
Stepan Bandera (ca. 1934)
Stepan Andrijowytsch Bandera wurde am 01.01.1909 in Österreich-Ungarn (Staryj Uhryniw) geboren. Gestorben am 15.10.1959 in München. Er war ein nationalistischer ukrainischer Politiker und Partisanenführer. Erst war er der Held der Ukraine und später wurde ihm diese Anerkennung wieder aberkannt. Kaum einer steht so für den Zwiespalt des Landes wie Bandera, der gegen Nazis und Russen kämpfte. Sein Name sorgt bis heute noch für vielseitige Emotionen. Eigentlich sollte die Ehrung „Held der Ukraine“, die Stepan Bandera postum erhielt, für die Ewigkeit sein. Etwas für die Nachwelt und für die Geschichtsbücher. Es sollte Menschen aus den verschiedensten Landesteilen vereinen. Diese Ehrung hielt allerdings nur ganze 39 Tage.
Am 22.10.2010 wurde ihm dieser Ehrentitel verliehen. Er hielt ihn für seinen Kampf um Freiheit für die Ukraine. Diesen Ehrentitel verlieh ihm der damalige, scheidende Präsident Wiktor Juschtschenko. Sein Nachfolger hingegen kündigte sofort an, Bandera diesen Titel wieder abzunehmen. Dem kam ein Gericht in seiner Heimatstadt Donezk dann am 02.04.2010 nach. Der Titel wurde Bandera aberkannt. Was zunächst wie ein Machtgehabe zweier zerstrittener Politiker aussieht, lässt aber bei genauem Durchleuchten einen durchdringenden Blick in die Seele der Ukraine zu. Der Fall Banderas und andere ähnlich gelagerte Fälle lassen unweigerlich die Deutung zu, wie gespalten die Ukraine ist. Es ist schwierig sich auf eine gemeinsame Bewertung der eigenen Identität und Geschichte zu verständigen. Der Nationalismus hat bis heute in der Ukraine geschichtliche Wurzeln, die bis heute noch für große Emotionen sorgen.
Volksheld oder Kriegsverbrecher?
Im russisch bestimmten Osten der Ukraine gilt Bandera bis heute noch als Kriegsverbrecher. Gleiche Einschätzungen kommen da aus Russland und Polen. In Schulbüchern der Sowjetunion wurde er lange Zeit als Bösewicht schlechthin dargestellt und dass er Hauptverantwortlicher für die vielen Massaker an den Zivilisten in Polen im zweiten Weltkrieg war. Im Westen der Ukraine wird er hingegen gefeiert, der sich gegen deutsche sowie sowjetische Aggressoren gewehrt hatte. Einige Straßen im Westen tragen sogar seinen Namen. Es gibt Büsten von ihm und im früheren Lemberg (heute Lwiw) soll sogar ein Mausoleum für ihn errichtet werden.
Wie kommt es aber, dass ein Mann nach über 25 Jahren seines Todes noch solche gegensätzliche Emotionen auslöst?
Der Ursprung dafür dürfte in der Zwischenkriegszeit liegen. Hier war die Ukraine eine Nation ohne Regierung. Viele Ukrainer machten sich nach dem Ersten Weltkrieg Hoffnung auf einen eigenen Staat, da die Doppelmonarchie zwischen Österreich und Ungarn zerfiel. Im Jahre 1918 rief man eine West-Ukrainische Volksrepublik aus. Diese Volksrepublik konnte aber zwischen den machtpolitischen Spielen zwischen Polen und Sowjetunion nicht bestehen. Galizien, das größte Gebiet der Ukraine, kam Polen nach 3 Jahren zu. Der Rest ging an Rumänien und die Tschechoslowakei. Die Bolschewiken hingegen setzten sich weitestgehend im Osten durch. So entstand die USSR (Ukrainische Sowjetische Sowjetrepublik), die später dann auch Mitglied der neuen UdSSR wurde.
Deshalb wollten sich brennende Nationalisten wie eben Bandera nicht mit dieser Situation zufrieden geben. Vor radikalen Methoden wurde von Beginn an nicht zurückgeschreckt. Anschläge auf Politiker u. a. dem polnischen Innenminister der für die ukrainische Minderheit verantwortlich gemacht wurde. Bandera wurde damals als Drahtzieher dieses Mordanschlags verantwortlich gemacht und musste 1935 ins Zuchthaus. Vier Jahre später überfiel die Wehrmacht Polen und daraufhin ließ man Bandera wieder frei. Die Hoffnung war natürlich diejenige, dass sie ihn als einen willfährigen Gleichgesinnten im Krieg gegen die Sowjetunion nutzen konnten. Der Gedanke war, er könne angriffslustige Revolten in der Ukraine arrangieren.
