Der offizielle Titel „Vierjahresplan“ wurde im Rahmen Verordnung zur Durchführung des Vierjahresplans am 18. Oktober 1936 durch Adolf Hitler gewählt. Damit wurde vermutlich eine bewusste propagandistische Abgrenzung zu den sowjetischen Fünfjahresplänen gesucht. Auch in der Zielsetzung unterschieden sich beide Programme deutlich voneinander. Während der sowjetische Fünfjahresplan einen groß angelegten zivilen Aufbau im Blick hatte und die militärischen Komponenten eine untergeordnete Rolle spielte, war der Vierjahresplan explizit auf die Erreichung der Kriegswirtschaft und die Steigerung der Angriffskapazitäten der verschiedenen Armeebestandteile ausgelegt. Verantwortlich und federführend in der Durchführung war Hermann Göring, welcher zudem den Titel „Generalbevollmächtigter für den Vierjahresplan“ erhielt. Im Zuge der Organisation der Wirtschaft wurde zudem eine Oberste Reichsbehörde geschaffen, welche in der Höchstphase bis zu 20.000 Menschen beschäftigte. Der Name „Vierjahresplan“ ist irreführend, da es sich nicht um den ersten Vierjahresplan handelte. Laut Göring wurde der erste Vierjahresplan bereits 1933 nach der Machtübernahme durch Adolf Hitler verkündet und beinhaltete damals die Wahlversprechen, sowie eine verstärkte militärische Aufrüstung.
Ziele des Vierjahresplanes bis 1940
In seiner Denkschrift formulierte Hitler die Ziele des Vierjahresplanes in zwei prägnanten Punkten:
1. „Die deutsche Armee muss in vier Jahren einsatzfähig sein.“
2. „Die deutsche Wirtschaft muss in vier Jahren kriegsfähig sein.“
Als Begründung wurde herangeführt, dass das Reich überbevölkert und somit eine Erweiterung des Lebensraumes zwingend notwendig sei. Zwar wurde ein Angriff auf die Sowjetunion aus politischen Gründen nicht explizit erwähnt. Aber in Verbindung mit dem Parteiprogramm und der ideologischen Ausrichtung des dritten Reiches war der Krieg mit der Sowjetunion das implizite Ziel. Laut Göring hatten alle Maßnahmen so zu erfolgen, als wenn ein Krieg kurz bevor stünde. Auf die Wirtschaft des Reiches hatte der Vierjahresplan massive Auswirkungen. Um die Ziele erreichen zu können, musste eine größtmögliche Autarkie hergestellt werden können. Ein Unterfangen, das selbst nach damaligen Maßstäben so gut wie unmöglich war. Aus diesem Grund wurde nicht nur die Beschaffung von Ressourcenquellen durch gewaltsame Übernahme von Land, sondern auch die Erforschung von Substitutionsgütern stark forciert. Weiterhin wurde klar formuliert, dass eroberte Gebiete der Versorgung des Reiches zu dienen hätten. Damit war eine bewusste Ausrichtung der Kriegswirtschaft hin zu einer Raubwirtschaft gegeben. Das berühmte Devisenkommando, welches direkt nach dem Einmarsch in die angegriffenen Ländern einen Zugriff auf die Zentralbanken und damit auf die Goldreserven des Landes sichern sollte, wurde ergänzt durch Maßnahmen zur Ausbeutung der Bevölkerung und der Ressourcen des Landes.
Auswirkungen auf die besetzten Gebiete
Es ist unmöglich, den Vierjahresplan des Dritten Reiches nicht aus einer ideologischen Perspektive zu betrachten und diese sogar in den Vordergrund zu stellen. Es gab eine klare rassistische Beurteilung der besetzen Gebiete und der darin lebenden Bevölkerung, welche in die wirtschaftlichen Planungen mit einbezogen wurde. Während Länder wie Österreich zum Reich gehörten, waren Länder wie Frankreich, die Niederlande und Belgien besetzte Gebiete. Die drei genannten waren vom wirtschaftlichen Stellenwert her relativ wertvoll und erhielten auch mehr Zuteilungen bei den Lebensmitteln. Zudem wurde die Bevölkerung nicht so stark drangsaliert, allerdings unterdrückt. Österreich wurde hingegen als dem Reich gleichwertig betrachtet und ideologisch, wie wirtschaftlich voll integriert. Die Länder in Skandinavien hatten einen Sonderstatus und waren ideologisch eher „arische Brudervölker“. Auch sie genossen vergleichsweise hohe Zuteilungen an Nahrungsmitteln und Ressourcen. Anders sah es hingegen in den östlichen Ländern aus. Polen, Tschechien und die östlichen Bündnisstaaten wurden als Sklavenvölker, oder aber lediglich ärgerliche Notwendigkeit, mit der Option der späteren Übernahme gesehen. Daraus resultierte nicht nur ein verstärkter und erzwungener Abfluss von Ressourcen aus diesen Regionen. Auch Arbeitskräfte wurden zwangsrekrutiert, oft bewusst mit dem Hintergrund der Ausrottung der dortigen Menschen und Lebensweisen. Diese wurde nicht nur in Kauf genommen, sondern faktisch auch durch die Ideologie des NS-Staates explizit eingefordert.
