Obwohl das Thema schon lange in der Vergangenheit liegt und es kaum noch Zeitzeugen gibt, zeigt sich das Thema des Holocausts vor allem für deutsche Filmschaffende als Herausforderung und Hürde gleichermaßen. Mit seinem fünften Film als Regisseur hat sich Chris Kraus an dieses Experiment gewagt und am 12. Januar seinen Film „Die Blumen von gestern“ dem deutschsprachigen Kinopublikum vorgestellt. In gewagter Absicht versuchte Kraus, der gleichzeitig Drehbuchautor und Regisseur war, das Thema in eine Komödie zu packen.
Zu allererst: Dieser Film, der wohl als Screwball-Liebeskomödie zu bezeichnen wäre, versucht uns nicht die Zustände in den Konzentrationslagern des NS-Regimes zu demonstrieren oder eine Dokumentation mit Angehörigen oder Verbliebenen zu präsentieren. Ziel war das ernste Thema möglichst komisch und abstrus darzustellen.
Keine leichte Rolle für Lars Eidinger (Totila „Toto“ Blumen) und Adèle Haenel (Zazie Lindeau). Die beiden erfahrenen europäischen Schauspieler können jedoch als ungleiches Paar auf der Leinwand glänzen.
Lars Eidinger spielt mit Toto den Nachfahren eines SS-Offiziers der direkt am Holocaust in Riga beteiligt war. Doch statt diese Familiengeschichte zu ignorieren oder zu leugnen, erforscht er diese in seinem Beruf als Historiker. Dass Toto einen speziellen Charakter hat ahnen wir schon in den ersten Minuten des Filmes als dieser seinen Chef (Jan Josef Liefers) derart verprügelt, dass dieser von nun an nur noch mit einer Halskrause zu sehen ist.
Zazie Lindeau wird Toto als französische Praktikantin zur Seite gestellt und wie der Zufall so möchte verbindet beide eine gemeinsame Vergangenheit: Zazies Großmutter zählte zu den jüdischen Opfern und aus diesem Grund interessiert sich Zazie für den Holocaust.
Diese Kombination der beiden spiegelt sich in zahlreichen Konfrontationen, die zuweilen auch handgreiflich sind, zwischen den beiden Charakteren und soll wohl den Charme und den Witz des Filmes ausmachen.
Während die beiden oberflächlich auf Konfrontation gehen, entwickelt sich eine bizarre Liebe zwischen ihnen, die von einem Extrem zum nächsten geführt wird. Dem Zuschauer eröffnet sich ein verschobenes Bild zweier abstruser Personen, die mit überzogenen Charakterzügen aufeinander einprügeln und sich schlussendlich verlieben.
Ob und wie es „Die Blumen von gestern“ schafft eine tatsächliche Bewältigung des Holocausts zu bewerkstelligen bleibt dem Zuschauer selbst überlassen. Zeitweise wirken die Szenen zu übertrieben und mit Emotionen überladen als dass man sich auf das große Ganze und die tatsächliche Bewältigung konzentrieren könnte.
Regisseur Chris Kraus betont zudem, dass er plant mit „Die Blumen von gestern“ Einzug in die Klassenzimmer Deutschlands zu nehmen und mit diesem Film eine umfassende Aufklärung und Auseinandersetzung mit dem Thema des Holocausts erreichen möchte. Ob die ernste Thematik des Filmes speziell bei jüngeren Menschen Anklang findet, ist eine kritische Frage die sich Kraus hier stellen lassen muss jedoch wird der Humor dieser Zielgruppe wohl eher entsprechen als früheren Generationen.
„Die Blumen von gestern“ ist ein interessanter Film, der vor allem durch seine exzentrischen und extremen Hauptdarsteller im Kopf bleibt und für Lacher sorgen kann. Jedoch ist Kraus mit seiner Herangehensweise und Idee wohl etwas über das Ziel hinausgeschossen und wird bei dem einen oder anderen Zuschauer für Verwirrung, wenn nicht sogar Empörung sorgen.
Erscheinungsdatum: 12. Januar 2017
Regisseur: Chris Kraus
Musik von: Annette Focks
Kamera: Sonja Rom
Drehbuch: Chris Kraus