Ich provoziere, also bin ich (Männer Helden und schwule Nazis)
Es erscheint schon ein wenig merkwürdig und doch auch wieder so passend, dass ausgerechnet Deutschlands populärster Schwuler einen Film dreht, der den Zusammenhang von Homosexualität und Nationalsozialismus aufzuspüren versucht: Rosa von Praunheim mit seiner Dokumentation Männer Helden und schwule Nazis.
Auf eine Deutschlandflagge projiziert wird der Filmtitel zum Programm: Schwule Nazis sind deutsche Helden. Der Titel ließe sich auch variieren: Schwule Deutsche sind Nazi-Helden. So oder so, Nazis werden diesen Film lieben. Denn mit diesem Film verschafft Praunheim gerade denen Gehör, die sonst niemand anhören möchte: Schwule Männer, die ihre rechte Gesinnung oder auch ihre Mitgliedschaft in einer rechten Partei offen bekennen, Aussteiger aus der Neonaziszene, die von vergangener Faszination für Männerbünde und –gesellschaften berichten.
Sie propagieren Männlichkeit, Nationalismus und Antisemitismus – ganz im Sinne des Neo-Nazis Michael Kühnen, der in einer Streitschrift Ende der 80er Jahre behauptete, dass schwule Männer – da ohne Familie und an sie geknüpfte Verpflichtungen – die besseren Kämpfer seien, unabhängig und frei. Auch Hitler fand in den 30er Jahren, dass die „SA keine Mädchenanstalt, sondern ein Heer rauer Kämpfer“ sei. Und so wird in Männer Helden und schwule Nazis der Zusammenhang zwischen der Faszination vieler Homosexueller für Männlichkeit und Faschismus überdeutlich.
Es ist dabei nicht die Unbildung bestimmter Schichten oder die Perspektivlosigkeit ostdeutscher Jugendlicher, die uns Praunheim vor Augen führt und den Zuschauer so zu schockieren vermag, eben nicht der Rechtsradikalismus vom ´äußeren Rand´, sondern ´aus der Mitte´ unserer Gesellschaft. Durchschnittliche, normale Männer sind es, die hier porträtiert werden. Menschen, die zugleich einen großen Widerspruch leben. Für den nicht artikulierten Konflikt schwuler Nazis, einer schwulenhassenden Organisation anzugehören, lässt Praunheim in seinem Film Prof. Rüdiger Lautmann generalisierend sprechen: „Schwule wurden immer verfolgt, in allen Parteien, allen Religionen und Gesellschaften. Deshalb ist es kein Grund für Schwule, sich nicht rechten Gruppierungen anzuschließen, denn die Angst, entdeckt und bestraft zu werden, war und ist fast überall gleich.“
Dass Praunheim, Pionier des schwulen Kinos in Deutschland, auch mit diesem Film provozieren möchte, liegt auf der Hand. Denn er zeichnet hier nicht etwa das Psychogramm eines oder mehrerer schwuler Neo-Nazis oder nimmt sie kritisch ins Visier seiner Kamera, sondern bietet vielmehr eine willkommene Plattform der (Selbst-)darstellung für Neo-Nazis und Rechtsradikale. Transportiert durch zahllose Bilder von Männern in militärischen Szenen, bei messerscharfen Aufmärschen, mit nacktem Oberkörper, strammen Muskeln und glänzenden Glatzen. Diese deutsche Neo-Nazi- Gegenwart wird versetzt mit historischen Ausschnitten und Fakten über deren Idol den schwulen SA-Führer Ernst Röhm und andere schwule Nazigrößen vor 1945, mit diversen Interviews, u.a. mit Ex-Neo-Nazis wie z.B. Jörg Fischer, jahrelang aktiv bei NPD und DVU und seit seinem Ausstieg 1991 Journalist oder mit Bernd Ewald Althans, der wegen Leugnung des Holocausts jahrelang im Knast saß und heute Schwulen-Parties veranstaltet. „Höhepunkt“ sind Assoziationen, die durch die Montage von Bild und Ton entstehen, so z.B. Hitler-Paraden zu Love-Parade-Musik.
Der Film ist Politik, Sex und Pop – das ist das Tabu. Und dieses Tabu ist der Stachel, mit dem Rosa von Praunheim mitten in unsere Gesellschaft sticht.
Originaltitel: Männer Helden und schwule Nazis
Regie: Rosa von Praunheim
Drehbuch: Rosa von Praunheim
Genre: Dokumentation
Land: Deutschland, 2004
Länge: 90 min