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Startseite > Rezensionen > Filmrezensionen > Das Deutsche Volk – von Marcin Wierzchowski
Geschrieben von: Redaktion Zukunft braucht Erinnerung | Erstellt: 20. Februar 2025

Das Deutsche Volk – von Marcin Wierzchowski

Das Deutsche Volk. 
Land: DEU 2025. 
Regie: Marcin Wierzchowski. 
Sektion: Berlinale Special 2025. Datei: 202509513_1. © Marcin Wierzchowski

Das Deutsche Volk. Land: DEU 2025. Regie: Marcin Wierzchowski. Sektion: Berlinale Special 2025. Datei: 202509513_1. © Marcin Wierzchowski

 

Marcin Wierzchowskis Dokumentarfilm „Das Deutsche Volk“, der anlässlich des fünften Jahrestags des rassistischen Anschlags von Hanau auf der Berlinale 2025 Premiere feierte, stellt weniger eine konventionelle Aufarbeitung der Ereignisse vom 19. Februar 2020 dar als vielmehr eine schonungslose Chronik des institutionalisierten Versagens und gleichzeitig ein intimes Porträt menschlicher Widerstandskraft. Durch die konsequente Fokussierung auf die Perspektiven der Hinterbliebenen gelingt dem Filmemacher etwas Bemerkenswertes: Er transformiert individuelle Trauer in eine kollektive Anklage gegen strukturellen Rassismus, während er gleichzeitig die zentrale Frage „Wer gehört zu Deutschland?“ mit einer Eindringlichkeit verhandelt, die lange nachhallt.

Der Film beginnt mit Archivmaterial jener verhängnisvollen Nacht, in der ein Rechtsextremist neun Menschen in Hanauer Shisha-Bars ermordete, bevor er seine Mutter und sich selbst tötete. Doch anders als viele True-Crime-Dokumentationen verharrt Wierzchowski nicht bei der Rekonstruktion der Tat, sondern nutzt sie als Ausgangspunkt für eine vierjährige Beobachtungsreise durch die Trümmerlandschaften deutscher Bürokratie und menschlicher Verzweiflung. In schroffen Schwarzweiß-Bildern folgt die Kamera Eltern, die die blutdurchtränkten Kleidungsstücke ihrer Kinder wie Reliquien hüten, oder zeigt, wie ein Vater täglich das Handy seines Sohnes auflädt, als könne dies die Verbindung zum Verlorenen aufrechterhalten. Diese visuelle Entscheidung unterstreicht nicht nur die zeitlose Qualität des Traumas, sondern fungiert auch als metaphorischer Kommentar zur gesellschaftlichen Schwarz-Weiß-Malerei, die solchen Taten vorausgeht.

Was „Das Deutsche Volk“ von anderen Dokumentationen über rechte Gewalt abhebt, ist seine kompromisslose Subjektivität. Wierzchowski, selbst Kind polnischer Einwanderer, verweigert sich bewusst dem journalistischen Objektivitätsgebot. Statt Behördenvertreter oder Politikern eine Plattform zu bieten, lässt er ausschließlich Betroffene zu Wort kommen – eine Entscheidung, die sich als radikale Umkehrung medialer Machtverhältnisse liest. Wenn die Mutter von Sedat Gürbüz erzählt, wie sie erst durch Zufall erfuhr, dass ihr Sohn zu den Opfern zählte, weil die Polizei 24 Stunden brauchte, um die Familien zu informieren, oder wenn Angehörige die Leichname ihrer Kinder wochenlang nicht sehen durften, entsteht das Bild eines Staates, der Opfer zu Bittstellern degradiert. Besonders verstörend wirkt die Szene, in der ein Polizist die Opferliste mit den Worten verliest: „Und jetzt diejenigen, die es nicht geschafft haben“ – eine Formulierung, die die Entmenschlichung der Betroffenen bis in die Sprache hinein offenbart.

Der Film entfaltet seine politische Schärfe jedoch nicht nur durch diese persönlichen Erzählungen, sondern auch durch die minutiöse Dokumentation behördlichen Versagens. Wierzchowski zeigt, wie die Familien selbst Beweise sammeln mussten – etwa für den verschlossenen Notausgang der Arena Bar, der durch Rekonstruktionen als tödliche Falle entlarvt wurde. Die Tatsache, dass der Täter trotz psychischer Auffälligkeiten und bekannter rechtsextremer Neigungen legal an Waffen kam, wird zur Anklage gegen ein System, das potenzielle Opfer rassistischer Gewalt systematisch ignoriert. Besonders brisant: Die Auflösung des Sonderkommandos, das den Wohnort des Attentäters stürmte, nachdem sich mehrere Beamte in rechtsextremen Chatgruppen betätigt hatten – ein Detail, das die Verstrickung staatlicher Strukturen in rassistische Netzwerke andeutet.

