
Hell’s Angels. Land: USA 1930. Regie: Howard Hughes, James Whale. Sektion: Berlinale Classics 2025. Datei: 202501494_1. © Universal Pictures
Das Vermächtnis einer amerikanischen Legende
Bei der Premiere 1930 war „Hell‘s Angels“ nicht der erste Film seiner Art, aber bis heute gilt der Streifen mit dem deutschen Titel „Höllenflieger“ als die Mutter aller Fliegerfilme. Zwischen anderen ersten Frühwerken dieses Genres ragte er mit den Dimensionen eines heutigen Blockbusters von Anfang an heraus. Die Produktion der 127 Minuten langen „Hell´s Angels“ dauerte rund vier Jahre, ließ über 1700 Statisten antreten und kostete für damalige Hollywood-Zeiten einzigartige vier Millionen US-Dollar – etwa 75 Millionen nach den Maßstäben von 2025. Auch wenn in den Goldenen Zwanzigern das Geld in den USA im Überfluss sprudelte, waren nur wenige in der Lage und zugleich willens, so einen Film zu finanzieren und in der folgenden Weltwirtschaftskrise auch noch zu vollenden. Wahrscheinlich sogar nur ein einziger: Howard Hughes.
Howard Hughes ist eine amerikanische Legende. Als schwerreicher Erbe im Ölgeschäft setzte er sich in jungen Jahren drei Ziele: Er wollte der beste Golfer, der beste Flieger und der berühmteste Filmproduzent der Welt werden. Das letzte Ziel erreichte er mit „Hell´s Angels“ zumindest zeitweise. Für die Hauptrollen verpflichtete Hughes nur Top-Schauspieler der späten 20er-Jahre: Ben Lyon oder James Hall und Shooting-Star Jean Harlow, die nach den schwarzhaarigen Vamps der Stummfilmzeit mit platinblondem Haar, Erotik und Schlagfertigkeit eine neue Ära des Hollywood-Frauentyps einläuten sollte, die teilweise bis heute wirkt. Daneben war der Regiestuhl für einen der wichtigsten Regisseure des Jahrzehnts reserviert: Marshall Neilan. Doch der gab schnell auf angesichts der Vorstellungen, die Hughes von dem fertigen Film hatte. Also übernahm Howard Hughes selbst die Regie und brachte sich noch an anderer Stelle in den Film ein.
Die Geschichte von „Hell´s Angels“ spielt unter den Fliegern des Ersten Weltkriegs. Sie blickt auf beide Seiten der Front zwischen England und Deutschland. Dem von der Fliegerei besessenen Hughes genügt es jedoch längst nicht, sich auf die Dramatik von durch Krieg und Gefühlen zerrissenen Menschen am Boden zu konzentrieren. Für ihn sollten die Luftschlachten des Kriegs eine mindestens ebenso große Rolle im Film einnehmen. Er kaufte über 80 originale Flugzeuge – Jagdflieger, Bomber und sogar einen Zeppelin – zusammen oder ließ sie nachbauen und choreographierte waghalsige Luftkämpfe mit den Maschinen. Bei den ersten Drehs mit ehemaligen Kampfpiloten an Bord verloren gleich drei erfahrene Flieger ihr Leben. Für die große Schlussszene, ein letztes Duell in den Wolken, wollte kaum noch ein Pilot der Crew ins Cockpit steigen. Da sprang wieder Hughes ein, flog, filmte, stürzte ebenso ab, brauchte anschließend aber „nur“ plastische Chirurgie für seinen zerschmetterten Kiefer. Wiederhergestellt konnte er „Hell´s Angels“ nach vielen Jahren schließlich vollenden und lockte zur Premiere des ersten Blockbusters der Filmgeschichte rund eine halbe Million Menschen auf den Hollywood Boulevard.
