Max Reinhardts Humanitäts-Konzept
Seit dem Beginn seiner deutschen Bühnenkarriere führte Shylock ein Doppelleben: als Täterfigur, deren Anderssein antisemitisch akzentuiert wurde – und als Opfer, das die Anerkennung als Mensch einklagt.
Antisemiten wie Philosemiten bedienten sich der oszillierenden Figur für einander denkbar ausschließende Ziele. Jede Aufführung des Kaufmann von Venedig geriet somit, so Armin Kuckhoff, zum „Lackmustest für die sogenannte deutsch-jüdische Symbiose.“
Der Test wurde häufig in der kurzen Zeitspanne der Weimarer Republik durchgeführt.[1] Gegenüber der Jahrhundertwende änderte sich die Versuchsanordnung erheblich. Die – so Hans-Peter Bayerdörfer – „programmatische Beanspruchung des Stück für den Antisemitismus“[2] steigerte sich. Der antisemitische Zugriff ereignete sich auf der Bühne vorerst nicht mehr. Er manifestierte sich jedoch während der Shakespeare-Euphorie im Germanisierungsprogramm des Barden und bekanntlich in den zunächst eher verdeckten, gegen Ende der zwanziger Jahre unverblümt rassistischen Kommentaren zu Inszenierungen des Stücks und ihrer Mitwirkenden.
Dem Kanon der zeitgenössischen Rezensionen[3] vertrauend, vertraten zwei Theatergiganten die diametral entgegengesetzten Auffassungen über die Symbolfigur der Symbiose: Max Reinhardt und Fritz Kortner.[4]
Max Reinhardts Inszenierungen der zwanziger Jahre waren Kassenmagneten und beeinflussten die szenische Kaufmann-Rezeption der zwanziger Jahre nachhaltig. Fritz Kortner spielte den Shylock 1927 in Fehlings Inszenierung, deren Konzept er wesentlich beeinflusste.
Welche Antworten die Inszenierungen im Kontext der jeweils aktuellen „deutsch-jüdischen Symbiose“ gaben, möchte ich anhand ihrer jeweiligen Dramaturgie, Rollenkonzeption, Szenographie und Spielweise untersuchen.
Reinhardts Kaufmann-Inszenierungen der Weimarer Republik stützen sich – wie Braulich hervorhebt – grosso modo auf die Inszenierung, die am 9.11.1905 im Deutschen Theater Premiere hatte. Aufgrund ihrer Funktion als Leitmodell konzentriere ich mich auf diese Inszenierung und benenne anschließend einige Variationen der nachfolgenden Inszenierungen.
Hervorgehoben wurde in Rezensionen sowohl der ersten Kaufmann-Inszenierung als auch derjenigen der Weimarer Republik, dass Reinhardt mit der Inszenierungstradition und –konvention der Zeit brach.
Vier tradierte Konzepte standen zur Auswahl:
Shylock als Schurke des Lustspiels oder der hohen Komödie: Sein Rachebedürfnis nutzt die venezianische Gesellschaft für ein Spiel, in dem Shylock als befremdliche Verlachfigur und Störenfried vorgeführt wird: Shylock, ein „böser Wolf im Märchen“.[5]
Eine zweite Lösung gibt Shylock, „das Tier“, „den Teufel“ das Rollenfach des dämonischen Intriganten, dessen sich die venezianische Gesellschaft nur mit Mühe entledigt.
Durch Heines Interpretation von 1839 wandelte sich die Figur allmählich zum tragischen Helden.[6] Ansätze dafür gab es allerdings schon mit Schröders Shylock im Kontext einer Rachetragödie 1777. Der Konflikt zwischen Juden und Christen verlagerte sich in den Konflikt zwischen „Unterdrückern und Unterdrücktem“. Gegen Shylocks unmäßiges, jedoch verständliches Rachebedürfnis steht die unmenschliche, im Zynismus der Taufe gipfelnde Ausgrenzung.
Aus der Rachetragödie[7] entwickelte sich die von Bayerdörfer so bezeichnete „philosemitische Interpretation“[8]. Sie führte zur Streichung des fünften Akts da das happy ending der Venezianer dieser Auffassung zufolge unvereinbar mit Shylocks Rehabilitierung schien. Vor allem dieses Modell war Ende des 19. Jahrhunderts und darüber hinaus in den Zwanziger Jahren Konvention.[9] Es fällt auf, dass lediglich Heines und die philosemitische Interpretation das Postulat einer prinzipiellen, unüberwindbaren Fremdheit Shylocks minderten. An diesem Aspekt setzte Reinhardt an.