Doch „Das Deutsche Volk“ ist mehr als eine Anklageschrift. In seinen poetischsten Momenten wird der Film zur Studie über unterschiedliche Überlebensstrategien. Da ist Armin Kurtović, der den „Hamza Kurtović-Award“ gegen Rassismus ins Leben rief und damit selbst zum Akteur politischer Veränderung wird. Oder Niculescu Păun, der in seinem rumänischen Heimatdorf eine Straße nach seinem Sohn Vili Viorel benennt – ein Akt der Erinnerungspolitik, der die transnationale Dimension migrantischen Lebens einfängt. Selbstkonversionen wie die des Überlebenden Piter Minemann zum Islam zeigen, wie Trauma spirituelle Dimensionen annimmt. Wierzchowski gelingt es, diese individuellen Bewältigungsmechanismen ohne Pathos zu portraitieren, indem er lange, observierende Einstellungen wählt, die den Zuschauern Raum für eigene Reflexion lassen.

Formal experimentiert der Film mit einer Collage aus privaten Handyvideos, behördlichen Dokumenten und künstlerischen Interventionen. Eindrücklich ist die Sequenz, in der Aufnahmen von Gedenkveranstaltungen mit Ausschnitten aus einem Theaterstück verschmelzen – eine Meta-Reflexion über die Möglichkeiten und Grenzen künstlerischer Aufarbeitung. Die Entscheidung, auf einen erklärenden Voiceover zu verzichten, zwingt das Publikum, sich dem Tempo der Trauerarbeit anzupassen, was stellenweise eine fast physische Überwältigung erzeugt.

Kritisch könnte man einwenden, dass die Laufzeit von 132 Minuten den Zuschauer überfordert. Doch genau in dieser Länge liegt die politische Aussage: So wie die Angehörigen ihr Leben lang mit dem Verlust kämpfen müssen, verwehrt auch der Film die Möglichkeit eines schnellen „Weiterschaltens“. Die wiederholte Nennung der Opfernamen – Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov – wird zum mantrahaften Gegenmittel gegen das Vergessen und eine filmische Umsetzung des #SayTheirNames-Hashtags.

In seiner ambivalenten Schlusssequenz zeigt der Film Überlebende bei der Einweihung des Hanauer Mahnmals und verweigert sich einfachen Versöhnungsnarrativen. Stattdessen hallt die Frage einer Mutter nach: „Brauchen wir Dank? Oder das Ende der Gewalt?“ – eine Dialektik, die den Kern deutscher Erinnerungspolitik berührt. Wierzchowski positioniert sich hier klar: Sein Film ist kein neutrales Dokument sondern ein aktivistisches Statement gegen die Normalisierung rechter Narrative.

„Das Deutsche Volk“ markiert einen Wendepunkt in der dokumentarischen Aufarbeitung rechter Gewalt in Deutschland. Indem er die Opfer nicht als statistische Größe sondern als Individuen mit komplexen Lebensgeschichten zeigt, durchbricht Wierzchowski die mediale Routine des Vergessens. Gleichzeitig legt der Film die Widersprüche einer Gesellschaft offen, die einerseits Migrationsgeschichte als Problemframing diskutiert und andererseits jene ignoriert hat, die diese Geschichte maßgeblich geprägt haben. In Zeiten wo rassistische Rhetorik erneut Wahlkampfmittel wird wirkt diese Dokumentation wie ein dringlicher Appell: Das eigentliche Attentat auf die deutsche Gesellschaft findet nicht an einem Februarabend statt sondern tagtäglich in der Weigerung, die Pluralität dieser Gesellschaft anzuerkennen.

Das Deutsche Volk – von Marcin Wierzchowski (Regie, Buch) / 132′ / Deutschland 2025 / Schwarz-Weiß / Deutsch, Rumänisch, Türkisch, Englisch / Untertitel: Englisch
Berlinale 2025 – Sektion Berlinale Special

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