Kroatien war bis zum Ende des Ersten Weltkrieges ein Teil der Österreichisch-Ungarischen Monarchie. Nach dem Zerfall der Monarchie im Jahre 1918 wurde das Königreich Serbien, Kroatien und Slowenien gegründet und am 3.10.1929 in Jugoslawien umbenannt. Die Juden, zahlenmäßig eine kleine Minderheit, genossen volle Gleichberechtigung. Sie wurden zum wichtigen Faktor in der Entwicklung der rückständigen Wirtschaft. Auch deren Anteil an den freien Berufen war bedeutend. Das Profil der kroatischen Juden, ihre Lebensart, Bildung, Weltanschauung usw. war dem der deutschen Juden sehr ähnlich. Im Zweiten Weltkrieg versuchte die jugoslawische Regierung außerhalb des Konfliktes zu bleiben. Im Frühjahr 1941 wurde Jugoslawien, so wie auch andere Balkan-Staaten, jedoch gezwungen, dem Dreimächtepakt beizutreten. Es kam zum Putsch in Serbien und die neue Regierung widersetzte sich dem Bund mit der Achse. Daraufhin weitete Hitler den gegen Griechenland gerichteten Balkanfeldzug auf Jugoslawien aus. Anfang April fand der Angriff statt, an dem auch Italien teilnahm. Die jugoslawische Armee kapitulierte bald (17.4.41). Jugoslawien wurde zersplittert: Serbien wurde der deutschen Militärverwaltung unterstellt, weitere Gebiete wurden unter den Nachbarstaaten aufgeteilt. Aus dem Territorium Kroatiens und Bosnien-Herzegowinas wurde ein Satellitenstaat, der so genannte „Unabhängige Staat Kroatien“, an dessen Spitze der von Mussolini unterstützte Poglavnik (Führer) Dr. Ante Pavelic stand. Pavelic war ein radikaler kroatischer Politiker, der für ein selbständiges Kroatien kämpfte. Er musste 1929 wegen nationalistischer Hetze ins Exil nach Italien gehen, begleitet von einer Handvoll Anhängern – Ustaschen (Aufständische). Von dort wurden Unruhen in Jugoslawien geschürt und Attentate geplant. Pavelic war auch für die Ermordung des Königs Alexander I. im Jahre 1934 verantwortlich.
In der Vergangenheit hatte die von Pavelic angeführte Bewegung keine antisemitischen Merkmale. Im Gegenteil: Pavelics Vorgänger und Gründer der Bewegung war ein Jude namens Frank. Deswegen nannte man die Bewegung „Frankianer“. Unter Pavelics Anhängern gab es einige Juden. Noch spektakulärer waren die Familienverbindungen mit Juden. Die Frau von Pavelic war eine Jüdin, ebenso die Frauen von seinem Stellvertreter und von mehreren anderen. Aber jetzt als Herrscher – mit Hitlers Gnade – wurde Pavelic zum größten Judenfeind und sein Ustascha-Staat zum Schlachthof für die kroatischen Juden, aber auch für die zahlreichen in Kroatien lebenden Serben. Mit Beginn seiner Herrschaft überstürzten sich die Verordnungen und Gesetzgebungen gegen die Juden, begleitet von einer aggressiven antisemitischen Hetze. Man wollte anscheinend die Nazis einholen, die für die Durchführung derselben Maßnahmen in Deutschland mehrere Jahre gebraucht haben. Dagegen kam es nur selten zu öffentlichen Misshandlungen der Juden. Und auch in diesen Fällen waren Ustaschen oder Volksdeutsche die Täter, selten das kroatische Volk. Als erstes wurden alle Geschäfte und Industrieunternehmen, die den Juden gehörten, unter staatliche Kontrolle gestellt und Kommissare ernannt, die sie leiten sollten. Als nächster Schritt kam die „Kontribution“, eine schon früher in Nazideutschland angewendete Bestrafung der Juden. Die Zagreber Juden sollten 100 Millionen Dinar in Gold oder Geld einsammeln und den Behörden abliefern. Solche Zwangsmaßnahmen fanden auch in den Provinzstädten statt. Dann folgte nach dem Muster der „Nürnberger Gesetze“ von 1935 das „Gesetz der Rassenzugehörigkeit und zum Schutz des arischen Blutes und der Ehre des kroatischen Volkes“. Es folgte die Registrierung aller durch das Rassengesetz betroffenen Personen; bald darauf mussten alle Juden einen Judenstern tragen. Die jüdische Jugend aus Zagreb wurde zum „Arbeitsdienst“ einberufen, etwa 300 Jungen. Damals ahnte noch niemand, dass sie die ersten Opfer der Ustascha-Mörder würden. Sie wurden in das Konzentrationslager Jadovno am Berg Velebit gebracht, wo man fast alle auf grausamste Weise umbrachte.
