Der Georg-Elser-Biograf Hellmut G. Haasis besuchte mit Entsetzen eine weitere Macht-Inszenierung der Nazis im Stuttgarter „Haus der Geschichte“
Dieses “Haus für Geschichte“ verfolgt seit geraumer Zeit eine ungute Linie. Es untersteht eigentlich dem Wissenschaftsministerium, leistet aber nichts, was man zur Wissenschaft rechnen könnte.
Vor zwei Jahren inszenierte es den lupenrein antisemitischen Film „Jud Süß“ (1940) von Goebbels‘ Lieblingsfilmer Veit Harlan. Der im Jahr 1738 in Stuttgart ermordete jüdische Geschäftsmann Joseph Süß Oppenheimer kam in diesem Haus unter die Räder einer Sensationsmache.
Die neue Ausstellung setzt diese Linie fort. Hitlers LIEBLINGSGENERAL ERWIN ROMMEL wird „restauriert“. Kosten werden nicht gescheut: schlappe 300.000 Euro. Stuttgart hat es ja – aber wofür? Und die einfachen Leute auf dem Land dürfen diesen Dreck auch noch bezahlen.
Mythos Rommel? In keinem Schaukasten wird der Mythos erklärt, geschweige denn auf einen verständlichen Ursprung zurückgeführt. So kommt der Verdacht auf, in krisengeschüttelten Zeiten bemühe sich das „Haus der Geschichte“ verkrampft, einen Mythos zu schaffen, den wir heute gewiss nicht brauchen.
Von einem „Mythos“ konnte man bei Rommel vielleicht für die Nachkriegsgeneration und die UNBELEHRBAREN reden. Alle sind abgetreten. Bewunderer des angeblichen „Wüstenfuchses“ gibt es bloß noch im Show-Geschäft, das sich generell nicht scheut, zwielichtige Gestalten des braunen Milieus wiederzubeleben. Die Kasse klingelt.
Die Ausstellung leistet in keiner einzigen Vitrine Aufklärung.
Man wüsste zu gerne, was das Geniale von Rommels Kriegsführung in Afrika war. Seine eklatanten Fehler bleiben ausgespart: Malta nicht besetzt, stattdessen das weniger wichtige Kreta; die Nachschublinien den englischen Flugzeugen ausgeliefert; zwei Drittel des Nachschubs gingen unter, das muss man in Bildern zeigen: mit 1.500 oder mehr armen Soldaten untergehende Schiffe, darunter unsere Väter, Großväter, Onkels; viel zu riskante, strategisch unsinnige Husaren-Ritte über unbedeutendes Gelände. Jeder kleine Geländegewinn ein Scheinerfolg, in wenigen Wochen wieder verloren.
Der Ausstellung ist am schwersten anzukreiden, dass man nirgends herausgestellt sieht, wie viele Menschen beim Nordafrika-Feldzug verreckten. Selbst MILITARISTEN, die die Opfer gerne herunterrechnen, geben 150.000 Tote an, Zivilisten natürlich nicht mitgerechnet, die toten Matrosen möglichst auch nicht. Wir müssen von mehr als 250.000 Toten ausgehen.
Das gehört gleich am Eingang groß angeschrieben. Der Jubel über die Stuttgarter „Helden“-Ausstellung wäre auf HALBMAST zu setzen. Eine Viertelmillion Menschenleben für Hitlers Liebling Rommel.
Wie der siegreiche englische General Bernard MONTGOMERY die vielen Toten „verarbeitete“, hätte nicht verschwiegen gehört. Nach dem Krieg kehrte er erschüttert nach El Alamein zurück und wurde mit seiner Trauer über die toten Kameraden schier verrückt. – Daraus ließe sich etwas lernen.
Hitlers liebster General dagegen? Kein einziges Wörtchen von ihm über die Schlächterei. Es dominiert der strahlende „Held“, den man gleich am Beginn der Ausstellung makabrer als SCHÖNE LEICHE auf der Ulmer Nazi-Trauerfeier begleiten darf. Wenn so etwas erneut inszeniert wird, will man wissen, zu welchem Erkenntniszweck. Die Ausstellungsmacher schweigen – sie haben nichts zu sagen.
