Basierend auf wahren Begebenheiten erzählt „Skin“ die Geschichte des Szeneaussteigers Bryon Widner (Jamie Bell). Guy Nattiv präsentiert mit seinem Langspielfim-Debüt einen Einblick in den White Supremacy – Kult, mit dem Bryon groß geworden ist. Geprägt durch seine eigene Familie, überzeugten Anhängern der Ideologie, entwickelt Bryon unweigerlich denselben Hass tief in seinem Inneren. Auch nach außen hin zeigt er wer er ist und wofür er steht: Sein Körper ist überzogen mit Tattoos, darunter zahlreiche rechte Parolen und Symbole.
Bryon ist überzeugter Anhänger des Kults mit den Anführern des Clans Fred und Shareen Krager (Bill Camp und Vera Farmiga) an seiner Seite, die als Ersatzeltern fungieren. Hinzu kommen die anderen Mitglieder seiner Gang – meist gewaltbereite, aggressive Männer, die zu allem bereit sind, um ihre Überzeugungen und Glaubensgrundsätze durchzusetzen.
Trotz des Zusammenhalts und der Sicherheit, die Bryon an den Clan binden, beginnt er zunehmend an der Richtigkeit der Ideologie zu zweifeln. Seine Bedenken verstärken sich schlagartig als er Julie Larson (Danielle Macdonald) und ihre Töchter kennen- und lieben lernt. Zu diesem Zeitpunkt hat sich Julie von der Szene bereits abgewendet und möchte weder mit dem Hass noch der Gewalt etwas zu tun haben. Sie stellt Bryon vor die Wahl: Er soll sich für eine Familie entscheiden, denn beides könne er nicht vereinbaren. Aus Liebe, Erkenntnis und dem inneren Drang das Richtige zu tun, entschließt sich Bryon schlussendlich auszusteigen. Damit ihm das gelingt, holt er sich Hilfe von Daryle (Mike Colter), einem Menschenrechtsaktivisten, der ihn bei seiner Entscheidung unterstützt. Mit dem Versuch sich von seinem rassistischen Clan zu trennen und der Nazi-Szene endgültig den Rücken zu kehren, erlebt Bryon folgenschwere Konsequenzen, mit denen er nicht gerechnet hat.
Mehrere Jahre hat es laut dem israelischen Regisseur Nattiv gedauert, die Erzählung fertigzustellen, ehe die Produktion abgesegnet wurde. Grund dafür waren antisemitische Vorfälle in den USA. Dass der finanzielle Aspekt dabei ein Problem darstellte, wird spätestens dann klar, wenn man die Inszenierung und die Darstellung der unterschiedlichen Charaktere unter die Lupe nimmt. Dass der Regisseur Neonazis in keinem guten Licht darstellen wollte, kann man ihm nicht verübeln, dennoch zeichnen sich die Figuren meist durch Oberflächlichkeit und der Anhäufung von Klischees aus. Eine Portion Sensibilität an dieser Stelle und etwas mehr psychologischer Tiefgang hätten dem Ganzen sicherlich keinen Abbruch getan. Ganz im Gegenteil – der weiße, tätowierte und ungebildete Nazi gehört zum Standard-Cast solch ähnlicher Produktionen, weshalb ein bisschen Abwechslung nicht geschadet hätte.
Abgesehen davon gelingt Nattiv mit „Skin“ dennoch ein mitreißendes Drama, das an keiner Stelle versucht, die Taten seines Protagonisten zu rechtfertigen. Trotz der Härte, die Nattiv in seiner Inszenierung an den Tag legt, steht der Glaube an das Gute im Menschen im Fokus der Erzählung. Frei nach dem Motto, eine Meinung zu besitzen, fällt nicht schwer – diese aber entgegen allem Widerstand zu ändern und dazu zu stehen, kann so einige Hindernisse mit sich bringen. Ob man den Glauben an etwas, von dem man so felsenfest überzeugt war, wirklich verlieren und in all seinen Grundfesten aufgeben kann, sei dahingestellt. Was zählt, ist der Wille zur Veränderung – die Vergangenheit völlig ausblenden, schaffen vermutlich nur die Wenigsten.
Jamie Bell schafft es mit Bravour der komplexen Rolle des Bryon Widner gerecht zu werden, sprich, die Figur zu humanisieren, ohne die Thematik dabei zu relativieren. Glaubwürdig verkörpert er sowohl einen Skinhead, der blind seiner rassistischen Familie folgt und gehorcht, als auch den Mann, der sich seiner Fehler und Schwächen bewusst ist und sich dafür schämt
„Skin“ greift eine brisante Thematik auf, verzichtet dabei auf jegliche Heroisierung und stellt das Publikum vor die Frage, ob man Menschen wie Bryon überhaupt erfolgreich sozialisieren kann. Obwohl der Film diese Frage bejaht, wird die Entscheidung darüber jedem offengelassen. Ein emotionales Drama, das aufrüttelt und zum Nachdenken anregt – zu einem Thema, das stets aktuell und wichtig in Bezug auf Reflexion ist. Die unangenehme Gewaltdarstellung kombiniert mit der unerschütterlichen Hoffnung, dass sich der Mensch ändern kann, wirkt definitiv nach.
Skin
Regie: Guy Nattiv
USA 2019, Englisch
117 Min · Farbe
Berlinale – Sektion Panorama