KZ-Arzt Josef Mengele: Das Verschwinden des Josef Mengele aus Günzburg und die Recherchen von Olivier Guez
Herkunft und frühe Jahre
Josef Mengele wurde am 16. März 1911 als Sohn von Karl Mengele und dessen Frau in eine gut situierte Unternehmerfamilie hineingeboren. Die Familie Mengele, zu der auch Mengele und dessen Frau Walburga gehörten, lebte in der bayrischen Kleinstadt, und schon früh zeigte sich sein Interesse für medizinische Fragestellungen. An der Universität München widmete sich Josef Mengele dem Studium der Anthropologie, um sein Wissen über menschliche Erblehre und Eugenik zu vertiefen. Im Rahmen seiner akademischen Laufbahn kam er auch mit Professor Theodor Mollison in Kontakt, dessen Forschungen erheblichen Einfluss auf seine Denkweise hatten. Später setzte er seine Studien am Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie fort und knüpfte enge Bande zu Otmar Freiherr von Verschuer, der am Institut für Erbbiologie und Rassenhygiene arbeitete. Noch während seines Studiums lernte er Martha Mengele kennen, die er später heiratete. Nachdem Mengele das medizinische Staatsexamen bestanden hatte, trat Mengele der NSDAP bei und wurde zudem freiwillig zur Waffen-SS gemeldet, wo er sich aktiv in die Ideologie des Regimes einband. Für seine „Verdienste“ in den Reihen der SS wurde Mengele mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet, was sein Ansehen bei den Nationalsozialisten weiter steigerte.
Einsatz im KZ Auschwitz
Im Mai 1943 erfolgte seine Versetzung in das KZ Auschwitz, wo er als berüchtigter Mediziner in Erscheinung trat. Zuvor hatte er bereits erste Erfahrungen in anderen Bereichen der SS gesammelt, doch nun wurde Mengele ab diesem Zeitpunkt konkret in den Lageralltag des nationalsozialistischen Vernichtungsapparates eingebunden. Unter seinem offiziellen Rang als Lagerarzt von Auschwitz fungierte er rasch als einer der wichtigsten Mediziner im dortigen Konzentrationslager, das die NS-Machthaber als zentrale Stätte des Massenmords nutzten. Im Januar 1945 rückte die Rote Armee näher, wodurch die drohende Befreiung von Auschwitz für die SS und ihre Komplizen offensichtlich wurde. Zu dieser Zeit befanden sich im Lager unzählige deportiert eingelieferte Menschen – darunter Frauen und Kinder, denen Mengele in zynischer Manier „medizinische“ Aufmerksamkeit zukommen ließ. In seiner Funktion als KZ-Arzt Josef Mengele überwachte er nicht nur den gesamten Ablauf vor Ort, sondern führte mengele auch Selektionen an der Rampe durch, bei denen er entschied, welcher Insasse weiterleben durfte und wer in den Tod geschickt wurde. Dass Mengele in Auschwitz eine besondere Brutalität an den Tag legte, berichteten später Überlebende, die ihn als grausamen „Engel des Todes“ beschrieben. Nachdem die Befreiung des Lagers unmittelbar bevorstand, setzte sich Mengele auf der Flucht vor den anrückenden alliierten Truppen ab, um seiner Verantwortung für seine Taten zu entgehen.
Mengeles Zeit als Lagerarzt und sein Experiment
Mengeles Tätigkeit als Lagerarzt war von Anfang an von einer radikalen nationalsozialistischen Ideologie durchdrungen, die jegliche Menschlichkeit ignorierte. Innerhalb des Lagers war Mengele schnell gefürchtet, weil er seine Autorität dazu nutzte, medizinische Experimente zu rechtfertigen und durchzuführen. So betrieb er medizinische Experimente im Rahmen seiner Forschungen, um vermeintliche Erkenntnisse zur menschlichen Erblehre zu gewinnen, was er in Zusammenarbeit mit Otmar Freiherr von Verschuer plante. Im Fokus stand vor allem die Zwillingsforschung, die er an unschuldigen Opfern unternahm, um daraus propagandistische „wissenschaftliche“ Schlüsse zu ziehen. Selektionen im Krankenbau pflegte Mengele häufig persönlich durchzuführen und dabei wurde er regelrecht zum Inbegriff des Schreckens für die vollkommen rechtlosen Häftlinge. Experimente führte Mengele an Männern, Frauen und Kindern gleichermaßen durch, ohne dabei auch nur die geringste Rücksicht auf Schmerzen oder Folgeschäden zu nehmen. In dem Bewusstsein, dass er quasi jede Grenze überschreiten konnte, ließ Mengele seine Opfer etwa ohne angemessene Narkose behandeln oder injizierte bewusst Krankheitserreger, um „Vergleiche“ anstellen zu können. Mengeles Grausamkeit spiegelte sich in der Aussage früherer Insassen wider, die berichteten, er habe sich an den Leiden seiner Opfer nicht im Mindesten gestört – im Gegenteil, er suchte teils gezielt Menschen aus, die er als besonders interessant für seine „Studien“ einstufte.