Was bekommen die Zuschauer zu sehen? Gleich links in der ersten Vitrine Erwins Kinderstühlchen. In den nächsten Vitrinen folgen unsägliche Rommel-Reliquien: Auto-Standarte, Feldkiste, Ledermantel, Uniformjacke, Feldstecher, Leica-Fotoapparat, Marschallstab (sieht aus wie ein Stück Karneval) und die berühmte Staubbrille auf der Uniformmütze.
Wohin man blickt: Rommel-Bilder bis zum Abwinken. Schräg von der Decke hängend der Held. Der Unglück bringende Herr wird aus seiner militärischen Umgebung herausgeschnitten, fast nirgends steckt er mitten im Kriegsgeschehen.
Angesichts der Ulmer Trauerfeier fragt man sich irritiert, warum um alles in der Welt hat sich Rommel umgebracht? Die Heiligenlegende behauptet, im Weigerungsfall wäre die Familie in Sippenhaft gekommen. Nun ja, das haben viele andere auch mitgemacht, die meisten haben’s überstanden. Die Familie Stauffenberg hat deswegen nicht gejammert.
In der Ausstellung finden wir die Aussage der beiden Herren, die Hitlers Giftkapsel überbrachten: Im Weigerungsfall würde Rommel vor den Volksgerichtshof gestellt. Mehr nicht!
Ein Militärführer weicht vor FREISLERS Tobsuchtsanfällen zurück? Die Geschwister Scholl und andere Hitlergegner haben aufs tapferste diesem hochkriminellen Schreihals Widerstand geleistet, ihm das Wort genommen. Sie sind als leuchtende Beispiele in unsere Geschichte eingegangen. An denen hätte sich Rommel ein Vorbild nehmen können, wenn er menschlich wie politisch Substanz gehabt hätte.
Aber da war nichts. Er ist aus Angst, Feigheit und Unsicherheit in den Tod gegangen. Ein fotogener General, der sich überall voller Narzissmus ablichten ließ, hatte in der letzten Gefahr nichts gegen Hitlers Schergen zu setzen. Das ist nur unendlich TRAURIG, nicht heroisch.
Wir wollen die handwerklichen Fehler dieser Ausstellung nicht übergehen. Das Literaturverzeichnis bringt es an den Tag: Rommels Unfähigkeit in Sachen Spionageabwehr kommt nicht in den Blick. Deshalb fehlt ausgerechnet das Werk des polnischen Militärhistorikers Janusz Piekalkiewicz: Rommel und die Geheimdienste in Nordafrika 1941-1943 (1998).
Rommels Planungen wurden vom englischen Nachrichtendienst entschlüsselt und unterlaufen. Wie reagierte der Feldherr darauf? Mit der typisch deutschen Hysterie: Verräter seien die Italiener gewesen.
Solcher Schwachsinn wäre zu inszenieren gewesen: Ein Feldherr versteht nichts vom Nachrichtendienst. Er ist ein kleiner Infanterieoffizier geblieben, wie 1917.
Aus dem italienischen Kriegsgebiet des Ersten Weltkriegs bekommen wir Hunderte unverständlicher Kalenderdaten serviert. Ich kam mir wieder so vor wie um das Jahr 1952, als ich mit kindlichen Augen in Bildbänden über den Ersten Weltkrieg schmökerte. Ohne Begeisterung, ohne Kriegsfreude, der tote Vater stand hinter mir. Ich war gebannt – von so viel Wahnsinn.
Nur war ich damals zehn Jahre alt, und diese Bände dienten der Kriegspropaganda. Es waren Überbleibsel der Dreißiger Jahre auf unserer Bühne, dem Dachboden, in Stuttgart-Bad Cannstatt. – Die Stuttgarter Rommel-Ausstellung erweist sich im Vergleich damit als seit über 50 Jahren überholt.
Rommels Truppe machte 1917 bei einem Marsch auf einen Berg in Slowenien 9.000 Gefangene, seine Leute hatten sechs Gefallene und 30 Verwundete zu beklagen. Wie viele die anderen? Welchen strategischen Nutzen besaß dieser Berg? – Keine Antwort.
Die Front war schon lange erstarrt, dieser Berg taugte zu nichts. – Und dafür erhielt Rommel den höchsten Orden des Militärs. Was können wir 92 Jahre danach aus diesem MILITÄRISCHEN UNSINN lernen?
