Biografien aus der Zeit des Nationalsozialismus
Das in Frankfurt am Main ansässige Fritz Bauer Institut veröffentlicht ab dem 7. November die bundesweite Großplakatkampagne »Biografien aus der Zeit des Nationalsozialismus«. Die vierteilige Plakatreihe war bis Mitte Februar 2004 auf mehreren tausend Plakaten in Berlin, Frankfurt und München zu sehen.
Die Plakatreihe stellt vier verschiedene Personen im Kontext des Nationalsozialismus vor. Es werden Opfer, Menschen, die Zivilcourage bewiesen haben und Täter gezeigt: Auf einem Plakat erfährt der Betrachter vom Schicksal von Renia und Dawid Kohn, zwei Geschwistern, die 1943 in Auschwitz ermordet wurden. Ein anderes zeigt Blanka Speier, die 1939 vor den Nationalsozialisten nach England fliehen konnte. Irene Block, die 1942 eine jüdische Bekannte in ihrer Wohnung versteckte, wird auf einem dritten Plakat vorgestellt. Schließlich wird der Betrachter mit dem Bild eines Täters konfrontiert, mit Jürgen Stroop, der im Jahr 1943 maßgeblich an der Vernichtung des Warschauer Ghettos und seiner Menschen beteiligt war.
Stets beschreibt ein kurzer Satz die Geschichte des dargestellten Menschen, diese Information soll das Interesse an der dargestellten Person wecken, soll den Betrachter zur Beschäftigung mit dem Thema anregen.
Die textliche Information korrespondiert mit der bildlichen Darstellung der Menschen: Prägendes Element der Plakatreihe sind die silbern gedruckten historischen Fotografien der dargestellten Personen. Durch diese Drucktechnik sind die vorgestellten Personen je nach Lichteinfall teils deutlich, teils weniger deutlich zu sehen. Der vorübergehende oder -fahrende Betrachter wird stets den Eindruck eines kurzen Erinnerungsschimmers haben. Und eben die Notwendigkeit dieser Erinnerungsarbeit soll die Kampagne unterstreichen, sie soll den Betrachter für dieses Kapitel der deutschen Vergangenheit sensibilisieren und sein Interesse an der Arbeit des Fritz Bauer Instituts wecken.
Die vom Berliner Grafiker Christoph Bebermeier gestaltete Kampagne wurde beim renommierten Wettbewerb »Sappi – Ideas that matter« für ihre inhaltliche und grafische Qualität ausgezeichnet. Der Papierhersteller Sappi honoriert diese Leistung mit der Umsetzung der Kampagne. Das Budget liegt bei 50.000 Euro, die Plakate werden in einer Gesamtauflage von 1600 18/1-Plakaten im Siebdruck produziert. Vor wenigen Tagen wurde die Plakatreihe „Biografien aus der Zeit des Nationalsozialismus“ in die Plakatsammlung der Österreichischen Nationalbibliothek aufgenommen.
Der mehrfach international ausgezeichnete Diplom-Kommunikationsdesigner Christoph Bebermeier arbeitet seit Mitte 2002 als selbstständiger Grafiker in Berlin. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in der Gestaltung von Erscheinungsbildern, Zeitschriften und Plakaten. Der inhaltliche Schwerpunkt seiner Arbeit liegt im kulturell-politischen Themenbereich. Er hatte bereits das Erscheinungsbild für das Fritz Bauer Institut entworfen, auf dem die Kampagne aufbaut.
Das Fritz Bauer Institut
Das Fritz Bauer Institut ist eine Stiftung bürgerlichen Rechts. Stifter sind das Land Hessen, die Stadt Frankfurt am Main und der Förderverein Fritz Bauer Institut e.V. sowie die Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. So prominente Mitglieder wie Hannelore Elsner, Sabine Leuthäuser-Schnarrenberger, Rita Süßmuth, Monika Wulf-Matthies, Alfred Biolek, Hilmar Hoffmann und Wolfgang Thierse gehören dem Förderverein an.
Das Institut trägt den Namen des ehemaligen hessischen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer, der ein demokratischer Justizreformer und u.a. Initiator der Frankfurter Auschwitz-Prozesse war. Fritz Bauer verstand die NS-Prozesse als notwendige Selbstaufklärung der deutschen Gesellschaft. Das Fritz Bauer Institut ist dem geistigen und politischen Erbe Fritz Bauers verpflichtet.
Der Erziehungswissenschaftler und Philosoph Prof. Dr. Micha Brumlik leitet seit 2000 diese Einrichtung, an der derzeit 15 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beschäftigt sind. Als »Studien- und Dokumentationszentrum zur Geschichte und Wirkung des Holocaust« ist das Institut ein Ort wissenschaftlicher, pädagogischer und künstlerischer Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik und ihrer Wirkung bis in die Gegenwart. In Deutschland ist diese Arbeit einzigartig. Sie verbindet Erforschung, Dokumentation und Gedenken mit einer zukunftsgerichteten Pädagogik im schulischen und außerschulischen Bereich. Eine sozialwissenschaftlich fundierte Didaktik der Zeitgeschichte soll auch künftige Generationen für die Menschenrechte sensibilisieren. Über die reine Gedenkkultur hinaus besitzt die Arbeit des Fritz Bauer Instituts damit hohe gesellschaftspolitische Relevanz.
Seit dem 17. November 2000 ist die Einrichtung offiziell als Bildungsträger anerkannt und arbeitet als selbstständiges Kulturinstitut international mit zahlreichen wissenschaftlichen Forschungsstätten, Gedenkstätten und Museen zusammen. Seit April 2001 wird diese Arbeit ergänzt durch die an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main eingerichtete »Interdisziplinäre Gastprofessur zur Geschichte und Wirkung des Holocaust«.
Autor: Redaktion Zukunft braucht Erinnerung
Links
Website des Fritz Bauer Institutes
www.fritz-bauer-institut.de
Website des Kampagnengestalters
http://www.bueroweiss.de/shoa/