Wie erzählen wir die Geschichte der nationalsozialistischen Verbrechen weiter, wenn kaum noch Überlebende persönlich berichten können? Das Münchner Projekt „LediZ – Lernen mit digitalen Zeugnissen“ entwickelt darauf eine zukunftsweisende Antwort: interaktive, digital zugängliche Zeugnisse von Holocaust-Überlebenden, mit denen Lernende in einen dialogähnlichen Austausch treten können.
Die Idee zu LediZ entstand im Anschluss an die Tagung „Holocaust Education Revisited“ an der LMU München. Ein interdisziplinäres Team aus Geschichtsdidaktik, Pädagogik und Informatik erprobt seither, wie sich digitale Zeugnisse für historisch-politische Bildung nutzen lassen. Im Zentrum stehen deutschsprachige 3D-Aufnahmen von Überlebenden wie Abba Naor und Eva Umlauf. Ihnen wurden in einem speziellen Studio rund 1.000 Fragen gestellt, die stereoskopisch gefilmt und anschließend mit Spracherkennungssoftware verknüpft wurden. So können Besucher:innen später selbst Fragen stellen und passende Antworten aus dem aufgezeichneten Material erhalten.
Technisch ermöglicht dieses Verfahren eine zwei- und dreidimensionale Darstellung der Zeitzeug:innen; in der Öffentlichkeit ist dafür oft der Begriff „Hologramme“ gebräuchlich. Die großen Datenmengen werden im Rechenzentrum der Bayerischen Akademie der Wissenschaften gespeichert und laufend weiterentwickelt. Das Projekt arbeitet mit einem Design-Based-Research-Ansatz: LediZ ist also nicht nur ein fertiges Produkt, sondern zugleich ein Labor, in dem pädagogische Konzepte, Gesprächsführung und technische Zugänge erprobt und ausgewertet werden.
Dabei geht es immer um die Frage: Was hat das mit uns heute zu tun? LediZ will junge Menschen nicht nur informieren, sondern sie anregen, über Antisemitismus, Rassismus, Ausgrenzung und Verantwortung in der Gegenwart nachzudenken. Die Begegnung mit den digitalen Zeugnissen soll Empathie stärken, historische Zusammenhänge klären und demokratische Haltungen fördern – gerade in einer Zeit, in der Desinformation und Relativierung der NS-Verbrechen in sozialen Medien zunehmen.
Veranstaltungshinweis
Für Schulen, Gedenkstätten, Initiativen und andere Bildungsträger bietet LediZ vielfältige Möglichkeiten der Zusammenarbeit: Besuche im Projekt, Fortbildungsangebote für Lehrkräfte und Bildungsakteur:innen, sowie Einführungen in die Arbeit mit interaktiven Zeitzeugnissen. Ergänzend dazu macht ein begleitendes Webinar (siehe URL unten) mit den Grundlagen und Potenzialen digitaler Erinnerungskultur vertraut und zeigt, wie digitale Zeugnisse verantwortungsvoll in der eigenen Bildungsarbeit eingesetzt werden können.
Interessierte, die sich mit der Frage beschäftigen, wie Erinnern im 21. Jahrhundert aussehen kann, finden hier einen zentralen Ansprechpartner – und ein Projekt, das exemplarisch zeigt, warum Zukunft Erinnerung braucht.
Weiterführende Informationen:
https://www.lediz.uni-muenchen.de/projekt-lediz/index.html
https://www.ibusiness.de/webinar/202