Im Film „No other Land“ dokumentiert der Palästinenser Basel Adra die dramatischen Folgen der israelischen Besatzung für sein Heimatdorf Masafer Yatta. Die gewaltvolle Vertreibung der Einheimischen und die Zerstörung ganzer Dörfer breiten sich aus wie schleichendes Gift. Über viele Jahre hinweg erfolgten die systematische Entwurzelung einer ganzen Ethnie, der Verlust der eigenen Identität und beruflicher Existenzen. Schon Basels Eltern engagierten sich aus Liebe zu ihrer Heimat als Aktivisten im Kampf für Gerechtigkeit. Als sich die Wege von Basel und dem israelischen Journalisten Yuval Abraham auf schicksalhafte Weise kreuzen, schließen sich die beiden mit Hamdan Ballal und Rachel Szor zusammen, um gemeinsam für Freiheit und Gerechtigkeit zu kämpfen. Was wäre, wenn Frieden wäre? Was würdest Du tun, wenn ich Dich besuchen würde? Insbesondere zwischen Basel und Yuval entwickelt sich eine enge Beziehung, die jedoch durch ihre ungleiche Lebensrealität auf eine harte Probe gestellt wird. Yuval besitzt dank seines israelischen Passes alle Freiheiten, während Basels Leben von Gewalt und Verzicht geprägt ist. Trotz tiefgründiger Gespräche und ihrer jahrelangen, vertrauensvollen Zusammenarbeit scheinen die Gräben unüberwindlich.
Das israelisch-palästinensische Kollektiv zeichnet den vielschichtigen Konflikt in Perfektion nach. Eindrückliche Aufnahmen bezeugen die willkürliche Machtausübung Israels und die Unterdrückung der Palästinenser durch die behördlich administrierten Menschenrechtsverletzungen. Beeindruckende Bilder zeigen den Kontrast zwischen Freiheit und Besatzung der Dörfer bei Hebron. Die mutwillige Zerstörung von Wirtschaft, lebenswichtiger Infrastruktur, Heimathäfen und beruflichen Existenzen führt die Willkür sowie allgegenwärtige Macht der Besatzer kompromisslos vor Augen. Die unorthodoxe Kameraführung von Rachel Szor wird durch originale Aufnahmen mit der Handkamera von Basel ergänzt. Markerschütternde Schreie, Sirenen, emotionale Ausbrüche und Aggression lassen das Publikum nicht nur mitfühlen, sondern machen es zum Teil des Geschehens. Die Zerstörung der örtlichen Schule illustriert das sich zunehmend schneller drehende Rad von Heimatlosigkeit und Gewalt.
Unheilvolle Szenen wechseln sich mit intimen Augenblicken der Vertrautheit ab und schaffen einen krassen Spannungsbogen. Hamdan verleiht dem Film durch seinen kritischen Geist und Hang zur scharfzüngigen Ironie eine wohltuende Prise Humor; etwa, als er Yuval beim Kennenlernen als Menschenrechts-Israeli bezeichnet. Im zeitlichen Querschnitt dokumentiert die norwegische Co-Produktion durch dramatische Szenen die sukzessive Auslöschung ganzer Dörfer und Vertreibung des palästinensischen Volkes – von der Öffentlichkeit weitestgehend unbeachtet. Ein Werk, das als Plädoyer für Frieden, Menschenrechte sowie Selbstbestimmung gekonnt eine Brücke zwischen Politik und individueller Lebensrealität schlägt. Trotz des erschütternden Ausmaßes an Ohnmacht vermag das Vierergespann es virtuos, den Funken der Hoffnung am Glimmen zu halten.
Die norwegisch-israelische Co-Produktion entstand durch die Kooperation von Yabayaya Media (Palästina) und Antipode Films (Norwegen). Sie erschien in der Sektion Berlinale Panorama und wurde für den Dokumentationsfilmpreis nominiert. Bereits als Kind verschrieb sich Basel der Dokumentation der Zerstörung seiner Heimat durch schweres Gerät. Schon seine Eltern waren engagierte Aktivisten. Sie legten dem Sohn ein tiefes Gerechtigkeitsempfinden sowie die bedingungslose Liebe zur Weite und Geborgenheit Palästinas mit in die Wiege. Das Zeugnis des Widerstands bot effektive Abhilfe gegen die allgegenwärtige Ohnmacht. Besonders seine mit der kleinen Handkamera, teilweise auf der Flucht gefilmten Bilder transportieren die politisch aufgeladene Atmosphäre meisterlich und machen das Chaos fast anfassbar. Mutig konfrontiert er Soldaten und Verantwortliche mit ihrem unethischen Handeln, um dem „leisen Krieg“ zu begegnen.
Heute engagiert sich der heimatverbundene Aktivist unter anderem als ehrenamtlicher Fotograf für die Menschenrechtsorganisation B’tselem. Gemeinsam mit anderen kreativen Köpfen kämpft Adra gegen die jüdische Vorherrschaft zwischen Jordan und Mittelmeer, die Unterdrückung des palästinensischen Volkes sowie die systematische Etablierung der Apartheid. Die Musik zur Doku stammt aus der Feder des isländischen Musikers Julius Pollux Rothlaender. Er ist unter anderem bekannt für sein Mitwirken an „Sprich mit mir“ (2023) und „Das starke Geschlecht“ (2021). Mit dem zeitgenössischen musikalischen Multitalent hat das Quartett einen weiteren großen Namen an Bord, welcher die ernste Thematik mit angemessenen Tönen empathisch untermalt.
„No other Land“ ist eine bittersüße, lebensnahe Hommage an das verlorene Palästina. Die Premiere der Dokumentation anlässlich der 74. Berlinale sollte eine Plattform für den friedlichen Dialog zum Nahostkonflikt bieten. Der aktuelle Konflikt zwischen Hamas und Israeli im Gazastreifen wurde im Film nur indirekt thematisiert. Der aufgeheizten Stimmung wurden sich selbst weniger aufmerksame Beobachter gewahr. „Free Palästina“- und „Defend Democracy“-Rufe von Anwesenden zeugten von der politischen Brisanz und fortbestehenden Aktualität des schwelenden Konflikts.