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Startseite > Rezensionen > Filmrezensionen > Cadet – von Adilkhan Yerzhanov
Geschrieben von: Redaktion Zukunft braucht Erinnerung | Erstellt: 22. Februar 2025

Cadet – von Adilkhan Yerzhanov

Cadet. Land: KAZ 2024. 
Regie: Adilkhan. Yerzhanov. Sektion: Forum 2025. 
Datei: 202512341_1. 
© Cadet

Cadet. Land: KAZ 2024. Regie: Adilkhan. Yerzhanov. Sektion: Forum 2025. Datei: 202512341_1. © Cadet

 

Adilkhan Yerzhanovs Cadet entfaltet sich wie ein alptraumhaftes Gemälde aus Eis und Blut, ein Film, der die Grenzen zwischen sozialem Realismus und übernatürlichem Horror mit beunruhigender Eleganz verwischt. In den schneebedeckten Weiten Kasachstans, wo der Wind über die Steppe heult wie die Geister vergangener Regime, schafft Yerzhanov eine düstere Parabel über toxische Männlichkeit, institutionelle Gewalt und die unheimliche Präsenz der Geschichte. Jede Einstellung atmet eine beklemmende Vorahnung, jeder Dialog trägt das Gewicht unausgesprochener Traumata – hier entsteht kein einfacher Genre-Mix, sondern eine eigenwillige kinematografische Alchemie, die den Zuschauer in ihren Bann zieht und nicht mehr loslässt.

Im Zentrum steht die zerrissene Beziehung zwischen Alina, gespielt von der fesselnden Anna Starchenko, und ihrem sensiblen Sohn Serik. Yerzhanov zeichnet ihr Einvernehmen im ersten Akt mit beiläufiger Zärtlichkeit: Die Art, wie Seriks Finger zaghaft den Saum von Alinas Mantel umklammern, wenn sie durch die korridorartigen Gänge der Kadettenschule stapfen, verrät mehr über ihre symbiotische Bindung als jeder erklärende Dialog. Doch diese Intimität wird bald zum Brennpunkt der Tragödie, denn Alinas Entscheidung, ihren Sohn in die eisige Welt der Militärakademie zu zwingen, entpuppt sich als fatale Fehlkalkulation. Die Kameraarbeit verstärkt diese sich anbahnende Katastrophe durch klaustrophobische Untersichten und surreal verzerrte Weitwinkelaufnahmen, die das brutalistische Schulgebäude wie einen lebendigen Organismus erscheinen lassen, der seine Insassen langsam verdaut.

Was den Film besonders beunruhigend macht, ist die Art, wie Yerzhanov die alltäglichen Grausamkeiten des militärischen Alltags mit übernatürlichen Elementen verschränkt. Die ersten Mobbingattacken auf Serik – sein Haar wird mit stumpfen Scheren verstümmelt, sein zarter Gang parodiert – wirken fast banal in ihrer erbärmlichen Niedertracht. Doch wenn die Blutlachen im Schnee auftauchen und die Leichen verstörter Schüler sich häufen, kippt die Erzählung ins Groteske. Hier zeigt sich Yerzhanovs Meisterschaft im Umgang mit tonalen Brüchen: Ein abgehackter Finger wird mit derselben lakonischen Gelassenheit inszeniert wie die absurd-komischen Machtdemonstrationen des Schuldirektors, dessen Stalin-Schnurrbart und polierte Stiefel ihn wie eine Karikatur sowjetischer Autorität erscheinen lassen.

Die Transformation Seriks vom verängstigten Muttersöhnchen zum entfremdeten Musterschüler entwickelt sich nicht als plötzlicher Plot Twist, sondern als schleichende Vergiftung. Sharip Serik verleiht dieser Metamorphose eine erschreckende physische Intensität: Sein Gang wird härter, die Schultern breiter, während seine Augen einen glasigen Schimmer annehmen, als würde ihm etwas Ur-Altes aus der Tiefe der kasachischen Erde in die Knochen kriechen. Die Horror-Elemente entfalten ihre volle Wirkung gerade durch diese psychologische Ambivalenz – ist Serik wirklich von dämonischen Mächten besessen, oder spiegelt er nur die Erwartungen eines Systems wider, das Menschlichkeit als Schwäche brandmarkt?

