Rosa von Praunheim bleibt politisch ambitioniert. Spätestens die Berlinale 2005 hat das dokumentiert. Denn im Rahmen dieses Festivals hat der Filmemacher in diesem Jahr gleich drei Filme in der Sektion „Panorama“ gezeigt – das ist fast sensationell. Neben seinen Dokumentationen „Wer ist Helene Schwarz?“ und „Männer Helden und schwule Nazis“ in Spielfilmlänge hat er auch einen kleinen, nicht viel länger als eine Viertelstunde dauernden, aber umso beeindruckenderen Film präsentiert: Umsonst gelebt – Walter Schwarze.
Diese Dokumentation reiht sich ein in von Praunheims Kurzfilm-Serie über Einzelschicksale schwuler Zeitzeugen, die das NS-Regime sehr unterschiedlich erlebt haben. Mit „Umsonst gelebt – Walter Schwarze“ ist ihm ein bewegendes Porträt über Walter Schwarze gelungen, den er erst als 80-jährigen Mann kennengelernt und ermutigt hatte, ihm über seine 5-jährige Haft als Homosexueller mit dem sogenannten `Rosa Winkel´ in den Konzentrationslagern Sachsenhausen und Großrosen vor der Kamera zu berichten. Überleben konnte er in diesen Jahren nach eigener Auffassung nur durch sein gutes Aussehen und diverse Krankheiten. Kurz vor Kriegsende wurde er noch an die Front geschickt und von dort in sowjetische Kriegsgefangenschaft gebracht, die 4 Jahre dauerte.
Um seine Homosexualität in der Öffentlichkeit zu verbergen, führte er zwei – zwangsläufig unglückliche – Ehen und traf erst mit über 50 Jahren den „Mann seines Lebens“, der wie er selbst aus Leipzig stammte. Sein bedeutend jüngerer Freund Ali, blieb ihm bis zu seinem Krebstod im Jahre 1998 eng verbunden. Resigniertes Fazit seines Lebens ist, dass er umsonst gelebt habe, da er nicht wie jüngere Schwule das Glück hatte, in Freiheit zu leben. Und mit dieser Aussage Walter Schwarzes ist auch ein Bogen gespannt zu Praunheims schon 1970 veröffentlichter Dokumentation „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation in der er lebt“.
Umsonst gelebt ist der fesselnde Bericht eines hochsensiblen Mannes über sein schweres Schicksal, das tiefe, irreparable emotionale Schäden hinterlassen hat: „Ich bin eine tote Seele, ein Mensch ohne jegliches Gefühl.“ Walter Schwarze kann nicht vergessen, die grausamen Erlebnisse sind bis zu seinem Lebensende omnipräsent: „Immer wieder lebt das Erlebte in mir, das ich überlebt habe.“
Dieser Kurzfilm ist viel mehr als ein Zeitzeugeninterview. Es ist ein stilles, aber starkes Porträt, und dies nicht zuletzt weil Praunheim hier nicht sich, sondern ausschließlich Walter Schwarze zu Wort kommen lässt.
Originaltitel: Umsonst gelebt – Walter Schwarze
Regie: Rosa von Praunheim
Drehbuch: Rosa von Praunheim
Genre: Dokumentation
Land: Deutschland
Länge: 18 min