssouci in Potsdam geholt. Auch den weithin bekannten Philosophen aus Berlin wollte er einmal sprechen und lud ihn 1771 zu sich ein.
Leibniz hatte in dieser nach Erkenntnis strebenden Zeit die Akademie der Wissenschaften gegründet. Dazu gehörte, dass man Klarheit in der Erkennbarkeit von metaphysischen Wahrheiten suchte. An der Preisarbeit 1763 dazu beteiligten sich namhafte Philosophen wie Immanuel Kant, Moses Mendelssohn u. a. Wäre Mendelssohn nicht Jude gewesen, hätte man ihm den ersten Preis zuerkannt. Der König legte jedoch dazu sein Veto ein. Juden hatten bis dahin nur vereinzelt Aufenthaltsrecht. Moses Mendelssohn wurde dieses erst jetzt gewährt.
Zwei große Werke machten ihn vor allem bekannt. Das eine Buch „Phädon“ 1767 setzt sich mit Sokrates und der Frage nach der Unsterblichkeit der Seele auseinander und das andere 1783 handelt von der Bedeutung des Judentums unter dem Titel: „Jerusalem oder über religiöse Macht und Judentum“. Gotthold Ephraim Lessing setzte ihm in seinem Ideendrama „Nathan der Weise“ 1779 ein Denkmal für Humanität und Toleranz. Man fand damit den Weg für den Dialog zwischen den Religionen. Immanuel Kants Schriften verfolgten diese Richtung des Denkens, indem er die Einsicht in die tieferen, metaphysischen Zusammenhänge erforschte und aufdeckte.
Eine kurze Inschrift auf einer Marmorbüste im Centrum Judaicum Berlin ehrt Mendelssohn und fasst sein Lebenswerk zusammen: Moses mi (aus) Dessau, der Lehre der Väter getreu, ein Weiser wie Sokrates, Unsterblichkeit lehrend und unsterblich wie er.
Autorin: Beate Barwich