
The Narrow Road to the Deep North. Land: AUS 2025. Regie: Justin Kurzel. Jacob Elordi. Sektion: Berlinale Special 2025. Datei: 202518038_1. © Curio Pictures
Ein episches Drama über Krieg, Liebe und Erinnerung
Mit „The Narrow Road to the Deep North“ präsentiert Justin Kurzel eine eindringliche und visuell beeindruckende Miniserie, die auf dem gleichnamigen, preisgekrönten Roman von Richard Flanagan basiert. Die Serie feierte ihre Weltpremiere in der Sektion Berlinale Special Series Gala und hinterließ bei ihrer Vorführung einen bleibenden Eindruck. Mit einer herausragenden Besetzung und einer meisterhaften Inszenierung gelingt es Kurzel, ein komplexes Geflecht aus Kriegstrauma, Liebe und Schuld zu erschaffen, das lange nachhallt.
Im Zentrum der Handlung steht Dorrigo Evans, ein australischer Sanitätsoffizier, dessen Leben durch den Zweiten Weltkrieg unwiderruflich geprägt wird. Die Serie erzählt auf mehreren Zeitebenen: 1943 erleben wir Dorrigo (gespielt von Jacob Elordi) als Kriegsgefangenen in einem japanischen Lager an der Thailand-Burma-Eisenbahn. Dort kämpft er unter unmenschlichen Bedingungen ums Überleben und versucht gleichzeitig, seine Kameraden zu schützen. Diese Szenen sind von einer schmerzhaften Intensität geprägt – die Erschöpfung, das Leid und die Grausamkeit des Krieges werden in ungeschönten Bildern eingefangen.
Parallel dazu zeigt die Serie Dorrigos Leben vor dem Krieg, als er eine leidenschaftliche Affäre mit Amy Mulvaney (Odessa Young), der Frau seines Onkels, hatte. Diese Erinnerungen sind für Dorrigo ein Fluchtpunkt aus der Hölle des Kriegsalltags. Schließlich springt die Handlung in das Jahr 1989: Der ältere Dorrigo (nun gespielt von Ciarán Hinds) ist ein gefeierter Chirurg und Kriegsheld, der jedoch innerlich zerrissen bleibt. Seine Memoiren stehen kurz vor der Veröffentlichung, doch die Geister seiner Vergangenheit lassen ihn nicht los.
Justin Kurzel gelingt es, die verschiedenen Zeitebenen durch fließende Übergänge nahtlos miteinander zu verbinden. Die Kameraarbeit ist herausragend: Während die Szenen im Lager von düsteren Farben und bedrückender Enge geprägt sind, strahlen die Rückblenden in Dorrigos Vergangenheit eine fast surreale Schönheit aus. Diese Kontraste verstärken die emotionale Wirkung der Serie und unterstreichen die Zerrissenheit des Protagonisten.
Besonders hervorzuheben ist die Darstellung des Kriegsgefangenenlagers. Hier zeigt Kurzel schonungslos die Grausamkeit des Krieges und gleichzeitig die Widerstandsfähigkeit des menschlichen Geistes. Die Szenen sind intensiv und schwer zu ertragen, aber niemals voyeuristisch. Stattdessen gelingt es der Serie, den Fokus auf die Menschlichkeit ihrer Figuren zu legen.
Die Besetzung von „The Narrow Road to the Deep North“ ist exzellent. Jacob Elordi überzeugt als junger Dorrigo Evans mit einer nuancierten Darstellung, die sowohl Stärke als auch Verletzlichkeit zeigt. Seine Transformation vom idealistischen jungen Mann zum gezeichneten Gefangenen ist beeindruckend. Ciarán Hinds ergänzt diese Darstellung perfekt: Sein älterer Dorrigo ist ein Mann voller Widersprüche – äußerlich erfolgreich, innerlich jedoch von Schuldgefühlen und unerfüllten Sehnsüchten geplagt. Odessa Young verleiht Amy Mulvaney eine fesselnde Präsenz und macht ihre Figur zu weit mehr als nur einer romantischen Erinnerung. Ihre Szenen mit Elordi gehören zu den emotionalsten Momenten der Serie. Auch Simon Baker als Keith Mulvaney und Masa Yamaguchi als japanischer Offizier Fukuhara liefern starke Nebenrollen ab.
„The Narrow Road to the Deep North“ ist weit mehr als eine klassische Kriegsserie. Sie thematisiert nicht nur die physischen und psychischen Auswirkungen des Krieges, sondern auch universelle Fragen nach Liebe, Schuld und Vergebung. Besonders eindrucksvoll ist die Art und Weise, wie die Serie mit Erinnerung arbeitet: Für Dorrigo sind Vergangenheit und Gegenwart untrennbar miteinander verbunden – ein Thema, das Kurzel visuell brillant umsetzt. Die Serie basiert auf wahren Begebenheiten und den Berichten australischer Kriegsgefangener während des Baus der Thailand-Burma-Eisenbahn. Obwohl Dorrigo eine fiktive Figur ist, fühlt sich seine Geschichte erschreckend real an. Dies liegt nicht zuletzt an der sorgfältigen Recherche und den authentischen Details, die in jede Szene eingeflossen sind.
„The Narrow Road to the Deep North“ ist ein außergewöhnliches Werk, das durch seine visuelle Kraft, seine tiefgründige Erzählweise und seine herausragenden Darsteller besticht. Justin Kurzel hat eine Serie geschaffen, die sowohl erschüttert als auch inspiriert – ein eindringliches Porträt eines Mannes im Kampf mit seinen inneren Dämonen und ein bewegendes Zeugnis für die Widerstandskraft des menschlichen Geistes.
The Narrow Road to the Deep North – von Justin Kurzel (Regie) / mit Jacob Elordi, Ciarán Hinds, Odessa Young, Olivia DeJonge, Simon Baker / 90′ / Australien 2025 / Farbe / Englisch, Japanisch / Untertitel: Englisch
Berlinale 2025 – Sektion Berlinales Special Gala