Zwischen 1933 und 1944 wurde eine Reihe von Propagandafilmen produziert, die sich speziell an ein jugendliches Publikum wandte. Sollten diese Filme zunächst allgemein für die Ideologie des Nationalsozialismus werben, stand mit Kriegsausbruch die psychologische Vorbereitung auf den Kriegsdienst im Mittelpunkt. Zu diesen Filmen zählt auch Himmelhunde, der 1942 in die Kinos kam. Er spielt im Segelfliegermilieu der Hitlerjugend. Mit ihm sollten junge Menschen für die Luftwaffe begeistert werden und zugleich von der Notwendigkeit absoluten Befehlsgehorsams überzeugt werden.
Himmelhunde: Die Story
Protagonisten des Films sind der Hitlerjunge Werner Grundler, „Scharführer“ einiger Hitlerjungen und sein Vorgesetzter „Obertruppführer“ Fritz Kilian. Dieser hat mit der „D15-1315“ ein völlig neues Segelflugzeug konstruiert, ein futuristisch wirkendes Nurflügelmodell, das sich in einem Wettbewerb bewähren soll. Hitlerjunge Werner, bester und fanatischster Flieger in der Gruppe, soll es fliegen. Einen Tag vor dem Wettbewerb stellt man jedoch einen Bruch an einer Stelle im Flugzeugflügel fest. Der wäre zwar zu reparieren, doch ist ein Konstruktionsfehler nicht ausgeschlossen. Obertruppführer Kilian sagt den Wettbewerb für sein Flugzeug ab, um niemand in Gefahr zu bringen.
Doch Werner setzt sich über den Befehl seines Vorgesetzten hinweg, repariert die Bruchstelle eigenmächtig und nimmt am Wettbewerb teil. Dramaturgischer Höhepunkt des Filmes ist eine Verfolgungsjagd des unerlaubt gestarteten Fliegers vom Boden aus mit Autos. Doch alle Versuche, ihn zur Landung zu bewegen, werden von Werner ignoriert.
Mit mehr als sieben Stunden Dauerflug gewinnt er den Wettbewerb. Aber anders als erwartet, wird er nun nicht bejubelt, sondern wegen Befehlsverweigerung bestraft: Sein Sieg wird aberkannt, er erhält mit seiner ganzen Gruppe Flugverbot. Erst nach einer längeren als „Trotz“ bezeichneten Phase wird Werner wieder in die Gemeinschaft der NS-Jugend aufgenommen und darf wieder fliegen.
Produktion und Inszenierung
Produziert wurde der Streifen von der Filmgesellschaft „Terra“, die neben der Ufa und der Bavaria eine der großen im Filmgeschäft bereits vor dem Dritten Reich war. Zum Zeitpunkt der Dreharbeiten – Spätsommer 1941 – war die „Terra“ freilich keine unabhängige Gesellschaft mehr, sondern längst unter Kontrolle des Reichspropagandaministeriums.
Gefilmt wurde vorwiegend auf dem Segelfluggelände der „Reichssegelfliegerschule Hornberg“ auf der Schwäbischen Alb. Hier waren genügend Segelflugzeuge als Staffage vorhanden und junge Segelflieger der Hitlerjugend, die als Statisten eingesetzt werden konnten. Zahlreiche Laienschauspieler aus der lokalen Hitlerjugend sowie von Schulen aus der Umgebung spielten im Film mit, außerdem einige Schüler aus der NS-Eliteschule Napola in Feldafing in Bayern.