![]() |
Reinhardt näherte sich dem Stück von den extremen Polen seiner Rezeptionsgeschichte, indem er das märchenhafte Lustspiel mit der Rachetragödie verband. Damit stellte er sich der Problematik, das glückliche Ende und die tragischen Zerstörung Shylocks in einen Zusammenhang zu bringen. Bei der Rehabilitierung der Shakespeareschen Dramaturgie wirkte ein dramaturgus technicus mit: die Drehbühne übernahm eine kommentierende Funktion. Der große Radius von 20 Metern und die nahezu geräuschlose schnelle Bewegung erlaubten eine plastische Architektur des szenischen Raums und schnelle Szenenwechsel mit filmisch anmutender räumlicher Illusion und „einer Unmittelbarkeit, […] die den Apparat völlig vergessen ließ.“[10] |
Der szenische Raum bot ein opulentes Ambiente aus „venezianischen Gässchen mit ihren stimmungsvollen Durchblicken, den Mosaikbildern und Heiligenstatuen an düsteren Palästen, der gedrängten Architektur und den kleinen kühn geschwungenen Brücken.“ [11]
![]() |
Anleihen an das Venedig der Renaissance wurden mit dem zeitgenössischen, exotisch angehauchten Bild vom sogenannten „Alt-Venedig“ überblendet. Ein weiteres Verfremdungselement enthob den szenischen Raum jedweder historischen Festlegung und topographischen Authentizität. |
Ein Kritiker konstatiert den „Anachronismus, die Verfallenheit des heutigen Venedig mit den ruinenhaften Palästen der Seitenkanäle in die Renaissancezeit […] hineinzudichten.“[12]
![]() |
Reinhardt schuf somit einen betont künstlichen Illusionsraum, der die Fabel des Stücks im Irgendwo eines märchenhaften Ambientes ansiedelte. Die dynamische Verknüpfung der Schauplätze muss hervorgehoben werden, da sie nicht nur den Eindruck soghafter Illusion erzeugte, sondern auch die dramaturgische Ziellinie unterstützte. |
Was die Wirkung durch die rasche Folge kleiner Szenen, durch die rasche Wandlung der Bilder an dramatischer Wucht verliert, das gewinnt sie an Klarheit, Stimmungslyrik und Feinheit. Bisher machte jede Aufführung den Eindruck, als sei das Werk eine Tragödie mit Possenspiel gemengt. Jetzt erst erscheint das Ganze als das, was es ist, als ein freies ästhetisches Spiel mit Ernst und Scherz, das durch spielende Grazie den Zuschauer berücken und ihn gerade dadurch für eine feinere Menschlichkeit gewinnen will.[13]
![]() |
Die Diskrepanz von Tragödie und Possenspiel wurde in der bisherigen Inszenierungstradition durch Szenenverwandlungen bei geschlossenem Vorhang noch verstärkt, der gleichsam die Zäsur der Lebensorte und somit auch Lebenswelten bildete. |
![]() |
Über die schnelle Szenenverwandlung verknüpfte Reinhardt Belmont, das reiche Venedig und die Ghettowelt Shylocks, die sich in ihrer äußeren Gestalt nicht von der Typisierung Venedigs als einem Gewirr aus engen Gassen, Kanälen und Brücken abhob. Shylocks Haus: Außenansicht |
|
Am Bühnenaufriß kann man erkennen, dass Shylocks Lebenswelt gleichsam mit der Sicht auf das ganze Venedig überblendet wurde. Dass dieses Segment des szenischen Raums nicht allein als isolierte jüdische Lebenswelt angezeigt wurde, verdeutlichte auch die Geräuschkulisse, die mit jeder in der Stadt spielenden Szene anhob. Aus dem Regiebuch Reinhardts: Tierstimmen – klirrende Geräte – dann einzelne Rufe der Gondolieri – mehr und mehr Stimmen – schließlich der aufbrausende Menschenlärm […][14] |
Die Opsis modifizierte also das exotisierte, märchenhafte Venedig zum symbolischen Universum, in dem Trennendes überbrückbar schien.
Die Raumdramaturgie kündigte also schon an, dass Reinhardt das Possenspiel um Shylock in den Rang eines Klassikers des humanistischen Welttheaters versetzte, was sich natürlich auf die Rollenkonzeption auswirkte.