Nach der Kooperation wartete das KZ auf Stepan Bandera
Der OUN (Organisation Ukrainischer Nationalisten) war anfangs jedes Mittel Recht für die Entstehung einer eigenen Regierung. So kämpften schließlich zwei ukrainische Bataillone in der Streitmacht gegen die Sowjetunion. Es schien alles nach Plan zu verlaufen. Doch plötzlich marschierte Bandera auf dem Marktplatz in Lemberg auf und erklärte die Ukraine am 30.06.1941 für unabhängig. Dies erfolgte ohne Rücksprache seiner deutschen Partner. Jaroslaw Stezko wurde unmittelbar zum „Regierungschef“ ernannt. Naiv, denn die Streitmacht hatte Lemberg noch gar nicht erreicht. Dieser tragische Schritt Banderas war später Ausgangspunkt für seine Beurteilung. 5 lange Tage dachte die OUN am Ziel zu sein und dass die Deutschen dem ukrainischen Volk wirklich Unabhängigkeit einräumen würden. So hatte es der NS-Ideologe Alfred Rosenberg beteuert. Daraufhin erschienen SS-Einheiten, nahmen Bandera fest und brachten ihn ins KZ in Sachsenhausen.
Den Anhängern war dies ein eindeutiger Beweis dafür, dass Bandera Opfer des 3. Reichs geworden ist und dass es ihm alleine um das Wohl der Ukraine ging. Die Gegner Banderas veröffentlichten gerne Fotos, in denen Bandera inmitten von deutschen Offizieren zu sehen war. Obwohl Bandera bis 1944 in Haft blieb, machten seine Gegner ihn mitverantwortlich an den Mordanschlägen, die die OUN begangen hatte; besonders an Juden und Polen. Eine Division der ukrainischen Waffen-SS fand ab 1943 statt. Der Hintergrund dieser schrecklichen Taten war einzig und allein, die Ukraine als ethnisch reinen Staat zu haben. Angaben zufolge wurden ca. 80.000 Polen der ukrainischen Miliz getötet. Am schlimmsten fielen die Massaker im Distrikt der heutigen westlichen Ukraine aus, die damals noch zu Polen gehörte.
Keine unabhängige Ukraine
Irgendwann entwickelte sich aus allem ein Kampf. Plötzlich hieß es: Jeder gegen Jeden. Selbst bei den Deutschen merkten die Ukrainer schnell, dass sie dort verachtet wurden. Deshalb war der Feind für sie überall. Selbst die OUN war nunmehr aufgesplittet in mehrere Fraktionen. Mal ringen sie gegen die Streitmacht und mal gegen die Rote Armee. Und was passierte mit Stepan Bandera? Als die Wehrmacht von der Roten Armee zurückgedrängt wurde, entließ man Bandera 1944 aus dem Gewahrsam. Bandera kämpfte jetzt gegen die Russen; mit deutschen Waffen. Und schließlich mit denjenigen Waffen auch gegen Deutsche.
Dass Bandera heute als patriotisches Vorbild bei den demokratisch gesinnten Ukrainern gilt, hat mehrere Gründe. Den Einen kommt der radikale Nationalismus in der Ukraine nicht so negativ besetzt vor wie der in Russland. Dies rührt daher, dass er in der Vergangenheit mehr damit beschäftigt war, diktatorische Regimes zu attackieren, anstatt selbst welche zu erschaffen. In diesem Urteil dürften sich die Westukrainer auch nach dem russischen Angriff auf die Krim bestätigt sehen. Und ausgerechnet die Sowjetunion war es, die Bandera während seiner Abwesenheit noch beliebter machte. Der KGB-Agent Bogdan Stachinski tötete nämlich 1959 Bandera in dessen Münchner Zufluchtswohnung mit einem Revolver; aber mit einem Revolver, der Blausäuredampf ausstieß. Fast ein perfektes Verbrechen, denn alles deutete auf plötzlichen Herzstillstand hin. Den Täter jedoch packten letztendlich Gewissensbisse. Er gestand alles vollumfänglich und stellte sich freiwillig den Behörden in Deutschland. Stepan Bandera wurde somit zum Märtyrer und zugleich auch zum Vorbild für alle, die das russische Eingreifen in die Ost-Ukraine eindämmen wollten.
Autor: Bernd Fischer
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https://www.spiegel.de/geschichte/stepan-bandera-umstrittener-ukrainischer-nationalist-a-958230.html