„Höllenflieger“ erzählt die Geschichte der beiden englischen Brüder Monte (Ben Lyon) und Roy Rutledge (James Hall) sowie ihres deutschen Studienfreunds Karl (John Darrow). Im Ersten Weltkrieg stehen sich die drei plötzlich als Gegner gegenüber. Doch auch zwischen den Brüdern gibt es tiefe Konflikte. Sie sind zwei vollkommen verschiedene Typen – Roy besonnen und ruhig, Monte ein Draufgänger. Noch vor Kriegsausbruch bringt das beide in Schwierigkeiten, die für Roy in einem Duell mit einem von Monte gehörnten Ehemann enden. Roy überlebt und hofft später auf die Liebe der attraktiven Helen (Jean Harlow). Die will aber lieber Monte verführen und der gibt ihren Avancen nach etwas Zögern wegen seines Bruders schließlich nach. Später wird Roy Helen noch einmal begegnen. Betrunken zerstört sie dabei seine letzten schwärmerischen Illusionen.
In der Zwischenzeit tobt der Krieg. Monte und Roy melden sich freiwillig bei der englischen Luftwaffe, dem Royal Flying Corps. Für Roy bedeutet der Militärdienst eine patriotische Pflicht, für Monte nur ein weiteres Abenteuer. Karl, ihr alter Freund aus Studientagen in Oxford, wird derweil von der deutschen Luftwaffe eingezogen und an Bord eines Zeppelins eingesetzt. Er erhält den Auftrag, London zu bombardieren. Zur Verteidigung steigen englische Jagdflieger auf – zwei davon steuern Roy und Monte. Sein Gewissen hindert Karl, die Mission zu erfüllen, doch es kommt trotzdem zu einem Luftkampf. Dabei wird Monte abgeschossen.
Er überlebt, verändert sich jetzt aber von Grund auf. Unter seinen Fliegerkameraden gilt er bald als Feigling. Roy will nicht zusehen, wie der Ruf seines Bruders leidet und überredet ihn zur freiwilligen Meldung für einen heroischen, aber schier aussichtslosen Kampfauftrag. Die beiden schaffen die Mission Impossible, werden auf dem Rückweg jedoch abgeschossen und geraten in Gefangenschaft. Weil sie zur Tarnung mit deutschen Hoheitsabzeichen und Uniformen unterwegs waren, droht ihnen statt Kriegsgefangenschaft direkt der Tod durch Erschießung – außer sie verraten ihre Heimat und deren Militärgeheimnisse. Monte ist dazu bereit, während Roy lieber sich und seinen Bruder opfern will …
In der Kategorie „Beste Kamera“ wurde „Hell´s Angels“ einst für einen Oscar nominiert. Die Luftkampfszenen bewerten Filmfans auch in unseren Tagen noch als spektakulär. Dass sie schon vor rund hundert Jahren realisiert wurden und trotz schwarz-weißer Bilder mit nur einigen Zwei-Farben-Kolorierungen wie der Prototyp von „Top Gun“ und Co. wirken, macht die Faszination dieses Films aus. Handlung oder die Zeichnung der Charaktere bleiben – wie oft auch in der Moderne – hinter diesen Momenten zurück. Von Kritikern gab es dafür wie für das ihrer Meinung nach uneindeutige Wandeln des Films zwischen heroischem Pathos und Antikriegs-Statement vernichtende Urteile. Der Popularität von „Hell´s Angels“ hat das jedoch nie geschadet. Mehr als 20 Jahre lief der Streifen in den amerikanischen Kinos und spielte über acht Millionen US-Dollar ein. Die „Höllenflieger“ wurden zum kommerziellen Erfolg und einem Meilenstein der Filmgeschichte, den man definitiv einmal gesehen haben sollte.
Hell’s Angels – von Howard Hughes (Regie), James Whale (Regie), Howard Estabrook (Buch), Harry Behn (Buch)mit Ben Lyon, Jean Harlow, James Hall, John Darrow, Lucien Prival / 127′ / USA 1930 / Schwarz-Weiß & Farbe / Englisch, Deutsch / Untertitel: Deutsch
Berlinale 2025 – Sektion Berlinale Classics