![]() |
Die Kostüme der Venezianer einschließlich Jessicas waren der Renaissance nachempfunden. Zur Fertigung des phantastischen, orientalisch anmutenden Kostüms Shylocks muss jedoch ein Schneider aus einem Märchen aus Tausendundeiner Nacht entsprungen sein. Porzia, Bassanio |
![]() |
Das Photo lässt als Zeichen der oktroyierten Markierung von Fremdheit den ‚gelben Fleck’ erkennen, der in Ringform aufgestickt ist. Ob das politische und ethnische Diffamierungsmerkmal vor dem gemusterten Hintergrund des Kostüms für das Publikum überhaupt erkennbar war, ist fraglich. Signifikanter – wenngleich ebenfalls konventionell – ist die Maske. Die langen Barthaare und Schläfenlocken verweisen auf die Einhaltung der religiösen Gesetze, womit zumindest die religiöse Differenz Shylocks deutlicher ersichtlich war als der gelbe Fleck, das Merkmal ethnischer und sozialer Ächtung. Dabei kokettierte die Schminkmaske mit der Ästhetik des Hässlichen, wie man an der Zahnlücke erkennen kann, die übrigens als tradiertes Attribut der Figur bis zu Kortners Darstellung des Shylock fortlebte. Im Gegensatz zum Helden der Rachetragödie und zur Lustspielfigur der hohen Komödie spielte – so Jacobsohn – „Schildkraut […] keinen Werwolf […]. er spricht kein Mitleid an für seinen Juden und lässt doch kein Lachen aufkommen.“[15] Im Gegensatz zu den dämonischen Theaterahnen, die Mitterwurzer und Possart figuriert hatten, konzentrierte sich die Gestaltung dieses Shylocks auf ‚psychologische Glaubwürdigkeit‘. Kritiker hoben die „echte Menschendarstellung“[16] hervor und betonten, dass Schildkraut kaum „Spezifisch Jüdisches“ anspiele. |
Dies dürfte wohl eher als Anspielung darauf gewertet werden, dass Schildkraut die Rolle ihrer antijüdischen Stereotypisierung entriss, die bis dahin vorherrschte.[17] Nichtsdestoweniger wurde die jüdische Identität offenbar betont. Fritz Engel konstatierte:
„Kein Zweifel, er will sich, ohne seinem Glauben untreu zu werden, assimilieren. Er möchte mit diesen feinen christlichen Großkaufleuten gern in Frieden und friedlichem Geschäft leben. Selbst in Sprache und Bewegung sucht er sich den Landessitten anzuschmiegen. Er spricht ziemlich ruhig und gesetzt. Erst wenn er gereizt wird, verfällt er in den Jargon, und seine Arme schneiden wütend die Luft.“[18]
Der sogenannte Jargon diente nicht zur Konstruktion oder Wahrung eines prinzipiellen Unterschieds zwischen Shylock und den Christen, sondern zur Verdeutlichung der Problematik jüdischer Identität in feindlicher Umwelt. Der Bruch mit der tradierten Rollenkonzeption manifestiert sich besonders in der Gerichtsverhandlung. Schildkraut griff auch hier nicht zu Patterns der Stereotypisierung einer jüdischen Bühnenfigur.
![]() |
Shylocks „Judengelaß“ |
![]() |
Reinhardts Strategie bestand offensichtlich in der Zurücknahme der Erfindung des Anderen, die die bisherige Rezeption so stark geprägt hatte. So wurde denn auch im fünften Akt der Liebesdialog zwischen Lorenzo und Jessica um die Passagen gestrichen, die die Ausgrenzung Shylocks einmal mehr variieren („der Mann hat keine Musik in sich selbst“, V,1). Belmont |
Jessicas Flucht bereitet jeder Merchant-Inszenierung Probleme, die Shylock nicht als antisemitische Projektion darstellt. Die Inszenierung motivierte die Flucht über die Dramaturgie der Ausstattung. Sie kontrastierte die weiträumige, luxuriöse Einrichtung Belmonts mit dem dagegen eher ärmlich wirkenden Ambiente in Shylocks Haus. Hierzu fand – offensichtlich erstmals in der Merchant-Rezeption – eine bedeutende Veränderung des Schauplatzes statt: Die Szene, in der Jessicas Flucht zur Sprache kommt (II,3), spielte sich im Haus ab:
„Daß das Mädchen aus diesem dumpfen, engen Judengelaß hinausstrebt, hinausstreben muß in die lichte Welt da draußen, das erscheint […] durch dieses düstere Bild als etwas Naturnotwendiges.“[19]
Die Motivation für die Flucht ergibt sich somit aus der sozialen Paria-Situation. Das Interieur war mit kostbaren Pfandstücken bestückt. Angesichts der Figuration des Shylock ist anzunehmen, dass die Inszenierung das assoziierbare christlich-antisemitische Stereotyp bewusst zitierte, um es umzuwerten. Mit Goffmann gesprochen, eröffnete Reinhardt eine „Hinterbühne“, die Einblick in Shylocks Lebenswelt gab. Der Kontrast von „Gelaß“ und aufgetürmtem Luxus verweist auf die Zerrissenheit eines Fremden, der mit der venezianischen Gesellschaft die Lust am Luxus teilt, in ihrer Kultur jedoch noch nicht angekommen ist oder aber keinen Platz hat.
Es ist festzustellen, dass Reinhardt eine stark appellative Strategie verfolgte, die auf allen Ebenen der Szenographie und der Rollenkonzeption die Merkmale unüberbrückbarer Differenz minimierte, um letztendlich aus der Perspektive der humanistischen Tradition zu argumentieren. Dass gemeinsame Menschennatur religiöse und kulturelle Grenzen überwinde, war die Botschaft.
Die Menschennatur Shylocks, die im Monolog durch die Gleichheit des natürlichen Körpers belegt wird und somit die Gleichberechtigung der Lebensbedingungen einfordert, wurde durch die Hinzufügung einer Szene demonstriert: Shylock entdeckt Jessicas Flucht sowie den Raub der Juwelen. Der Blick auf die verzweifelte Figur sollte die Menschennatur hinter der Hässlichkeit der exotisierten, fremden Maske erkennen lassen. Die jüdische Klagegeste – Schildkraut zerriss das Gewand – und der Verzweiflungsschrei konterkarierten somit den Racheschwur. Die Klagegeste als Sichtbarmachung größter Trauer verdeutlichte vor allem, dass „Jüdisches“ und „Menschliches“ sich nicht ausschlossen.
