Der Dokumentarfilm „Under the Sky of Damaskus“ zeigt den Versuch einer Gruppe syrischer Frauen, die tief verwurzelte Frauenfeindlichkeit ihres Landes in einem Theaterstück aufzuzeichnen und aufzudecken. Basierend auf vielen anonymen Interviews betroffener Frauen demonstriert der Film, der von Heba Khaled („People of the Wasteland“), dem Oscar-nominierten Talal Derki (“Of Fathers and Sons”) und Ali Wajeeh inszeniert wurde, dabei die harte Realität, mit der die Frauen tagtäglich konfrontiert sind.
Die zahlreichen Zeugenaussagen in der Dokumentation geben einen klaren Einblick in das Leben syrischer Frauen. So beginnt der Film mit einer Frau, die erzählt, wie ihre Weigerung, mit einem hochrangigen Militäroffizier zu schlafen, sie ins Gefängnis brachte. Eine andere junge Frau erzählt, dass ihr Vater bei Wutausbrüchen so aggressiv wird, dass er Dinge im Haus zerstört oder seine Wut an ihr auslässt und sie schlägt. Manche dieser Gewaltausbrüche endeten für sie sogar im Krankenhaus. Eine andere Frau berichtet, dass ihr Mann zwei weitere Frauen geheiratet hat und so sie und ihre Töchter als Dienerinnen behandelt werden. In einem Zentrum für gehörlose und stumme Frauen erzählt ein Mitarbeiter von Frauen, die dort sexuell angegriffen oder missbraucht wurden. Eine junge Frau wurde dort einmal von drei Männern vergewaltigt, die wussten, dass sie taub war und sie somit nicht kommen hören würde. Als ob dies nicht genug wäre, entschied das Gericht, dass der erste Vergewaltiger sie heiraten müsse, damit die Ehre ihrer Familie wiederhergestellt sei.
Regisseurin Khaled, die in einem konservativen Milieu in Syrien aufgewachsen ist, ist von diesen Aussagen weniger überrascht. Sie sagt dazu: „Ich habe diese Geschichten seit meiner Kindheit gehört.“ Überraschend für sie war die Bereitschaft vieler Frauen, so offen über diese Themen zu sprechen: „Sie warten auf eine Bühne oder eine Plattform, wo sie von all ihrem Schmerz erzählen können.“ Auch Ali Wajeeh, der in Damaskus die Interviews gedreht hatte, war beeindruckt von der Kraft der Frauen, die über ihre schrecklichen Erlebnisse so frei sprachen.
Als eine der Schauspielerinnen, die in dem Theaterstück auftreten sollte, plötzlich ankündigte, dass sie aufgrund eines ausgesprochenen Teilnahmeverbots seitens ihres Mannes nicht weitermachen könne, geriet die Produktion ins Stocken. Einige Zeit später wurde allerdings bekannt, dass dies nicht der eigentliche Grund für ihren Ausstieg war. Es stellte sich heraus, dass ein am Projekt ebenfalls beteiligter Mann sie zu sexuellen Handlungen gedrängt und ihr mit negativen Konsequenzen gedroht hatte, sollte sie sich seinen Avancen nicht beugen. Das Thema sexuelle Belästigung und patriarchalische Herrschaft, welche in diesem Stück gezeigt werden sollte, machte nicht einmal vor dieser Produktion Halt.
Doch dies sollte leider nicht die einzige Krise bleiben: Die Regisseurin des Theaterstücks, Farah Al Dbyaat, äußerte ihre Unzufriedenheit mit dem Text, an dem sie und die teilnehmenden Schauspielerinnen gearbeitet hatten. Schließlich übertrug sie die Aufgabe an einen Mann, der die Geschichte für die männliche Perspektive -wie zu erwarten- sympathischer gestaltet. Die gebürtige Syrerin Khaled sieht dies als Beweis dafür, wie sehr die männliche Hegemonie die Sichtweise von Frauen auf ihre eigenen Erfahrungen beeinflusst. „Frauen in Syrien, die nach Freiheit streben, wissen nicht genau, wie sie aussieht“, sagt sie. „Deshalb glaubt Farah beispielsweise nicht, dass sie eine Verräterin ist.“
Syrien hat mehr als ein Jahrzehnt Bürgerkrieg erlebt, und einige Figuren im Film diskutieren, ob Damaskus oder sogar ganz Syrien in eine Nachkriegsphase eingetreten ist. Die Filmemacher sind sich einig, dass die Männer, die Damaskus regieren, jetzt ungestraft handeln und Frauen so abscheulich behandeln können, wie sie es wünschen. So sagt die mittlerweile in Deutschland im Exil lebende Khaled: „Die Männer, die politisch und militärisch die Macht haben, sind die Gewinner. Und deshalb missbrauchen sie weiterhin die Rechte der Frauen. Die Männer, die keine Macht haben, haben Syrien längst verlassen. Diejenigen, die bleiben, sind stärker und haben politische Verbindungen. Sie haben die Macht, die ganze Gesellschaft zu führen.“
Die grausame Behandlung von Frauen ist nicht auf Syrien beschränkt. Millionen von Frauen in der islamischen Welt leben unter der Herrschaft der Männer, sind ihren Regeln und ihrer Macht unterworfen. Jedes Jahr werden hunderte Frauen brutal getötet, um die „Ehre“ der Männer zu schützen. Dabei sind die Mörder normalerweise nahe Verwandte, oft der Vater, Ehemann oder Bruder des Opfers. „Under the Sky of Damascus“ widmet sich „In Erinnerung an die Tausenden von Frauen im Nahen Osten, die von männlichen Familienmitgliedern getötet wurden.“