Verfolgung und Flucht: Spuren in Argentinien
Nach der Befreiung des Lagers begann Mengeles Flucht quer durch Europa, bevor er schließlich Wege nach Lateinamerika suchte. Zunächst hielt er sich für einige Jahre versteckt, bis er im Jahr 1949 in Genua ein Schiff nach Argentinien bestieg, wo er unter falschem Namen eintraf. In Buenos Aires konnte er sich mithilfe nationalsozialistischer Unterstützernetzwerke eine neue Existenz aufbauen, wobei ähnlich verfolgte NS-Täter wie Adolf Eichmann ebenfalls in Argentinien untertauchten. Obwohl Mengele auf Fahndungslisten stand, gelang es ihm, lange Zeit unerkannt zu bleiben, weil er sich mit gefälschten Papieren bewegte. Kam Mengele in Kontakt mit anderen geflüchteten Nationalsozialisten, traf Mengele dabei oft im Verborgenen Absprachen, um die gegenseitige Verschleierung zu gewährleisten. In dieser Zeit übernahm Mengele verschiedene Tätigkeiten, die ihm finanzielle Sicherheit verschafften, und hielt sich häufig in gehobenen Stadtvierteln von Buenos Aires auf. Nachdem die Aufmerksamkeit internationaler Ermittlungsbehörden allmählich zunahm, reiste er nach Paraguay weiter, wo er erneut unter falschen Papieren lebte. Zu jenem Zeitpunkt war das Interesse an seiner Ergreifung gewachsen, doch der Haftbefehl gegen Mengele konnte zunächst nicht vollstreckt werden, da er sich in diktatorischen Regimen einen gewissen Schutz erkaufte.
Die Bedeutung der Selektion und die Menschenversuche
Die Selektion im KZ bildete für die Verantwortlichen das zentrale Instrument, um Menschenmassen gemäß der NS-Rassenideologie zu sortieren und zu ermorden. Mengele selektierte Häftlinge nicht nur bei der Ankunft im Lager, sondern auch in den Krankenstationen, was einen besonders grausamen Umgang mit kranken und schwachen Insassen offenbarte. Die Menschenversuche, die direkt an Ort und Stelle im Lagerkomplex betrieben wurden, illustrieren, wie perfide die nationalsozialistische „Wissenschaft“ im Dunstkreis der NSDAP sein konnte. Schriftsteller Ernst Schnabel, der sich intensiv mit dem unfassbaren Leid während des Zweiten Weltkriegs beschäftigte, bemerkte einmal: „Es war eine Zeit, in der jedes moralische Maß verloren ging.“ (ZITAT 1). Dabei liegt die besondere Brutalität in der Tatsache begründet, dass mengele sei nicht der einzige „Arzt“ war, der derartige Grausamkeiten ausübte – doch seine Taten stechen wegen ihrer systematischen, pseudowissenschaftlichen Methodik heraus. Im Kontext des The Holocaust kann man feststellen, wie tief die nationalsozialistische Ideologie in alle Bereiche des Lebens eingriff und jedes Mitgefühl verdrängte. Dass Mengele bis zuletzt an seinem Selbstbild als Forscher festhielt, verdeutlicht die ideologische Verblendung vieler Täter. Somit steht der Fall Josef Mengele beispielhaft dafür, wie vermeintliche „Wissenschaft“ von brutalen Regimen missbraucht wurde, um Unmenschlichkeit zu rationalisieren.
Verstrickungen und wissenschaftlicher Kontext
Nicht selten wird übersehen, dass der KZ-Arzt Josef Mengele nicht im luftleeren Raum handelte, sondern in ein Geflecht aus universitären und staatlichen Institutionen eingebunden war. Bereits vor seiner Stationierung in Auschwitz arbeitete Mengele an Projekten, die sich mit sogenannten rassehygienischen Fragen beschäftigten. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit griff er auf seine Kontakte zu Otmar Freiherr von Verschuer zurück, dessen Leitung am Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie eine Schlüsselfunktion hatte. Dort entstanden Fragestellungen, die sich direkt auf menschliche Erblehre und Eugenik bezogen und so einen Nährboden für medizinische Experimente lieferten. Experimente führte Mengele oft in direktem Austausch mit seinen akademischen Förderern durch, die unter dem Deckmantel wissenschaftlicher Forschung agierten. Innerhalb der nationalsozialistischen Hierarchie genoss er einen gewissen Status, sodass ihm viele Türen geöffnet wurden. Obwohl mengele von manchen Zeitgenossen als „brillanter Kopf“ bezeichnet wurde, ist die heutige Forschungslage eindeutig: Seine angeblichen „wissenschaftlichen Erkenntnisse“ entbehrten jeder seriösen Grundlage und richteten ungeheuren Schaden an. Gerade aus diesem Grund wird der Fall Josef Mengele in der Forschung oft als exemplarisches Beispiel erwähnt, wie leicht Mediziner in unmenschliche Verbrechen verstrickt werden können, wenn totalitäre Ideologien die Wissenschaft dominieren.
