Seit 2012 findet in der drittgrößten Stadt Israels, Haifa, jährlich die „Miss Holocaust Survivor“ Wahl statt. Ein Event bei dem nur Frauen zugelassen sind, die den Holocaust erlebt und überlebt haben.
Für Europäer, speziell für Deutsche, sowie für Opfer des Holocausts könnte diese Form der Aufarbeitung und auch Verarbeitung der Ereignisse abstrus und teilweise sogar makaber erscheinen. Welche Intention der Veranstalter dabei hat und wieso sich über 600 Frauen jährlich zu dieser Wahl anmelden, wollte auch die polnische Filmmacherin Michalina Musielak ergründen.
Sie drehte dazu eine Dokumentation unter dem gleichen Namen wie die Veranstaltung – Miss Holocaust – und stellte diese bei der diesjährigen Berlinale in der Kategorie Kurzfilm vor.
Musielak versucht mit dieser Dokumentation nicht nur die Frage des „Warum“ zu beantworten, sondern auch hinter die Kulisse zu blicken und zu ergründen, wieso sich so viele Frauen für die Teilnahme entscheiden. In der Kurzdokumentation werden vier Holocaust-Überlebende auf ihrem Weg zur Miss Holocaust Survivor begleitet.
„Miss Holocaust“ ist ein Film, der sich weniger mit dem eigentlichen Thema Holocaust beschäftigt. Die Regisseurin möchte den Fokus nämlich auf die Gegenwart und die Frauen und Überlebenden heute setzen.
Da die meisten der deportierten Juden polnischer Herkunft waren, konnte die Regisseurin, die in Breslau geboren ist, einen direkten und persönlichen Kontakt herstellen. Das zeigt sich auch in „Miss Holocaust“ die es schafft wahre persönliche Einblicke in die Seele dieser Frauen zu bekommen.
Die Dokumentation zeigt aber auch, dass es eben doch eine ganz normale Miss Wahl ist: Den Kandidatinnen wird in einer Art Crashkurs beigebracht sich zu präsentieren, sich auf der Bühne und dem Laufsteg zu bewegen und sich auf den Ablauf vorzubereiten. Wo jedoch meistens Frauen in ihren frühen zwanziger Jahren in knappen Outfits schaulaufen, sind die Kandidatinnen hier ganz anders. Keine ist jünger als 75 Jahre und obwohl viel gelacht, gescherzt und sich amüsiert wird, verbindet alle eine gemeinsame und seelisch wie körperlich schmerzhafte Vergangenheit.
Wieso die Wahl jedoch besonders in Israel kritisch diskutiert wird zeigt der Film auch auf: Als Sponsor tritt eine Kosmetikfirma auf und vielen ist nicht klar, wieso ein Thema wie dieses so präsentiert werden muss.
Die andere Seite sind jedoch hunderte Frauen, die sich jedes Jahr wieder zur Miss Wahl anmelden. Ihr Ziel: Die Erinnerung an diesen unvergesslichen Mord an einem ganzen Volk aufrecht zu erhalten, aber auch zu zeigen: Wir leben, wir lachen, wir sind stark.
„Miss Holocaust“ ist das gelungene Erstlingswerk der polnischen Filmmacherin Michalina Musielak. Mit dem Anspruch an eine Dokumentation wird hier die Teilnahme an Miss Holocaust von vier Kandidatinnen begleitet. Die Dokumentation zeigt aber auch auf, wieso diese Veranstaltung zur Hilfe von Holocaust-Überlebenden von anderen Organisationen kritisiert wird.
Miss Holocaust – von Michalina Musielak
Polen / Deutschland 2017
Hebräisch
Dokumentarische Form
22 Min · Farbe
Sektion: Berlinale Shorts