Mit dem Einsatz von echten Hiltlerjungen sollte der Film besonders authentisch wirken. Mit Himmelhunde, hieß es in der NS-Propaganda, sei der Versuch unternommen worden, „die Jugend selbst spielen zu lassen“. Die tragenden Rollen allerdings waren nicht mit Laien besetzt. Erik Schumann als Hitlerjunge Werner besuchte eine Schauspielschule und galt als ausgesprochenes Talent. Sein Vorgesetzter, der Obertruppführer Kilian wurde von Malte Jaeger gespielt. Dieser hatte wichtige Rollen in NS-Propagandafilmen gespielt wie im NS-Film „Wunschkonzert“, dem militärverherrlichenden Streifen „Unternehmen Michael“ und in dem antisemitischen Hetzstreifen „Jud Süß“. Auch der Drehbuchautor Philipp Lothar Mayring war durch Regiearbeiten bei NS-Propagandafilmen wie „Ein Mann will nach Deutschland“ oder „Patrioten“ einschlägig bekannt.
Die Uraufführung des Films fand am 20. Februar 1942 in Stuttgart und parallel in Schwäbisch Gmünd statt. Die regionale NS-Presse, die Erstaufführungen normalerweise nur aus Berlin zu vermelden hatte, war ausdrücklich „dankbar“, daß „der Segelfliegerfilm der Terra in der Gauhauptstadt des Schwabenlandes, dem traditionellen Land der Segelfliegerei, seine Reichsuraufführung erleben durfte“.
Wie bei nationalsozialistischen Propagandafilmen üblich, wurde auch die Aufführung der Himmelhunde zu einer pompösen Parteiinszenierung genutzt. Der Ufa-Palast in Stuttgart wurde eigens mit NS-Symbolik „geschmückt“. Im Vorraum des Kinos wurde ein originales Segelflugzeug aufgebaut, „Ehrenstürme“ des NSFK (Nationalsozialistisches Fliegerkorps) und der Hitlerjugend marschierten in Formationsstärke auf. Von der Bühne begrüßte das „Jungvolk“ mit Fanfarenklängen die anwesende Partei- und Politprominenz, die sich reichlich eingefunden hatte. Allen voran der württembergische Gauleiter und Reichsstatthalter Murr, der Befehlshaber des Wehrkreises V, General Oßwald, NSDAP-Kreisleiter Fischer, der Stuttgarter Oberbürgermeister Strölin und andere.
Zynisch genug: Als Vorfilm läuft „Außer Gefahr“, ein Film über Flugabwehr und die Evakuierung von Kindern aus den bombenbedrohten Städten.
Propaganda im Film
Die propagandistische Absicht spricht der Film in einer Sequenz mit erstaunlicher Offenheit aus. Ein hoher NS-Funktionär wendet sich an die versammelten Segelflieger der Hitlerjugend: „Der beste Nachwuchs für die beste Luftwaffe der Welt. Denn die Segelflieger sind die Kampfflieger von morgen.“ Ganz im Sinn des propagierten Ideals eines draufgängerischen künftigen Bomber- oder Stukapiloten haben die jungen Segelflieger im Film auch ihre eigene Hymne: „Mit einem Flieger ist das nicht zu machen – denn es gibt doch keinen, der ihn unterkriegt.“
Mit Himmelhunde sollte den jungen Kinozuschauern aber auch die Notwendigkeit absoluter Disziplin vermittelt werden. Denn Nachdenken über die verbrecherischen Befehle konnte das NS-Regime 1942 noch weniger gebrauchen als zuvor.
Gerade wegen des unbedingten Befehlszwangs und Drills gab es in der HJ verbreitet Unzufriedenheit. Für viele Jugendliche war die HJ in der Frühzeit vor allem wegen der sportlichen, technischen Aktivitäten und dem Gemeinschaftserleben attraktiv. Mit der Installierung der Hitlerjugend als Zwangsorganisation aller Jugendlichen und ihrer – besonders nach Kriegsbeginn – immer stärkeren Ausrichtung auf vormilitärische Ausbildung wuchs der Druck. Viele empfanden die Mitgliedschaft in der HJ vor allem als Zwang.