Yerzhanovs Kritik am post-sowjetischen Patriarchat entzündet sich an den paradoxen Erwartungen, die sowohl an Alina als auch an ihren Sohn gerichtet sind. In einer Schlüsselszene, die an die besten Momente Tarkowskijs erinnert, wird Alina von einer geisterhaften Mutterfigur gewarnt, deren eigener Sohn sich in derselben Akademie das Leben nahm. Doch statt zur Retterin zu werden, entwickelt sich Alina zur tragischen Komplizin – ihre verzweifelten Versuche, Seriks „Männlichkeit“ zu konstruieren, offenbaren die tiefe Verstrickung selbst progressiver Frauen in toxische Machtstrukturen. Die Filmemacher lassen uns spüren, wie der Atem der Geschichte im Nacken der Gegenwart liegt: In den Kellergewölben der Schule lagern nicht nur vergilbte Uniformen, sondern die unverwesten Leichen sowjetischer Dogmen.

Visuell operiert Cadet mit einer Farbpalette, die an gefrorenes Blut und verrostetes Metall erinnert. Kameramann Aydar Sharipov fängt die Weite der kasachischen Steppe nicht als malerische Landschaft, sondern als bedrohliche Leere ein, in der sich die Charaktere verlieren wie Insekten in Bernstein. Die hypnotisierenden Totalen der Kadettenformationen – geometrisch präzise, doch innerlich zerfressen – kontrastieren mit den chaotischen Handycam-Aufnahmen der nächtlichen Horrorsequenzen. Besonders beeindruckend ist die Verwendung von Sounddesign: Das Rattern alter Heizungsrohre entwickelt sich zum Leitmotiv, ein metallisches Herzschlaggeräusch, das immer lauter pocht, je näher die Figuren dem Abgrund kommen.

Trotz seiner düsteren Thematik bewahrt sich der Film durch schwarzhumorige Akzente vor der Selbstgefälligkeit. Die Dialoge zwischen dem zynischen Ermittler Birzhan und den stocksteifen Militärs sprühen vor sarkastischer Schärfe, während die absurden Übungsrituale der Kadetten (Wer kann am längsten in eiskaltem Wasser stehen? Wer erträgt die meisten Ohrfeigen?) an Beckett’sche Absurditäten erinnern. Yerzhanov gelingt das Kunststück, die lähmende Monotonie militärischer Hierarchien spürbar zu machen, ohne je in Langeweile abzugleiten.

Die letzten zwanzig Minuten steigern sich zu einem opernhaften Finale, das Genre-Konventionen geschickt unterläuft. Anstatt auf billige Jump-Scares zu setzen, baut der Film seine Spannung durch die zunehmende Entfremdung zwischen Mutter und Sohn auf. Eine Traumsequenz, in der Alina durch endlose Flure irrt, die Wände tapeziert mit Fotos toter Kadetten, gehört zu den beklemmendsten Momenten des zeitgenössischen Kinos. Die Entscheidung, die übernatürlichen Elemente nie vollständig zu erklären, verleiht dem Film eine beunruhigende Offenheit – wie bei den besten Werken David Lynchs bleibt die Angst umso persistenter, je weniger sie fassbar ist.

Cadet bestätigt Yerzhanovs Ruf als wichtigster Stimme des zentralasiatischen Kinos, der es versteht, lokale Mythen mit universellen Ängsten zu verweben. Was zunächst als simpler Konflikt zwischen individueller Sensibilität und institutioneller Härte beginnt, entpuppt sich als vielschichtiges Porträt einer Gesellschaft, die zwischen sowjetischem Erbe und globalisierter Moderne zerrissen ist. Die eigentliche Horror-Erkenntnis des Films liegt nicht in blutigen Spezialeffekten, sondern in der schmerzhaften Einsicht, dass Gewalt keine äußere Bedrohung ist – sie wohnt uns allen inne, ein Erbe von Generationen unverarbeiteter Traumata. Yerzhanovs Kamera, stets nah am Körper der Akteure, macht diese innere Zerrissenheit physisch spürbar.

In einer Zeit, in der autoritäre Systeme weltweit erstarken, wirkt Cadet wie eine dringliche Warnung und eine schonungslose Diagnose zugleich. Der Film fordert uns auf, die Geister zu konfrontieren, die in den Kellern unserer Institutionen lauern – seien es überkommene Männlichkeitsideale oder die versteinerten Überreste untergegangener Imperien. Dass Yerzhanov diese Auseinandersetzung mit solch bildgewaltiger Intensität und formaler Kühnheit führt, macht Cadet zu einem der wichtigsten und beunruhigendsten Filme des Jahres. Ein Werk, das noch lange nach dem Abspann in den Knochen sägt, ein Alptraum, der uns die Augen öffnet für die Monster, die wir selbst erschaffen haben.

Cadet – von Adilkhan Yerzhanov (Regie, Buch) / mit Anna Starchenko, Serik Sharipov, Ratmir Yusupzhanov, Alexey Shemes / 126′ / Kasachstan 2024 / Farbe & Schwarz-Weiß / Kasachisch, Russisch / Untertitel: Englisch
Berlinale 2025 – Sektion Forum

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