Diese emphatische Stoßrichtung der Inszenierung konnte allerdings nur dann aufgehen, wenn der Anlass zur Entrechtung Shylocks nicht auf unüberbrückbaren sozialen und religiösen Gegensätzen basierte. Reinhardt führte ein paradox anmutendes Novum ein: Um Shylock ins rechte Licht zu rücken, mussten auch seine Richter rehabilitiert werden. Die Inszenierung proträtierte deshalb die Venezianer als leicht dekadente, laute und karnevalistische jeunesse dorée mit kindlicher Laune und Leichtsinn. Reinhardt inszenierte die Gerichtsverhandlung als last minute rescue, die die Spaßgesellschaft die Auswirkung ihrer Inhumanität am eigenen Leib verspüren ließ. Dieses Konzept wäre ohne den fünften Akt nicht möglich, denn nur dieser konnte über die Folie der enttäuschten und wieder versöhnten Liebesbeziehungen die grundsätzliche Fähigkeit der Venezianer zur Humanität unter Beweis stellen. Shylock musste gleichsam geopfert werden, um die verschüttete Menschlichkeit der Gemeinschaft zu bergen.
![]() |
Reinhardts allgemeinmenschliches Märchen wurde am 8. November 1918 mit Alexander Moissi im Deutschen Theater, und am 12. März 1921 mit Werner Krauß wieder inszeniert. Während Moissi der Rollenkonzeption Schildkrauts folgte, verstärkte Krauß die Ästhetik des Hässlichen und Komischen. Alfred Kerr pointiert: „Sichtbarlich spielt er Plakat“. Monty Jacobs führt aus: „Werner Krauß ist zwar durch eine Welt von jenen Darstellern geschieden, die den Wucherer von Venedig die Patriarchenluft des weisen Nathan ahnen lassen. Sein Shylock, ein jugendlicher Vater, rotbärtig, ruhelos und zum Lachen bereit, kommt in einem schlingernden Gang matrosenhaft daher. Ist er überhaupt ein Jude? Krauß versagt sich fast jedes billige Merkmal der Rasse. Shylock ist ihm in erster Reihe der Plebejer und in Antonio haßt er nicht den Christen, sondern den Kavalier.“ (Archiv Steinfeld) |
Das rote Barthaar, der schmierig-schwarze Kaftan und die Kippa verweisen auf die englische Darstellungskonvention der Figur.[20] Deutlich ist auch hier der Ewigkeitszug der Fabel. Reinhardt torpedierte sie in die Zeitlosigkeit mithilfe ausgestellter Künstlichkeit, die hierbei auch über die verstärkte Theatralität der Kostümierung erzeugt wurde. Das Bühnenbild verwies auf ein illyrisches Nirgendwo eines symbolischen Ortes gemeinsamer Lebenswelt.
Die Gerichtsszene wies eine vergleichsweise stärkere Brutalität auf: Shylock wurde mit Fußtritten aus dem Gerichtssaal verjagt. Nichtsdestoweniger stützte sich auch diese Inszenierung auf die Mitleidsethik des Bildungstheaters. Waren die Darstellungsmittel hinsichtlich der Erniedrigung Shylocks gröber, so auch die seiner Verzweiflung. Das Prinzip der ethnischen, kulturellen und religiösen Differenz wurde zugunsten der Etablierung des sozialen Konflikts zwischen dem ‚underdog’ und der arrivierten venezianischen Trägerschicht minimiert.
![]() |
Dasselbe Konzept bestimmte die Wiener Inszenierung im Theater in der Josefstadt mit Kortner in der Rolle des Shylock. Auch er wurde in die Aktualitätsferne eines Gewands gehüllt, das zeitgenössische Stereotypen der Markierung des Anderen vermied. |
Wiederum wurde Venedig als symbolischer Ort der Überbrückung inszeniert: diesmal aus Platzgründen in Form einer ‚vertikalen Drehbühne’, einer Periaktenbühne mit drei Türmen. Kortner gab wie Krauß der Figur weniger „liebenswürdige Konturen“, wie Rezensionen vermerken – doch beide Darsteller spielten die – Zitat – „Dämonie“ in der Gerichtsszene aus, so dass der tragische Wendepunkt die humanistische Vision der jüdisch-deutschen Gemeinschaft beflügelte.
Eine weitere, häufig erwähnte Inszenierung war der Kaufmann an der Berliner Volksbühne 1924. Fritz Holl führte Regie, Alexander Granach als Shylock folgte ebenfalls dem Konzept Reinhardts. Bezeichnenderweise enthält das Programmheft einen Beitrag von Gustav Landauer und Ludwig Marcuse. Landauer erinnerte an Heines Interpretation und stützte somit die Linie der Inszenierung. Marcuse zog sie mit kräftigen Strichen nach durch einen Artikel, der das Prinzip der Versöhnung im Gnadenspruch Porzias hervorstrich, ohne auf die rabulistische Unmenschlichkeit ihres Urteilsspruchs näher einzugehen.