Rommel war ein politisch überforderter General. „Wüstenfuchs“ wurde er auch von den Engländern genannt, weil er gegen die zehnfach überlegene englische Panzerarmee bei Tobruk ein Überraschungsmanöver riskierte. Wieder nutzlos.
Sein „spektakulärster militärischer Erfolg“ – so predigt die glorifizierende Ausstellung – sei diese Eroberung von Tobruk gewesen, am 21. Juni 1942. Doch in wenigen Monaten sah sich Rommels Armee auf den Ausgangspunkt zurückgeworfen. Wo ist da der Erfolg?
Bei Tobruk hatte er mit zahlenmäßig viel zu schwachen Truppen angegriffen, was furchtbare Todesopfer zur Folge hatte. Rommels Berichterstattung darüber ist eine BESCHÄMENDE NS-Propaganda. Da bleibt kein Mythos übrig, sondern ein großer Dummkopf von Hitlers Gnaden, der die Leute verheizt, für seine eigene Eitelkeit.
Rommel hielt seine Soldaten für blöd. Als er siegreich voranstürmte, durfte jeder fotografieren. Als seine Armee zurückgeworfen wurde, erließ er ein FOTOGRAFIERVERBOT.
Dieses moderne BILDERVERBOT hängt heute auch über dieser Ausstellung. Kein Bild zeigt uns verbrannte Panzer, jämmerlich verreckte Menschen und zerstörte Natur.
Aber dann wird wenigstens etwas am „Widerstandskämpfer“ Rommel zu verstehen sein? Wie fast alle Generale scheute er sich, Hitler ins nazistische Jenseits zu schicken, nach Walhalla. In einer Denkschrift empfahl er zwar Hitler, den Krieg zu beenden. Aber zum tödlichen Schlag gegen den Massenmörder konnte er sich nicht entschließen. Wie nannte man das einst? Feigheit vor dem Feind – dem schlimmsten unserer Geschichte.
Hitler hatte ab 1943 bei seinen eigenen Truppen so stark die Hosen voll, dass er unter allen Heerführern nur noch seinen LIEBLING ROMMEL in Frankreich besuchte. Wäre Rommel mutig gewesen, dann hätte er Hitler festnehmen, vor ein Standgericht stellen und hinrichten lassen. Wir würden es ihm noch heute danken.
Das beste Bild der Ausstellung stammt aus Heidenheim, wo vor kurzem Kriegsgegner den Rommel-Stein mit einer Aufschrift verschönerten: „Faschist + Nazi-Sau“. Keine gewählte Sprache, aber ein klarer Kommentar – nun ein weites Feld für die Kriminalpolizei, nicht für die Landesgeschichte.
Das „Haus der Geschichte“ vernebelt nicht nur die Hirne der Besucher, sondern auch die der Presse. So ließ sich die Presse einlullen und druckte gedankenlos ab (Südwestpresse 29. Mai 2009), was der Chef des Hauses, THOMAS SCHNABEL, diktierte: Die Schau wird verlängert, es seien ja schon so viel gekommen, 30.000 Besucher, er ziele auf 35.000 ab. – Potzblitz, sind das Erkenntnisse.
Thomas Schnabel zeigt sich begeistert. Eine qualifiziertere Begeisterung könnte er erleben, wenn er diese Art von Ausstellungen bleiben lassen würde.
Im Alten Schloss sahen in derselben Zeit über 140.000 Besucher eine Piratenausstellung. Was dieses Thema soll, während die deutsche Marine Piraten vor Somalia bekämpft, bleibt den Bürgern unverständlich. Stuttgart lebt in Sachen Geschichte auf einem SCHWARZEN, GEISTIG AUSGEBRANNTEN PLANETEN.
Gefragt wären Aufarbeitungen der Nazi-Geschichte, das Gestapohauptquartier HOTEL SILBER, eine NS-Dokumentationsstelle mit den unbequemen Themen JUDENDEPORTATIONEN, politische Verfolgung und Verflechtung mit den feinen Familien der Stadt. Alles bisher bei den Stadthistorikern schön verdrängt, genauso Aufbau und Arbeit des SD (SS-GEHEIMDIENST) zur Vorbereitung eines Überfalls auf die Schweiz.
Das alles soll angeblich im geplanten Stadtmuseum kommen. Die bekannt gewordenen Pläne zeigen das Gegenteil: eine Verharmlosung.
Autor: Hellmut G. Haasis