Im Juni desselben Jahres begannen die Massenverhaftungen der Juden in Zagreb. Ganze Familien wurden verhaftet und in verschiedene kroatische Konzentrationslager deportiert. Diese Verhaftungen und Verschleppungen verbreiteten sich über ganz Kroatien und wurden in mehreren „Etappen/Schüben“, im Jahre 1941 und bis ins Jahr 1942, fortgesetzt. Die letzte Deportation aus Zagreb fand im Frühjahr 1943 statt, wo sich noch einige hundert Juden befanden. Die Verfolgung wurde nicht einheitlich durchgeführt: manchmal waren es nur die Männer, ein anderes Mal ganze Familien. Die Verhaftungen erfolgten bei Nacht oder am Tag. So wurden z.B. Männer, die den Judenstern trugen, wie herrenlose Hunde auf der Straße eingefangen. In den im Frühjahr und Sommer 1941 in Kroatien entstandenen zahlreichen Konzentrationslagern spielten sich die grausamsten Sachen ab. Die Häftlinge wurden ausgehungert und gefoltert, Frauen und Mädchen vergewaltigt. Das berüchtigtste und größte Lager war Jasenovac, auch als kroatisches Auschwitz bekannt. Die Häftlinge, Juden, Serben, Sinti und Roma und auch viele Kroaten, wurden bestialisch gepeinigt und getötet, mit schweren Hämmern, Beilen oder mit Messern regelrecht abgeschlachtet. Nur wenige überlebten diese Hölle. Das Ustascha-Kroatien hatte, als der einzige unter den „Satellitenstaaten“ und den „befreundeten“ oder „besetzten“ Staaten in Europa, auf eigene Initiative mit der „Endlösung“ der Judenfrage begonnen; und zwar schon ein Jahr vor der Wannseekonferenz (20.1.42), auf der von der „Endlösung“ zum ersten Mal die Rede war. Als dann die Deutschen im Sommer 1942 Kroatien aufforderten, ihre Juden auszuliefern, war schon die Hälfte der kroatischen Juden nicht mehr am Leben. Bis auf das Lager Jasenovac wurden jetzt fast alle anderen liquidiert. Ein Teil der jüdischen Häftlinge wurde den Deutschen ausgeliefert, um sie in die Todeslager im Osten zu verschleppen. Die anderen wurden bei der Liquidierung der Lager von den Ustaschen ermordet. Die sich noch im Lager Jasenovac am Leben befindlichen Juden wurden nicht ausgeliefert, aber die Gräueltaten wurden fortgesetzt. Von den etwa 45.000 Juden, die sich in Kroatien vor dem Krieg befanden, unter ihnen auch Flüchtlinge aus Deutschland, überlebten weniger als 10.000. Von 45.000 Juden starben 35.000 (In ganz Jugoslawien lebten vor dem Krieg etwa 75.000 Juden).
