Michel Hazanavicius‘ Animationsfilm als Mahnung und Hoffnungsschimmer

Das kostbarste aller Güter – von Michel Hazanavicius. Abbildung: Copyright Studiocanal.
Michel Hazanavicius, dessen Stummfilm-Hommage „The Artist“ einst die Herzen der Kino-Welt eroberte, wagt sich mit „Das kostbarste aller Güter“ an ein Thema von unvorstellbarer Tragweite: den Holocaust. Doch anstatt auf die Konventionen eines Realfilms zu setzen, wählt der Oscar-Preisträger einen ungewöhnlichen Weg – eine animierte Fabel, basierend auf dem gleichnamigen Jugendbuch des französischen Schriftstellers Jean-Claude Grumberg. Das Ergebnis ist ein Film, der unter die Haut geht, zum Nachdenken anregt und dabei die Schrecken der Geschichte mit Respekt behandelt. Ein Film, der ab dem 6. März die Kinoleinwände erobert und eine längst fällige Diskussion anstoßen könnte.
Eine Geschichte von Verzweiflung und Menschlichkeit
Polen, Winter 1943: Inmitten des tobenden Weltkriegs und der systematischen Vernichtung jüdischen Lebens spielt sich ein unscheinbares Drama ab. Ein jüdischer Vater, auf dem Weg in den sicheren Tod in Auschwitz, trifft eine Entscheidung von unfassbarer Tragweite. Um seinem Kind eine winzige Chance auf Überleben zu geben, wirft er es aus dem Viehwaggon in die eisige Nacht.
Das Kind, ein Mädchen, wird von der Frau eines Holzfällers gefunden. Das Paar, selbst kinderlos, zögert nicht lange und nimmt das Baby auf, ohne die Konsequenzen ihres Handelns vollständig zu erfassen. Dieses Kind, das „kostbarste aller Güter“, verändert ihr Leben für immer und berührt auch die Leben anderer Menschen, die ihren Weg kreuzen. Einige von ihnen riskieren alles, um das Mädchen zu schützen, ungeachtet der Gefahren für ihr eigenes Leben.
Die Geschichte, die Hazanavicius hier erzählt, ist eine Geschichte von Verzweiflung, aber auch von unbändigem Mut und Menschlichkeit in einer Zeit der Barbarei. Sie zeigt, dass selbst inmitten der größten Dunkelheit ein Funken Hoffnung existieren kann.
Animation als Mittel der Wahl
Die Entscheidung, „Das kostbarste aller Güter“ als Animationsfilm umzusetzen, mag auf den ersten Blick überraschen. Doch Hazanavicius gelingt es, die Stärken dieses Mediums voll auszuspielen. Die Animation erlaubt es ihm, die Geschichte mit der notwendigen Sensibilität zu erzählen, ohne dabei in Voyeurismus oder übertriebene Härte abzugleiten.
Die gezeichneten Bilder schaffen eine gewisse Distanz, die es dem Publikum ermöglicht, sich emotional auf die Geschichte einzulassen, ohne von den Grausamkeiten des Holocaust überwältigt zu werden. Gleichzeitig ermöglicht die Animation eine stilistische Freiheit, die in einem Realfilm kaum denkbar wäre. Hazanavicius nutzt diese Freiheit, um die Geschichte mit märchenhaften Elementen zu bereichern und eine poetische Atmosphäre zu schaffen.
Die Animationen sind detailreich und liebevoll gestaltet. Die Figuren wirken authentisch, und die winterliche Landschaft Polens wird auf beeindruckende Weise zum Leben erweckt. Die Züge, die als Symbole des Todes und der Hoffnungslosigkeit dienen, sind besonders eindrücklich dargestellt.
Themen, die unter die Haut gehen
„Das kostbarste aller Güter“ ist ein Film, der viele wichtige Fragen aufwirft. Im Zentrum steht natürlich die Auseinandersetzung mit dem Holocaust und seinen unvorstellbaren Folgen. Der Film zeigt die Grausamkeit und Unmenschlichkeit des NS-Regimes, aber auch den Mut und die Widerstandskraft der Menschen, die sich dem Terror entgegenstellten.
Darüber hinaus thematisiert der Film die Bedeutung von Familie, Liebe und Mitgefühl. Er zeigt, dass menschliche Beziehungen selbst in den schwierigsten Zeiten eine Quelle der Stärke und Hoffnung sein können. Die Holzfällerfrau, die das jüdische Baby aufnimmt, verkörpert die bedingungslose Liebe und die Bereitschaft, Verantwortung für andere zu übernehmen.
Ein weiteres wichtiges Thema ist die Frage nach Identität und Zugehörigkeit. Das jüdische Mädchen, das von einer nicht-jüdischen Familie aufgezogen wird, muss sich im Laufe ihres Lebens mit ihrer Herkunft und ihrer Identität auseinandersetzen. Der Film zeigt, dass Identität nicht nur durch Abstammung, sondern auch durch Erfahrungen und Beziehungen geprägt wird.
Anerkennung in Cannes und eine klare Empfehlung
„Das kostbarste aller Güter“, der bereits im Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes 2024 für Furore sorgte, ist mehr als nur ein Animationsfilm. Er ist eine Mahnung, eine Anklage und gleichzeitig ein Hoffnungsschimmer. Michel Hazanavicius ist es gelungen, ein sensibles und wichtiges Thema auf eine Art und Weise zu erzählen, die sowohl berührt als auch zum Nachdenken anregt.
Es ist ein Film, den man gesehen haben sollte. Er ist nicht nur für ein junges Publikum geeignet, sondern auch für Erwachsene, die sich mit der Geschichte des Holocaust auseinandersetzen und sich von einer berührenden Geschichte inspirieren lassen möchten. Ein Film, der Mut macht und zeigt, dass selbst in den dunkelsten Zeiten Liebe und Hoffnung existieren können.
Kinostart: 6. März | FSK: Ab 12 Jahren
Weitere Informationen
Website: www.DasKostbarsteAllerGüter-Film.de