Englischer Offizier, Kriegsheld, Haudegen, Autor von „Happy Odyssey“ und berüchtigt für sein Zitat: „Frankly, I had enjoyed the war.“
Sir Adrian Paul Ghislain Carton de Wiart war zuletzt Generalleutnant des britischen Heeres. Er wurde am 5. Mai 1880 in der belgischen Hauptstadt Brüssel geboren und starb am 5. Juni 1963 auf seinem Anwesen Aghinagh House in der südirischen Provinz Cork. Er diente sowohl im zweiten Burenkrieg als auch im ersten und zweiten Weltkrieg. Hiernach wurde er als persönlicher Vertreter von Premiermister Winston Churchill nach China entsandt. Auf dem Weg dorthin nahm er 1943 an der Kairoer Konferenz teil.
Carton die Wiarts Leben
Er wurde als ältester Sohn des Rechtsanwaltes und Richters Léon Constant Ghislain Carton de Wiart und Ernestine Wenzig in eine aristokratische Familie hineingeboren. Es kursierten jedoch auch Gerüchte, er sei ein außerehelicher Sohn des damaligen belgischen Königs Leopold II.
Seine Kindheit verbrachte er Wiart in Belgien und England. Als er sechs Jahre alt war, ließen sich seine Eltern scheiden. Sein Vater zog daraufhin mit der Familie ins ägyptische Kairo, um an den sogenannten „Gemischten Gerichten“ zu praktizieren. Dort erlernte er die arabische Sprache.
Er war römisch-katholischer Konfession und wurde 1891 nach dem Willen der neuen Ehefrau seines Vaters, einer Engländerin, auf ein englisches Internat, die „Roman Catholic Oratory School“, geschickt. Von dort wechselte Carton de Wiart später auf das „Balliol College“ in Oxford, verließ es aber 1899, kurz vor oder schon während des zweiten Burenkriegs in Südafrika, um der britischen Armee beizutreten.
Obwohl er zu diesem Zeitpunkt bereits acht Jahre in der britischen Armee gedient hatte, war Carton de Wiart noch bis 1907 belgischer Staatsbürger geblieben. Am 13. September dieses Jahres legte er den Treueeid auf König Edward VII. ab und erhielt formell die britische Staatsbürgerschaft. 1908 heiratete Carton de Wiart in Wien die österreichische Adlige Friederike Gräfin Fugger von Babenhausen. Das Paar hatte zwei Töchter.
Wiart war sehr gut mit mächtigen Persönlichkeiten seiner Zeit vernetzt. Ein Cousin von ihm, Graf Henri Carton de Wiart, war von 1920 bis 1921 belgischer Premierminister, ein anderer, Baron Edmond Carton de Wiart, politischer Sekretär des belgischen Königs und Direktor der „Société Générale de Belgique“. Während seines Urlaubs reiste er ausgiebig durch Europa und suchte Kontakt zu katholischen Adligen in Deutschland, Österreich und Ungarn. In England ritt er mit dem Duke of Beaufort’s Hunt, wo er unter anderem auch den zukünftigen Feldmarschall Sir Henry Maitland Wilson und den späteren Luftmarschall Sir Edward Ellington traf.
Zweiter Burenkrieg
Zu Beginn des Krieges wurde Carton de Wiart am Bauch und an der Leiste verwundet. Aus diesem Grund schickte man ihn nach Hause. Sein Vater war wütend, als er erfuhr, dass der Sohn sein Studium abgebrochen hatte, erlaubte ihm jedoch, in der Armee zu bleiben. Später kam er erneut in Südafrika zum Einsatz.
Erster Weltkrieg
Als der Krieg ausbrach, befand sich Carton de Wiart auf dem Weg in die Kolonie Britisch-Somaliland, wo damals ein Krieg gegen die Anhänger des Derwisch-Führers Mohammed Abdullah Hassan stattfand. Er war zum „Somaliland Camel Corps“ abkommandiert worden. Bei einem Angriff auf eine feindliche Festung wurde ihm zweimal ins Gesicht geschossen, woraufhin er ein Auge und einen Teil eines Ohrs verlor.
Im Februar 1915 schiffte sich Carton de Wiart in Richtung Frankreich ein. Dort nahm er an den Kämpfen der Westfront teil. Im Laufe des Krieges wurde er sieben weitere Male verwundet. 1915 verlor er seine linke Hand. 1916 erlitt er in der Schlacht an der Somme einen Schädel- und einen Knöcheldurchschuss, 1917 in der Schlacht von Passchendaele einen Hüftdurchschuss, später auch noch einen Bein- und einen Ohrdurchschuss. Nach eigenen Angaben hatten die Krankenschwestern in dem für seine Front zuständigen Lazarett einen Schlafanzug für seine nächste Verwundung zurückgelegt. Am 8. November 1918, nur drei Tage vor Kriegsende, verlieh man ihm das Kommando über eine Brigade im Rang eines Brigadegenerals auf Zeit. In seinen Memoiren kommentiert er den ersten Weltkrieg mit den Worten „Frankly, I had enjoyed the war.“
Zwischenkriegszeit
Nach Kriegsende wurde Carton de Wiart als stellvertretender Leiter der britisch-polnischen Militärmission unter General Louis Botha nach Polen entsandt, löste diesen jedoch nach kurzer Zeit als Kommandanten der Mission ab. Polen benötigte zu jener Zeit dringend Unterstützung, da es sich durch den Polnisch-Sowjetischen Krieg, den Polnisch-Ukrainischen Krieg, den Polnisch-Litauischen Krieg und Grenzkonflikte gegenüber Tschechien mit einer Vielzahl an militärischen Auseinandersetzungen konfrontiert sah.