Wer waren die Glücklichen, die überlebten? Wie haben sie das geschafft? Die Juden bzw. Jüdinnen in Mischehen wurden nicht verfolgt. In erster Linie Dank der katholischen Kirche, die ansonsten der Verfolgung der Juden zustimmte und auch daran teilnahm. So blieben auch prominente Ustaschen, die in den o.g. Mischehen lebten, verschont. Zahlreiche Ärzte wurden von den Ustaschen beschäftigt. Diese bekämpften endemische Geschlechtskrankheiten in Bosnien oder waren als Militärärzte in der Armee. Dadurch waren diese Ärzte und ihre Familien beschützt. Doch die Mehrheit rettete sich durch Flucht in das von den Italienern besetzte Gebiet Kroatiens. Zunächst erfüllten hier die Italiener die Rolle einer Schutzmacht, aber bald kam es zu Auseinandersetzungen mit den Kroaten. Daraufhin übernahmen die Italiener auch die Kontrolle über die Zivilverwaltung und vertrieben die Ustaschen. Den geflüchteten Juden wurde in Italien Asyl gewährt. Jedoch waren diese Juden noch längst nicht gerettet.
Ein ungeheures Drama um das Schicksal dieser Juden fand im Sommer 1942 statt: Die kroatische Regierung verlangte die Rückgabe dieser Juden, um sie den Deutschen für die „Endlösung“ auszuliefern. Da sich die Italiener weigerten, übte jetzt das deutsche Auswärtige Amt Druck auf die italienische Regierung aus. Mussolini, der wegen seiner militärischen Misserfolge immer mehr von den Deutschen abhängig wurde, gab nach. Hohe Beamte im italienischen Außenministerium und die Kommandeure der italienischen Armee in Kroatien wussten genau, welches Schicksal diese Juden erwartete. Sie hatten beschlossen, den Befehl Mussolinis zu sabotieren. Jedoch ließen die Deutschen nicht nach. Um die Auslieferung zu verzögern, wurden Ende 1942 sämtliche Juden in italienischen Lagern interniert, in denen aber menschliche Zustände herrschten. Der Druck der Deutschen wurde fortgesetzt. Im Sommer 1943 kam Außenminister Ribbentrop nach Rom um die Auslieferung der Juden einzufordern. Mussolini stimmte wieder zu, doch es geschah nichts. Ende Juli 1943 wurde Mussolini abgesetzt und im September kapitulierte Italien. Die internierten Juden wurden freigelassen und schlossen sich den jugoslawischen Partisanen an: die Jungen als Kämpfer und die anderen als Flüchtlinge in den von den Partisanen befreiten Gebieten. Die geretteten Juden erwarteten noch viele Gefahren, und nicht alle von ihnen sollten das Kriegsende erleben.
Autor: Zeev Milo
Der Autor stammt aus Kroatien und hat das Inferno des so genannten Unabhängigen Staates Kroatien in den Jahren 1941-1945 erlebt und überlebt. Seine Erlebnisse während dieser Zeit hat er in einem Buch festgehalten. Heute lebt er in Israel.
Literatur
Antisemitisam Holocaust Antifašizam. Studia Judaico-Croatia. Židovska opcina Zagreb, 1996.
Benz, Wolfgang / Hermann Graml /Hermann Weiß: Enzyklopädie des Nationalsozialismus, München 1997.
Benz, Wigbert / Bernd Bredemeyer / Klaus Fieberg: Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg. Beiträge, Materialien Dokumente. CD-Rom, Braunschweig 2004.
Dedier, Vladimir: Jasenovac – das jugoslawische Auschwitz und der Vatikan. Fünfte Auflage, Ahriman Verlag GmbH, Freiburg, 2001.
Hory, Ladislav u. Martin Broszat: Der Kroatische Ustascha-Staat 1941-45. Stuttgart, Deutsche Verlags-Anstalt, 1964.
Leon, Poliakov and Sabille Jacques: Jews under Italian Occupation. Editions du Centre, Paris, 1955.
Milo, Zeev: Im Satellitenstaat Kroatien. Eine Odyssee des Überlebens, 1941-1945. Herausgegeben von Erhard Roy Wiehn. Hartung-Gorre Verlag Konstanz, 2002.
Paris, Edmond: GENOCIDE in Satelite Croatia 1941-1945. Published by The American Institute for Balkan Affairs, 1525 West Diversey Parkway, Chicago 14, Illinois second printing, May 1962.
The Crimes of the Fascist Occupants and their Collaborators Against Jews in Yugoslavia. Published by Federation of Jewish Communities of Yugoslavia Belgrade 1957.