Menashe Lustig ist ohne Internet und Fernseher in einer orthodoxen jüdischen Gemeinde aufgewachsen, die eine Stunde von Manhattan entfernt ist und von dem Rabbi seines Vaters gegründet wurde. Der Rabbi war ein Überlebender des Holocausts aus der Ukraine und hatte beschlossen, in den Wäldern ein Dorf zu bauen. Dort hat er alle die unterschiedlichsten Leute aufgenommen. Neben den Ukrainern auch Polen und Bulgaren. Trotz der Tatsache, dass Menashe ohne Filme, ohne Zeitungen, ohne Restaurants und ohne SMS aufgewachsen ist, wollte er schon immer Schauspieler werden und jetzt läuft im Kino sein erster Film.
„Menashe“ wurde komplett auf Jiddisch gedreht und der Hauptdarsteller ist ein orthodoxer Jude, der seine Hand keiner Frau auf dem Festival geben darf. In dem Film wird das Wort “ungewöhnlich” sehr oft eingesetzt, was nicht gerade der Aussagekraft guttut. Doch man kommt bei dem ersten abendfüllenden Spielfilm „Menashe“ des jungen Regisseurs Joshua Z. Weinstein um dieses Adjektiv nicht herum. „Menashe“ ist einfach ungewöhnlich. Die Titelfigur Menashe, die von Menashe Lustig gespielt wird, lebt im New Yorker Stadtteil Brooklyn in Borough Park. Eine der größten ultraorthodoxen jüdischen Gemeinden lebt in Borough Park. Natürlich ist damit eine Gemeinde außerhalb von Israel gemeint. Das Leben der knapp 120.000 strenggläubigen Juden wird von Religion und Tradition geprägt. Obwohl ihr Viertel inmitten einer der modernsten Weltmetropolen liegt, ist hier alles anders. Den Touristen wird außerdem geraten, sich nicht dorthin zu begeben, denn in dieser Gemeinde bleibt man lieber unter sich.
Der Hauptdarsteller Menashe hat vor einem Jahr seine Frau verloren und arbeitet in einem koscheren Lebensmittelgeschäft. Wegen des Verlustes darf derzeit sein zehnjähriger Sohn Rieven, gespielt von Ruben Niborski, nicht bei ihm leben, denn die Thora verbietet das. Demnach braucht ein Mann eine Frau, die sich entsprechend um das Haus kümmert. Aber Menashe distanziert sich von den Bräuchen seiner Gemeinde immer mehr und trägt keinen schwarzen Mantel oder einen hohen Hut mehr wie die anderen Männer. Seine Schläfenlocken klemmt er sich hinter die Ohren, so dass man sie kaum noch sehen kann. Auf die Partnervermittlung seiner Gemeinde lässt er sich widerwillig ein, um seinen Sohn wieder zu bekommen, weist jedoch jede Dame von sich weg, denn er ist nach dem Verlust seiner Frau noch nicht bereit, eine neue Frau kennenzulernen.
Joshua Z. Weinstein, der Regisseur, ist selbst Jude, der den Glauben modern lebt. Für ihn war die Gemeinde von Borough Park immer eine ferne Welt, obwohl er in New York geboren wurde. Genau diese Tatsache war seine Inspiration für den Film „Menashe“. „Menashe“ bezeichnet man als einen naturalistischen Film, der durchs Schlüsselloch einer verschlossenen Gemeinde Einblick in das jüdische Leben in New York verschafft. Der Zuschauer erlebt im Film durch die Darstellung einer Sabbatfeier mit Menashe und seinem Sohn, wie die orthodoxen Juden fröhlich anfangen zu singen und ihren Glauben feiern. Dabei klopfen sie auf den Tisch, spielen Instrumente und klatschen in die Hände.
Dennoch führt Menashe im Film einen äußeren und inneren Kampf mit den Traditionen. Sein Sohn lebt beim Bruder seiner verstorbenen Frau, der seinen Glauben streng lebt. Dessen Frau kümmert sich um das Essen und die sieben Kinder, während er die Thora tagsüber studiert. Menashe versucht dabei seinen eigenen Weg zu gehen, was in einer solchen Gemeinde kaum zu schaffen ist, denn immer hat jemand ein Auge auf ihn gerichtet. Somit zieht Menashe das Unglück praktisch an. Trotzdem ist der Film oft sehr lustig, sei es durch die schroffen Kommentare von Menashe oder aus Situationskomik. Am Ende des Films herrscht reine Traurigkeit, denn Menashe muss sich letztendlich entscheiden, ob er frei sein will oder ob er sich den Traditionen beugt.
Menashe – von Joshua Z Weinstein
USA / Israel 2017
Jiddisch, Englisch
81 Min · Farbe
Berlinale: Sektion Forum