Reinhardts Inszenierungskonzept wurde neben der Konvention, den fünften Akt zu streichen, in den zwanziger Jahren häufig imitiert und als Modell gepriesen.[21] Vorbildcharakter erhielt die Inszenierung nicht nur aufgrund ihrer überdurchschnittlichen Aufführungszahl, sondern auch wegen ihrer zahlreichen Tourneen im In- und Ausland.[22] Angesichts dieses Erfolges stellt sich die Frage, aus welchen Gründen das in wilhelminischer Zeit entwickelte Konzept auch zum Leitbild für Inszenierungen während der Weimarer Republik avancierte. 1905 galt es, die antisemitische Bühnenrezeption zu verdrängen, was zeitweise gelang. Die ‚Botschaft’ der Inszenierung knüpfte überdies an realen Hoffnungen auf eine „deutsch-jüdische Symbiose“ an. Deren theatrale Symbolfigur Nathan erhielt nun Gesellschaft durch Shylock, wobei der Unterschied betont werden muss: Lessings Stück nimmt die Symbiose im Reich des Ästhetischen vorweg, während Reinhardts Perspektive auf Shylock die positive Utopie einforderte.
Dass das Reinhardt’sche Modell vom Verfallsdatum nahezu befreit schien, ist einerseits dem Virtuosentum geschuldet. Hochkarätig besetzt, waren sämtliche Kaufmann-Inszenierungen Kassenschlager. Und sie blieben es auch an Theatern, die mittlerweile von anderen Intendanten übernommen wurden, da der Inszenierungsbestand Reinhardts selbst während der Inflationszeit als Publikumsmagnet wirkte und somit finanzielle Sicherheit garantierte. Bis in die dreißiger Jahre erreichten seine Kaufmann-Variationen über 300 Aufführungen, lagen also über dem üblichen Durchschnitt, der zwischen 50 und 80 Aufführungen einpendelte.[23] Überdies überstand die Tradition des humanistischen Welttheaters den Wechsel des politischen Systems, obwohl der Humanitätsgedanke das Feld zunehmend dem Antisemitismus überließ.
Schon 1905, dem Zeitpunkt der ersten Kaufmann-Inszenierung Reinhardts, wurde die Diskrepanz zwischen Utopie und Wirklichkeit aufgeworfen. Die Kritik an der Realitätsferne und Unzeitigkeit begleitete das Konzept von Anfang an. 1905 verwies ein Rezensent auf Pogrome in Russland und stellte somit die Verhältnismäßigkeit des inszenierten Märchens zur Realität jüdischer Lebens- und Verfolgungswelten in Frage. Angesichts der Prolongierung des Inszenierungsmodells forderte Alfred Kerr 1921, die venezianische Gesellschaft so zu inszenieren, wie sie sei: „lauter Schubiake“.
Kortner: Spiegel des Antisemitismus
Kerr lieferte gleichsam das Stichwort für Fritz Kortners Konzeption. Er rehabilitierte nicht nur Shylock, sondern konfrontierte die Vision einer gewandelten Gesellschaft mit deren Realität. Kortners dramaturgische Grundidee entspricht derjenigen, die Kerr der Reinhardt’schen Konvention entgegensetzte. „Dieses Stück muß man von seinem Gegenteil spielen.“
Kortners Shylock von 1923 lässt einige Aspekte dieser Tendenz verspüren. Er übernahm den Part in einer Inszenierung der „Truppe“, die sich auf Berthold Viertels Initiative als Mitbestimmungstheater gegen das Starsystem formiert hatte. Das Ensemble sollte in kubistischer Ausstattung und Kostümierung agieren und sich der Artistik des Tairoff-Stils anschmiegen. Das Konzept, Figurinen statt Figuren zu gestalten, setzte auf Depersonalisierung und Abstrahierung: Anstelle der dramatisierenden Vermenschlichung der Konflikte sollte der Antisemitismus als immanentes Prinzip der zeitgenössischen Gesellschaft ausgestellt werden. Viertel errechnete das Kalkül offenbar ohne den Schauspieler: In der ersten Kostümprobe erschien Kortner „in einer schwarzen Tonne, die nur noch die Unterarme freiließ. Nach den ersten Sätzen zerfetzte er … seine Zwangsjacke und zog ein eignes Kostüm an.“[24] In der Premiere trug Kortner einen gelben Mantel.[25] Er streifte Shylock den ‚gelben Fleck‘ als zweite Haut über und trug somit die oktroyierte Ausgrenzung als gewissermaßen naturalisiertes Zeichen zur Schau. Die Premierenkritiken verweisen auf die auffällige Akzentuierung des projizierten Anders-Seins, das sich von Reinhardts Konzept, prinzipielle Differenzen einzudämmen, verabschiedete. Die Akzentuierung Shylocks als Zerrbild antisemitischer Projektion zählte offenbar zum wesentlichen Bestandteil der Rollenkonzeption:
„Ein Shylock ohne Humor, ohne das Herz des jüdischen Vaters, ohne Geistesverwandtschaft mit dem weisen Nathan. Nur blutrünstiger Wucherer, der in den Gebetmantel wie in einen Geldsack eingenäht ist.“[26]
Monty Jacobs Beschreibung der Rollenkonzeption bekräftigt:
„Er steht da, wulstig in den gelben Mantel gewickelt, wie der böse Popanz, drohend, recht nach dem Sinn des Shakespeareschen Märchens, der „Mann, der nicht Musik hat in ihm selbst“, mitten unter den Harmonischen. … So unterschlägt Kortner die Bestie nicht, auch wenn er den Menschenschmerz schluchzen lässt. … Seltsam, wenn ihm vor dem Dogen, wie einem Tiger, ein Röcheln aus der Kehle bricht … wenn er am Schlusse fortkriecht, abwärts, wie in ein Dickicht, dann ist die Illusion des wunden Tieres da …“[27].
