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Eckart Dietzfelbinger / Gerhard Liedtke: Nürnberg − Ort der Massen. Das Reichsparteitagsgelände. Vorgeschichte und schwieriges Erbe. Ch. Links, Berlin 2004, 160 Seiten, ISBN 3-86153-322-7, EUR 29,90. |
Die Reichsparteitage der NSDAP in Nürnberg gehören zu den monströsesten Propagandainszenierungen des Dritten Reiches. Einmal jährlich im Spätsommer versammelten sich hier zeitweise rund eine Million Menschen – Besucher und aktive Teilnehmer – um dem Führer Hitler zu huldigen. Aufmärsche, nächtliche Fackelzüge, Fahnenweihen und Reden bestimmten das Bild des Propagandaspektakels.
1933 wurde auf Veranlassung Hitlers Nürnberg zur „Stadt der Reichsparteitage“ und das Parteitagsgelände am Stadtrand systematisch ausgebaut. Zahlreiche Monumentalbauten wie die „Kongresshalle“ entstanden oder wurden projektiert, etliche Großbauten wie das „Deutsche Stadion“ blieben kriegsbedingt bereits in der Planung stecken.
Eckart Dietzfelbinger und Gerhard Liedtke geben mit diesem Buch eine umfassende Zusammenschau der Geschichte des Reichsparteitagsgeländes. Dabei beschränken sie sich nicht auf die NS-Zeit, sondern verfolgen die Historie zurück bis ins Mittelalter. Anfangs war das Gelände im Bereich des späteren „Dutzendteiches“ ein ausgedehnter Sumpf, der durch geschicktes Aufstauen bereits im 14. Jahrhundert zu einer umfangreichen Teich- und Seeanlage ausgestaltet wurde. Hier siedelten sich schon zu dieser Zeit zahlreiche Betriebe wie Papiermühlen und Druckereien an, zugleich wurde das Gebiet für die Teichwirtschaft genutzt.
Seit dem 19. Jahrhundert wurde das Gelände der späteren Reichsparteitage zu einem wichtigen Naherholungsgebiet Nürnbergs: Hier gab es Wirtshäuser, publikumsattraktive Messen und Ausstellungen, auf dem Gewässer konnte Boot gefahren werden.
Im Mittelpunkt des Buches steht natürlich die nationalsozialistische Umgestaltung dieses Nürnberger Naherholungsgebiet zum Reichsparteitagsgelände. Detailliert werden die einzelnen Bauten und Planungsvorhaben beschrieben. Über die Architekten und Organisatoren der monumentalen Bauvorhaben wird man dabei ebenso informiert wie über die Zwangsarbeiterlager. Sie zeigen auch, wie sich das Leben in Nürnberg durch die Reichsparteitage änderte. Die Autoren weisen aber auch auf den schwierigen, oftmals hilflosen Umgang mit den Überresten der Nazizeit in der jungen Bundesrepublik hin.
Mit der Errichtung eines Dokumentationszentrums 2001 in der ehemaligen Kongresshalle ist nun ein neuer Ausgangspunkt der Beschäftigung mit der NS-Zeit gefunden. Das ausgezeichnet recherchierte Buch überzeugt auch durch zahlreiche Bild- und Fotodokumente. Ein ausführliches Literaturverzeichnis schließt das Buch ab. Der Band ist Fachhistorikern ebenso zu empfehlen wie jedem historisch Interessierten.
Autor (Rezensent): Dr. Bernd Kleinhans M.A.