Zweiter Weltkrieg
Nach Ausbruch des Krieges organisierte Carton de Wiart mit Hilfe der polnischen Regierung die Evakuierung der britischen Vertretung in Warschau. Nach seiner Ankunft in Rumänien drohte ihm die Verhaftung. Er konnte jedoch gerade noch rechtzeitig mit einem falschen Pass ausreisen.
1940 wurde er einer der Befehlshaber der Namsos-Kampagne in Norwegen. Hierbei kam es im April und Mai zu schweren Kämpfen zwischen anglo-französischen und norwegischen auf der einen Seite und deutschen Streitkräften auf der anderen Seite, aus denen die Deutschen letztendlich als Sieger hervorgingen.
Später verlieh man ihm das Kommando über die 61. Division, welche bald darauf zur Verteidigung gegen eine Invasion nach Nordirland verlegt wurde.
Am 5. April 1941 ernannte man. ihm zum Leiter der britisch-jugoslawischen Militärmission ernannt. Da Adolf Hitler die Invasion des Landes vorbereitete, baten die Jugoslawen um britische Hilfe. Während eines Fluges fielen vor der Küste des von Italien besetzten Libyens beide Triebwerke aus, und das Flugzeug stürzte ins Meer. Er überlebte, wurde jedoch von den italienischen Behörden gefangen genommen.
Nach zwei Jahren Kriegsgefangenschaft schickte die italienische Regierung ihn ins portugiesische Lissabon, um über einen Ausstieg Italiens aus dem Krieg zu verhandeln. Nach seiner Ankunft wurde er offiziell aus der Gefangenschaft entlassen und kehrte nach England zurück.
Einen Monat nach seiner Rückkehr teilte Winston Churchill ihm mit, dass er als sein persönlicher Vertreter nach China entsandt werden solle. Am 9. Oktober 1943 wurde Carton de Wiart zum Generalleutnant ernannt und begab sich am 18. Oktober nach Indien. Bevor er jedoch nach China weiterreiste, nahm er an der Kairoer Konferenz teil, welche von Churchill, dem US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt und dem chinesischen Militärführer Chiang Kai-shek organisiert worden war.
Anfang Dezember 1943 traf er im Hauptquartier der Kuomintang in der chinesischen Stadt Chongqing ein. Während der folgenden drei Jahre nahm er dort eine Vielzahl von Berichterstattungstätigkeiten sowie diplomatischen und administrativen Aufgaben wahr.
Nach der japanischen Kapitulation im August 1945 besuchte er Singapur, Peking, Nanking und Tokio, wo er den US-amerikanischen General Douglas MacArthur traf. Dies markierte das Ende der Laufbahn des inzwischen 66-jährigen Offiziers. Carton de Wiart beschloss, sich zur Ruhe zu setzen, obwohl Chiang Kai-shek ihm eine Stelle angeboten hatte. Er wurde im Oktober 1947 mit dem Ehrendienstgrad eines Generalleutnants in den Ruhestand versetzt.
Ende der „Happy Odyssey“ – Tod und Ruhestätte
Carton de Wiarts Ehefrau Friederike Gräfin Fugger von Babenhausen starb 1949. 1951 heiratete er die 23 Jahre jüngere Joan McKechnie. Das Paar ließ sich auf dem Anwesen „Aghinagh House“ in der südirischen Provinz Cork nieder. Dort starb er im Alter von 83 Jahren am 5. Juni 1963. Sowohl er als auch seine Frau Joan sind auf ihrem irischen Anwesen beigesetzt worden.
Ehrungen
Im Laufe seines Lebens erhielt Adrian eine Vielzahl an Auszeichnungen. Das Vereinigte Königreich verlieh ihm das Victoria-Kreuz, den Orden des britischen Weltreichs, den Bathorden, den Orden des Heiligen Michaels und Heiligen Georgs und den Orden für hervorragenden Dienst. Polen ehrte ihn mit dem Orden für militärische Tugend, sein Geburtsland Belgien mit dem Kriegskreuz. Von französischer Seite erhielt er den Orden der Ehrenlegion und ebenfalls das Kriegskreuz.
Literatur
Carton de Wiart, Adrian: Happy Odyssey, Autobiographie.
G. D. Sheffield: Carton de Wiart and Spears. In: John Keegan (Hrsg.): Churchill’s Generals. London 1991.
E. T. Williams: Carton de Wiart, Sir Adrian (1880–1963). In: Henry Colin Gray Matthew, Brian Harrison (Hrsg.): Oxford Dictionary of National Biography, from the earliest times to the year 2000(ODNB). Oxford University Press, Oxford 2004,, Stand: September 2010 (rev. Gary Sheffield).
Alan Ogden: The Life and Times of Lieutenant General Sir Adrian Carton de Wiart: Soldier and Diplomat. Bloomsbury, London 2023.
BBC Artikel: The unkillable soldier. https://www.bbc.com/news/magazine-30685433