Christer Petersen (Hg.): Zeichen des Krieges in Literatur, Film und den Medien, Band I: Nordamerika und Europa, Verlag Ludwig, Kiel 2004.
Krieg ist für die meisten heute in Westeuropa lebenden Menschen kein Gegenstand eigener Erfahrung mehr. Die Generation, die den zweiten Weltkrieg noch selbst erlebt hat und darüber berichten kann, wird immer kleiner. So wird der Krieg immer mehr zu einen rein medial vermittelten Ereignis. Dies gilt aber auch für die zahlreichen militärischen Konflikte der Gegenwart. Ob Bosnien, Afrika oder der Irak: Was sich in diesen Kriegen abspielt, wie die Zivilbevölkerung leidet, welche Opfer zu beklagen sind, erfahren wir nur über Reportagen, Berichte und vor allem durch Fernsehbilder. Anders formuliert: Was wir als Krieg sehen, was jeweils als schrecklich oder unvermeidlich eingeschätzt wird, ist nicht primär bestimmt durch die Realität des Kriegs selbst, sondern durch seine mediale Präsentation. Dies gilt für die Geschichte, aber auch für die Gegenwart. Wochenschauen aus dem 2. Weltkrieg prägen unser Bild von diesem Krieg ebenso wie CNN-Reportagen aus dem Nahen Osten das vom Irakkrieg.
Kriegsfilme, die vor allem in den USA nach wie vor sehr populär sind, beeinflussen zusätzlich das Bild von Soldaten und Militär insgesamt. Kriegführende Regierungen, gleich welcher politischer Ausrichtung, haben immer schon auf das von ihnen gewünschte Bild „ihres“ Krieges geachtet.
Die historische wie sozialwissenschaftliche Forschung konzentriert sich bislang vor allem auf einzelne Aspekte oder Epochen der medialen Präsentation des Krieges. Eine umfassende Gesamtschau dieses Phänomens steht noch aus.
Auch der von Christer Petersen herausgegebene Band versucht eine Gesamtanalyse des Phänomens Krieg in den Medien erst gar nicht. Die hier zusammengetragenen elf Einzelaufsätze nähern sich dem Thema in unterschiedlichen historischen und thematischen Perspektiven. So befasst sich der Aufsatz von Alexander Freund mit den „Kriegserzählungen deutscher Migranten in Nordamerika nach 1945“, Jamila Adobhani mit der „Mediengeschichte des Irakkonflikts im Jahre 2003“, Aufsätze von Lars Baumgart, Eckhard Papbst und Christer Petersen beschäftigen sich mit Kriegsdarstellungen in Film und Fernsehen. Barbara Schrödl untersucht an Hand von NS-Spielfilmen das Verhältnis zwischen Mode und Krieg und Charlotte Heymel befasst sich mit dem 1. Weltkrieg. Der Band ist also ebenso interkulturell wie interdisziplinär ausgerichtet.
Ungeachtet ihrer unterschiedlichen Ansätze zeigen die Beiträge, dass die Darstellung von Kriegen in den Medien gewissen Regeln folgt. So bedient sich die Kriegspropaganda häufig der Verkehrung der Täter- und Opferrollen. Selbst die NS-Propaganda versuchte den von ihr begonnenen Krieg immer als Verteidigungskrieg zu inszenieren.
In Kriegsfilmen dagegen werden vielfach Ursachen ausgeblendet. Stattdessen dient der Krieg als Hintergrund für Geschichten um Bewährung, Treue und Kameradschaft. Zugleich wird damit das Militärische verherrlicht. Das Pentagon in den USA ist sich dieser Möglichkeiten schon lange bewusst und unterhält ein eigenes Büro für die Kooperation mit der Filmindustrie. Auf die meisten neueren amerikanischen Kriegsfilmproduktionen haben die Militärs direkt Einfluss genommen bis hin zu inhaltlichen Änderungen im Drehbuch. Ein Beispiel dafür ist der von Ridley Scott inszenierte Film „Black Hawk Down“, der eine gescheiterte Mission im Somalia-Konflikt 1993 thematisiert. Eckhard Pabst zeigt in seinem Beitrag zu diesem Film die Selbstbezüglichkeit und die Unfähigkeit der Amerikaner kulturelle Differenzen wahrzunehmen.
Hervorzuheben ist auch der Beitrag von Charlotte Heymel über Kriegsreiseberichte aus dem Ersten Weltkrieg. Sie zeigt, wie Kriegs- und Feldzugsbeschreibungen aus den Jahren 1914-1918 in Kategorien der Reisebeschreibungen geschildert werden. Sie verweist auf zahlreiche, zeitgenössische – oft in kleinen Verlagen publizierte Beschreibungen von Fronteinsätzen als Reiseerlebnis. Anstelle von Schilderungen der Grausamkeit der Front werden Berichte über das „Feindesland“ gegeben, die beinahe touristische Qualität haben.
Der Leser bekommt mit diesen Beiträgen zwar keinen Gesamtüberblick über das komplexe Thema von Krieg und Medien, wohl aber einen Eindruck von der Vielfalt dieses Themas. Gespannt sein darf man auf den zweiten Band, der sich mit „Ideologisierung und Entideologisierung“ befasst, und vom Verlag für Ende 2005 angekündigt ist.
Autor: Bernd Kleinhans
Christer Petersen (Hg.): Zeichen des Krieges in Literatur, Film und den Medien, Band I: Nordamerika und Europa, Verlag Ludwig, Kiel 2004, 330 Seiten, 24,90 Euro