Die Überblendung des Entrechteten mit einem verwundeten Tier veranschaulichte die Endgültigkeit eines Ausgrenzungsprozesses. Zumindest die Rollenkonzeption wies den Gedanken der Symbiose von sich. Kortners Lesart verlieht der Figur ein problematischeres Gewicht. Franz Köppen beschreibt die Umwertung der Figur. Shylock sei durch Kortner „einer, an dessen Ohr eine salbungsvolle Predigt über die ‚Gnade’ ungehört und eindruckslos vorübergehen muss, weil er und seine Sippe und seine Rasse von einer praktischen Bestätigung so schöner Worte, von einem sozialem Christentum der Tat nie etwas erfahren haben.“[28]
Als Paul Simon 1929 in der „Jüdischen Rundschau“[29] empfahl, die deutschen Juden sollten aufgrund der gescheiterten Symbiose nicht Nathan, sondern Shylock zum Vorbild wählen, schwebte ihm sicherlich nicht Reinhardts Figurenkonzeption vor Augen. Die Vision der Läuterung einer Gesellschaft, die Shylock als Opfer zur Korrektur bedarf, war angesichts der zunehmenden antisemitischen Gefährdung Makulatur. Die Duldung, auf die der Symbiose-Gedanke hinauslief, entpuppte sich nicht als Lösung, sondern als Teil des Problems jüdischen Lebens in Deutschland: Im Begriff der Duldung schwingen Ausgrenzung und Abstufung schließlich mit.
Reinhardts Inszenierungsmodell erheischte die Anerkennung, die Shylock in die Worte fasste: „Hat nicht ein Jude Augen, Hände…“ Die Gleichheit der körperlichen Natur bot die Grundlage des Appells, die feindliche Perspektive auf den ‚Anderen‘ in den Respekt gegenüber seines Anders-Seins zu verwandeln. Damit war jedoch eine Verständigungsgrundlage geschaffen, die die rassistische Ideologie nicht im mindesten betraf. Sie unterscheidet vom christlich-sozialen Antisemitismus besonders die Zurückweisung der gemeinsamen Menschennatur. Das folgende Zitat einer antisemitischen Position liest sich in unserem Kontext wie eine Replik auf Shylocks Plädoyer:
„Es ist völlig egal, ob der Jude gut oder schlecht ist. Er ist minderwertige Rasse und daher nicht tragfähig.“
![]() |
An diesem Aspekt falscher Hoffnung setzte Fritz Kortner an. In Jürgen Fehling fand er einen Regisseur, der seiner Rollenkonzeption nur teilweise zustimmte, weshalb auch diese Inszenierung von Brüchen der Figurenkonzeptionen geprägt war. Wenn jedoch die Figur Shylock Brüche aufwies und – wie Ihering sagt – ihre Maske ständig wechselte, so war dies Absicht. In einem risikoreichen Spiel repräsentierte Kortner einen „Ghettojuden“ von zeitgenössischer Aktualität, entriss die Shylock-Figur ihrer exotistischen Repräsentation und widerrief ihre Verabschiedung aus der Tagespolitik. |
![]() |
Monty Jacobs stellte darüber hinaus fest, dass auch Tubal als „Ghettojude aus Warschau, nicht aus Venedig“ repräsentiert war. Shylock erschien somit nicht als Einzelkämpfer ohne sozialen Rückhalt, sondern als Teil der jüdischen Gemeinschaft.[30] Eine weitere Rezension vermerkt: „Kortner … peitscht zu Aufruhr. Jedwedes Zeitgewand ist abgestreift. Diesen Shylock Kortners, wie er sich kleidet, wie er sich gibt, trifft man heutigen Tages in der Dragonerstraße in Berlin.“[31] |
Kortner zitierte damit das umstrittene Bild des Ostjuden, das eine virulente Rolle sowohl im jüdischen als auch antisemitischen Diskurs spielte.