Der propagandistisch raffinierte Trick an Himmelhunde ist, daß diese Unzufriedenheit in einer erstaunlich offenen Weise thematisiert wird: Als Hitlerjunge Werner wegen seines Befehlsverstoßes seine Flugerlaubnis entzogen bekommt, stellt er mit deutlichen Worten das ganze Befehlssystem der HJ in Frage. Er habe, als er die Maschine gegen das Verbot geflogen und gesiegt habe, das für die Kameraden getan. Das sei besser als nur Befehle zu befolgen. „Ich mach nicht mehr mit, ich will raus aus der HJ“, verkündet er von der Leinwand. Und er formuliert Kritik an seinen Vorgesetzten, denen „Disziplin alles, und Kameradschaft nichts ist“. Kameradschaft sei in der HJ nur ein „Schwindel“, in Wahrheit laufe alles nur nach dem Motto: „Befehl ist Befehl, und wenn er noch so saudumm“ ist. Eine Kritik, die freilich in der realen HJ kaum offen ausgesprochen werden konnte – ebenso wenig wie ein Austritt aus dem Zwangsverband Hitlerjugend möglich gewesen wäre.
Den jungen Zuschauern mit ihrer latenten Protestneigung wird durch die Identifikationsfiguren auf der Leinwand ein Ventil gegeben.
Freilich wird in Himmelhunde auch die mögliche Kritik an der HJ in den Rahmen der nationalsozialistischen Weltanschauung integriert. Dazu werden alle möglichen Konflikte auf einen Grundsatzkonflikt zwischen „Kameradschaft und Disziplin“ reduziert, um diesen dann in einer NS-typischen Scheinlösung aufzuheben. Denn der Befehlende, so wird an Werners Vorgesetztem Kilian gezeigt, sei immer der, der voraussieht und seine „Befehle nicht zum Spaß gibt“. Nur durch seine Führung werde die Kameradschaft überhaupt zusammengehalten.
Ohne daß es auch nur ansatzweise psychologisch plausibel gemacht wird, beugt sich Werner schließlich dem Disziplingebot seines Führers und kehrt in die Fliegergemeinschaft zurück. Die Kamera zeigt die nun wieder fröhlich versammelten Hitlerjungen gemeinsam mit ihrem Führer Kilian beim Neubau eines Segelfliegers: Bedingungslose Unterordnung unter einen Befehl und das glückliche Aufgehobensein in einer Gemeinschaft, so die beabsichtigte Wirkung der Bilder, sind kein Widerspruch, sondern setzen sich gegenseitig sogar voraus. Nicht die Logik, sondern die Emotionen der jungen Menschen im Kino werden hier angesprochen.
NS-Führer Kilian kann dann solchermaßen durch die Filmhandlung vorbereitet mit aller Deutlichkeit die NS-Moral formulieren: „Schweinehunde, die erst nach den Gründen eines Befehls fragen, anstatt ihn unter allen Umständen auszuführen, können wir nicht brauchen.“
Aufnahme des Films
Im Kino war Himmelhunde kein besonderer Erfolg. Außerhalb Süddeutschlands wurde er vielfach gar nicht, oder nur in wenigen Aufführungen gespielt. Bei der Hitlerjugend und bei Flugschülern wurde er aber noch bis Ende des Krieges eingesetzt.
Von der filmhistorischen Forschung nach dem Krieg wurde er ebenfalls wenig beachtet. Er ist aber ein wichtiges Dokument, wie die NS-Propaganda gezielt Jugendliche anzusprechen versuchte. Zu den weiteren Spielfilmen, die sich vor allem an ein jugendliches Publikum wandten, gehören „Hitlerjunge Quex“ (1933), „Ich für dich, du für mich“ (1934), „Jakko“ (1941), „Jungens“ (1941), „Junge Adler“ (1944).
Autor: Dr. Bernd Kleinhans
Literatur
Hoffmann, H.: Und die Fahne führt uns in die Ewigkeit. Propaganda im NS-Film, Frankfurt a.M. 1988.
Kleinhans, B.: Himmelhunde – ein schwäbischer NS-Propagandafilm, uraufgeführt vor 61 Jahren, Schwäbische Heimat 54 (2003), S.204-209.
Klönne, A.: Jugend im Dritten Reich. Die Hitlerjugend und ihre Gegner, Köln 1999.