Das Verschwinden des Josef Mengele
Lange war das Verschwinden des Josef Mengele ein Mysterium, das die internationale Öffentlichkeit beschäftigte. Im Zuge dessen rückte auch die Stadt Günzburg in den Fokus, weil dort die Wurzeln der Familie Mengele lagen und weil man hoffte, in seinem Heimatort Spuren zu finden. Der Schriftsteller Olivier Guez ging in seinen Recherchen der Frage nach, wie Mengele in Günzburg wahrgenommen wurde und ob noch immer eine verschleiernde Haltung gegenüber den NS-Verstrickungen bestehe. Olivier Guez stellte fest, dass viele Bewohner der Region lange Zeit die Wahrheit zu verdrängen versuchten und nur zögerlich Auskunft darüber gaben, was während der NS-Herrschaft und danach geschah. Der bundesdeutsche Haftbefehl gegen Mengele war bereits gestellt, ebenso erfolgte eine Strafanzeige gegen Mengele, doch konkrete Hinweise auf seinen Aufenthaltsort blieben lange Zeit aus. Im Rückblick wird deutlich, dass auch der Fall Josef Mengele durch staatliche Behörden teilweise unterschätzt oder zu spät ernsthaft verfolgt wurde. Erst als die öffentlichen Debatten über die NS-Vergangenheit in den 1960er Jahren wuchsen, richtete sich der Blick verstärkt auf jene Schlüsselfiguren des Holocaust wie Mengele oder Adolf Eichmann, denen man zuvor nur halbherzig nachgegangen war. Dennoch gelang Mengele ein Untertauchen, wodurch er sich den juristischen Konsequenzen in Deutschland entziehen konnte, bis es zu seinem späteren Tod in Südamerika kam.
Nachkriegsfahndung und juristische Aufarbeitung
Nach 1949 begann die weltweite Suche nach Nazi-Verbrechern, zu denen auch Mengele und seine Verbrechen zählten. Mengele später in Brasilien festzunehmen, erwies sich aber als schwierig, da er in der Nähe von São Paulo unter wechselnden Decknamen lebte und mehrere Male umgezogen war. Im Jahr 1956 ließ sich nur schwer feststellen, ob er sich nun in Paraguay aufhielt oder längst weitergezogen war, da er immer wieder unter falschem Namen agierte. Schließlich führte ihn seine Spur nach Bertioga, einem Badeort Bertioga an der Küste, wo er sich teilweise erholte. Er hielt sich oft in kleineren Ortschaften auf, um den Ermittlern zu entgehen, und lebte weiterhin vom Geld, das er aus Deutschland mitgenommen hatte. Im Februar 1979 erlitt Mengele beim Schwimmen einen Schlaganfall und starb kurz darauf in Brasilien, genauer gesagt in der Nähe von São Paulo. Später fand man Mengeles Grab in Embu, unweit der Millionenmetropole São Paulo, was erst nach einer forensischen Untersuchung zweifelsfrei bestätigt wurde. Historiker wie der Schriftsteller Ernst Schnabel und andere Experten betonten in diesem Zusammenhang immer wieder, wie wichtig es gewesen wäre, den KZ-Arzt frühzeitig vor Gericht zu bringen, um seine Taten nicht nur historisch, sondern auch juristisch angemessen aufzuarbeiten.
Literatur
Benz, Wolfgang: Der Holocaust. München 1996.
Cesarani, David: Adolf Eichmann: His Life and Crimes. London 2004.
Götz Aly, Michael Sontheimer: Fromms – Wie der jüdische Kondomfabrikant Julius F. unter die deutschen Räuber fiel. Frankfurt am Main 2007.
Lang, Jochen von: Der Eichmann-Prozess. Frankfurt am Main 1963.
Lifton, Robert Jay: The Nazi Doctors: Medical Killing and the Psychology of Genocide. New York 1986.
Posner, Gerald L., Ware, John: Mengele: The Complete Story. New York 1986.
Rosenberg, Alfred: Mythos des 20. Jahrhunderts (historische Quelle, kritisch zu lesen).
Sereny, Gitta: Into that Darkness: An Examination of Conscience. London 1974.
Spitz, Vivien: Doctors from Hell: The Horrific Account of Nazi Experiments on Humans. Colorado 2005.
Weindling, Paul: Epidemics and Genocide in Eastern Europe, 1890–1945. Oxford 2000.
Weitere Informationen und Dokumente finden sich online unter: www.ushmm.org