Die Anbindung der Kunstfigur an die Aktualität wahrnehmbarer Fremdheit überblendete sich mit einem bewusst denaturisierten Shylock, einer Figuration, die Kortner aus Elementen antisemitischer Stereotypen fügte: Beschreibungen verweisen auf die changierende Spielweise. Shylock wurde einerseits als verstehbare Täterfigur und Stellvertreter des Judentums repräsentiert:
„Ein Shylock vielfältiger, boshafter Humore, um den aber Mauern der Verinsamung gezogen sind. Ein Shylock, dem man nicht glaubt, dass er seiner Jessika kein zärtlicher Vater sei. Ein Shylock, zu dem sich die Judengemeine hält.“[32]
Andererseits spielte Kortner auf das antisemitische Zerrbild an. So schreibt der „Vorwärts“:
„Die Dämonie des Hasses, das Austoben einer ungezügelten Rasse gegen den christlichen Widersacher findet bei Kortner schaurigsten Ausdruck. Unheimlich sein Aeußeres, seine Verschlagenheit, seine gedämpfte Wut, das Schwelen einer unterdrückten Leidenschaft. Wenn er den Inbegriff seiner Gedanken, das Wort Geld fast singend und inbrünstig – G-held – hinausruft, dann kriecht uns das Entsetzen an. Aber dieser Shylock packt nicht im Innersten, weil er nur anwidert.“[33]
In der Gerichtsszene mündete die schillernde Überblendung der Figur in eine schockierende Aktion:
„Niemals ist dieser Bedränger seinem Opfer so nahe auf den Leib gerückt wie hier. Denn Shylock wetzt sein Messer nicht wie alle Shylocks an der Schuhsohle, er bereitet sich auch umständlich zum Schächten vor. Sein Kaftan wird an den Nagel gehängt, eine zerschlissene Weste kommt zum Vorschein, und Shylock nähert sich, das Messer in der Hand, mit funkelnden Augen dem Kaufmann Antonio.“[34]
Durch diese als völlig neu empfundene Figuration provozierte Kortner die Selbstentlarvung, die in den nationalkonservativen und antisemitischen Protesten den tatsächlichen Stand der vermeintlichen Symbiose vor Augen führte. Im Rahmen der Fiktion treibt der kompromisslose Täter Shylock die Venezianer dazu, ihre karnevalistischen Masken abzusetzen und das inhumane Antlitz zu entblößen.
Diese neue Konzeption verdeutlichte sich auch im Moment des Gnadenappells von Porzia im fünften Akt. Kortner spielte das Zögern Shylocks offenbar so aus, dass diese Sequenz von Alfred Kerr besonders hervorgehoben wurde:
„Kortner spielt das Gegenteil. Auch die Bergner [als Porzia] spielt einiges davon. […] Sie redet ihm (warnend, nicht lieblos) ins Gewissen. […] Er scheint Gefallen an ihr zu finden, der Alte, Gehetzte, Tapfere. Wie auf eine Enkeltochter guckt Fritz Kortner wunderbar einen Augenblick auf sie. Gesegnetes Kleinchen. Wer weiß – wenn sie früher gekommen wäre … Nein: auch wenn sie früher gekommen wäre.“[35]
In Verbindung mit dem von Kantilenen getragenen fünften Akt wurde deutlich, dass für die Venezianer Unmenschlichkeit gegenüber dem Ausgegrenzten und aufopfernde Liebesfähigkeit gegenüber den privilegierten Dazugehörigen keine Gegensätze darstellen.
Shylocks Verwünschung der Venezianer wurde auf diese Weise zur Anklage an die zeitgenössische Gesellschaft. Anspielend auf rassistische Übergriffe, begann das Tribunal gegen Shylock auf offener Straße:
„Die Halle öffenet sich nach der Straße hin, und über eine Kanalbrücke hinweg verfolgt der Blick den Kläger Shylock beim Anmarsch wie beim Abmarsch. So sind die Zuschauer auf der Bühne keine Kriminalstudenten, sondern wirklich Volk, wie es aus der Werkstatt fortgelaufen ist. Volk aber hat das Recht zur Parteinahme, und Fehlings Venezianer wissen Gebrauch davon zu machen. Sie pfeifen und heulen, sobald der Jude die Halle betritt, sie lassen den hohen Raum von ihrem Jauchzen bersten, wenn Antonio durch Porzias Trick von seinem Verfolger erlöst wird.“[36]
Eine bezeichnende Geste Kortners aktualisierte Shylock in besonderer Weise:
„Am Schluss, im Zusammenbruch, heult in diesem Shylock noch einmal alle Wildheit auf. Er schleudert seinen Gebetsriemen auf die Erde: der Haß bäumt sich auf. Aber er schreitet über die Kanalbrücke, das Haupt im Gebetsmantel verhüllt, in der Majestät des Schmerzes.“[37]
Gegenüber vorheriger Shylock-Variationen gab Kortner ein deutliches Signal. Wie Bayerdörfer darlegt, wehrte er sich implizit gegen die jüdische Assimilation und die damit verbundenen fragwürdigen Ansprüche der deutschen Gesellschaft. Kortner verteidigte dagegen das Prinzip des Unterschieds, als Voraussetzung der Freiheit der jüdischen Minderheit innerhalb der Gesellschaft. Die provozierende Darstellung des Shylock demonstrierte in einer Imitation der nahen Zukunft, dass dieser Utopie das Moment des „Zu spät“ eingeschrieben war.
Autor: Dr. Markus Moninger. Der Text entstand als Vortrag: Visionen – Stereotypen jüdischer Identität in den 1920-ern. November 2001
Anmerkungen
[1] z.B. 1929: 19 Inszenierungen mit rund 300 Aufführungen.