Der Vierjahresplan nach 1941
Während die politischen und militärischen Entwicklungen des Vierjahresplans bis 1940 weitestgehend als erfolgreich zu betrachten sind, trat im Zuge des Angriffs auf die Sowjetunion eine grundlegende Änderung ein. Dabei ist zu beachten, dass der Vierjahresplan an sich einfach unter dem Titel weitergeführt wurde und offiziell nie einer Neufassung bedurfte. Auch das hat vermutlich einen propagandistischen Hintergrund und sollte als deutliche Abgrenzung zur zentralisierten Planwirtschaft der Sowjetunion dienen. Der bisherige Vierjahresplan fußte auf einer Art künstlichen Marktwirtschaft mit starkem Dirigismus, während die neuen Gebiete wirtschaftlich durch deutsche Unternehmen aus dem Reich erschlossen werden sollten. Der Angriff auf die Sowjetunion legte den Fokus weniger auf die Entwicklung von Rüstungsindustrie, sondern vielmehr auf die maximale Ausbeutung der besetzten Gebiete. Daraus resultierte eine deutlich verstärkte und unmenschliche Politik der Ausbeutung in allen besetzten Ländern, wobei auch hier wieder die ideologischen rassistischen Aspekte berücksichtigt werden müssen. Die Oberste Reichsbehörde wurde mit einer eigenen Abteilung für die Ostgebiete ausgestattet, die ausdrücklich die Zielsetzung zur maximalen Ausbeutung der Gebiete hatte. Hungertote, sowie Massenversklavungen waren dabei übliche Mittel. Die Kompetenzen der Obersten Reichsbehörde waren dabei sehr umfassend und wurden im Laufe der Zeit immer stärker erweitert.
Ökonomische und soziale Einordnung des Vierjahresplans
Der Vierjahresplan war aus realökonomischer Sicht ein Desaster. Es handelte sich hierbei eher um ein Werkzeug, mit der die nationale Wirtschaft mit großem Erfolg auf Kriegswirtschaft umgestellt werden konnte. In der realen Ökonomie fällt vor allem in das Auge, dass der Vierjahresplan zu einem faktischen Staatsbankrott des Reiches führte. Dieser konnte nur abgewendet werden, indem die besetzten Gebiete maximal ausgebeutet wurden. Das NS-Regime war folglich faktisch zu Eroberungen gezwungen, um seine kurzfristigen und langfristigen Ziele erreichen zu können. Das Ziel der Autarkie wurde nie erreicht und auch in der Hinsicht des Aufbaus einer „arischen freien Marktwirtschaft“ verdrängten die Elemente der zentralen Planung immer mehr die freie Ökonomie. Experten sind sich uneins darüber, wie bei einem Erfolg der Nazis die weitere Wirtschaftspolitik ausgesehen hätte. Die Umwandlung von Kriegsproduktion, hin zu einer Konsumgüterproduktion wäre wohl sehr schwergefallen und der Staat hätte alle relevanten Bereiche immer fest im Griff gehabt. Aus sozialwissenschaftlicher Sicht hätte die erfolgreiche Durchführung des Vierjahresplanes bis zum Endsieg hin keine wesentlichen Veränderungen erbracht. Das NS-Reich wäre eine Gesellschaft, in der lebensunwertes Leben aus unterschiedlichen Motiven zur Sklavenarbeit bis zum Tod verpflichtet gewesen wäre. Eine typische Gesellschaft mit Sklavenhaltung, bei der diese einen nicht unwichtigen Teil zum wirtschaftlichen Erfolg des Gesamtreiches beigetragen hätten.
Autorin: Martina Meier
Literatur
Benz, Wolfgang / Hermann Graml /Hermann Weiß: Enzyklopädie des Nationalsozialismus, München 1997.
Benz, Wigbert / Bernd Bredemeyer / Klaus Fieberg: Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg. Beiträge, Materialien Dokumente. CD-Rom, Braunschweig 2004.
Kammer, Hilde / Elisabet Bartsch / Manon Eppenstein-Baukhage / Manon Eppenstein- Baukhage: Lexikon Nationalsozialismus, Berlin 1999
Das Dritte Reich Werner Maser / Taschenbuch / Erschienen 1997.
Das Dritte Reich im Überblick. Chronik. Ereignisse. Zusammenhänge. Martin Broszat, Norbert Frei / Taschenbuch / Erschienen 1989.