[2] Hans-Peter Bayerdörfer: „Shylock auf der deutschen Bühne nach der Shoah.“ In: Johannes Heil und Bernd Wacker (Hg.): Shylock? Zinsverbot und Geldverleih in jüdischer und christlicher Tradition. Tübingen. 261.
[3] Vgl. die Gegenüberstellung, die Kortner zum einen selbst vornimmt: ;
[4] Auf die Problematik dieser oppositionellen Gegenüberstellung, die nicht zuletzt Kortner in seiner Autobiographie zementierte, komme ich im Abschnitt über theaterhistoriographische Aspekte noch zurück (Druckfassung).
[5] Diese Interpretation rückte Shylock bisweilen in die Nähe des Rollenfachs des komischen Juden. Iffland charakterisierte 1811 die Figur – wie Zelter formuliert – als komischen, „knotigen lausigen Wasserpolacken“ mit den entsprechenden gestischen, mimischen und sprachlichen Patterns, die das komische Rollenfach aufbot. Zit. nach Ernst Leopold Stahl. 221. Zu den Patterns vgl. Neubauer: Juden auf der deutschen Bühne.
[6] Heinrich Heine: „Shakespeares Frauen und Mädchen.“
[7] Rellstab, Haake, Funk, 347-353. 347-
[8] Shylock nach der Shoah
[9] Vgl. die Kritik zu Holls Kaufmann (eigene Kopie)
[10] Alfred Klaar: 303.
[11] Alfred Klaar: 303f.
[12] Alfred Klaar: 304.
[13] Hart: 309.
[14] Max Reinhardt. Zit. nach Heinrich Braulich: Max Reinhardt: Theater zwischen Traum und Wirklichkeit. Berlin 1969. 86.
[15] Jacobsohn. 4.
[16] Alfred Klaar, zit. in Fetting: 306.
[17] Hart, 310.
[18] Engel, 313. Vgl. auch Anon.: Berliner Abendlbatt. 11.9.05.
[19] Hart, 309.
[20] Vgl. Hermann Sinzheimer: Shylock – die Geschichte einer Figur.
[21] Belege: Shakespeare-Jahrbücher der 20-er. S. auch Jürgens in der alten Artikelfassung Reinhardts Inszenierung löste eine weitere, ungewohnte Welle von Inszenierungen des Kaufmanns als Lustspiel in märchenhafter Ansiedlung der Fabel scheinbar jenseits tagesaktueller Diskurse aus. Ein Beleg für die allmähliche Einsickerung dieser „Höhenkamm-Inszenierung“[21] im alltäglichen Theaterbetrieb ist die Regiekonzeption des Regisseurs Jürgens, die 1920 an prominenter Stelle, nämlich im Shakespeare-Jahrbuch, veröffentlicht wurde. Der Provinzregisseur Jürgens ist zweifellos von Reinhardts Konzeption geprägt, nimmt jedoch entscheidende Veränderungen gegenüber dem Vorbild vor. Shylock ist ihm zufolge eine Figur, in der sich „alle Tugenden und Fehler des jüdischen Nationalcharakters aufs glücklichste“ vereinigen. Jürgens: „Die Inszenierung von Shakespeare’s Lustspielen.“ In: Shakespeare-Jahrbuch. Jg. 56 (1920). 19-23..21. Damit entstand schon eine markante Umwertung. Ist in Reinhardts Inszenierung Shylock der Mensch dargestellt, schleicht sich hier die ethnische Argumentation wieder ein.
[22] Die Inszenierung aus dem Jahre 1905 erreichte 200 Aufführungen. Summiert mit den Neuinszenierungen, ergibt sich eine relativ hohe Aufführungszahl von 363. In der Rangliste der erfolgreichsten Inszenierungen Reinhardts nimmt der Kaufmann den zweiten Platz nach dem Sommernachtstraum ein. Im Durchschnitt brachten es konventionelle Inszenierungen des Stücks auf ca. 50–80 Aufführungen.
[23] Nach den Statistiken des Shakespeare-Jahrbuchs ca. 60-80 Aufführungen pro Inszenierung.
[24] Aufricht zit. in: Sigline Bolbecher, Konstantin Kaier, Peter Roessler (Hg.): Traum von der Realität: Berthold Viertel. Wien 1998. 115.
[25] Monty Jacobs
[26] ta. Archiv Dr. Steinfeld.
[27] Monty Jacobs
[28] Köppen. Archiv Dr. Steinfeld.
[29] Ernst Simon: „Lessing und die deutsche Geschichte.“ Jüdische Rundschau, 22.1.1929. Republiziert in: Ders.: Brücken: Gesammelte Aufsätze. Heidelberg 1965.
[30] Hans-Peter Bayerdörfer verweist im Zusammenhang mit Zadeks Burgtheater-Inszenierung des Kaufmann darauf, dass Tubal die wichtige Funktion übernimmt, Shylock nicht als Einzelfigur, sondern als Repräsentant der jüdischen Gemeinschaft darzustellen.
[31] Frankfurter Zeitung
[32] Frankfurter Zeitung
[33] Vorwärts
[34] Monty Jacobs
[35] Kerr.
[36] Monty Jacobs
[37] Monty Jacobs