Thomas Lindenberger (Hg.): Massenmedien im Kalten Krieg. Akteure. Bilder. Resonanzen, Köln, Weimar, Wien 2006.
Der „Kalte Krieg“ zwischen den westlichen liberalen Staaten unter der Führung der USA und den sozialistischen Staaten unter der Führung der Sowjetunion prägte bis zum Zerfall des Ostblocks Ende der 80er Jahre Politik, Kultur und Gesellschaft. Vor allem in den 50er und 60er Jahren bildete sich eine regelrechte „Cold War Culture“ heraus: Weltsichten, Ordnungsvorstellungen und Alltagspraxen wurden vom Kalten Krieg bestimmt.
Die Massenmedien spielten auf beiden Seiten eine zentrale Rolle, vor allem die Bildmedien Film und ab den späten 60er Jahren verstärkt auch das Fernsehen. Dabei berichteten die Medien nicht nur über den Kalten Krieg, sondern waren – auf beiden Seiten – vor allem Propagandainstrument und trugen wesentlich dazu bei, im Bewusstsein der Menschen den extremen Systemgegensatz überhaupt erst zu konstituieren.
Der von Thomas Lindenberger, Privatdozent an der Universität Potsdam und Projektleiter am Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam, herausgegebene Band versammelt insgesamt 8 Aufsätze, die aus einem Forschungsprojekt über Massenmedien im Kalten Krieg hervorgegangen sind. Mit Ausnahme von zwei Beiträgen, die sich mit der westdeutschen Publizistik der 50er Jahre (Marcus M. Payk) und den Hörfunkkommentaren der katholischen Kirche (Christine Bartlitz) befassen, thematisieren alle Aufsätze Film und Fernsehen: Ulrike Weigel untersucht den Regisseur Wolfgang Staudte, der bereits im NS-Regime tätig war. Staudte wird dabei als eine Art gesamtdeutscher Grenzgänger dargestellt. Zwischen 1945 und 1955 realisierte der Westberliner sowohl im Westen wie auch für die DEFA in der DDR Projekte. Mit seinen Filmen „Die Mörder sind unter uns“ oder der Verfilmung des Romans von Heinrich Mann „Der Untertan“ hat er Filmgeschichte geschrieben. Immer wieder wurde er sowohl von offiziellen Stellen und der Presse im Osten wie im Westen angefeindet. Staudte steht damit für den Versuch, wenigstens im Kulturbereich den Systemgegensatz abzumildern. Mit Beginn der 50er Jahre war dieser Versuch weitgehend gescheitert, DDR und BRD entwickelten völlig eigene Filmkulturen.
Weitere Beiträge befassen sich mit der „Befreiungspolitik in DDR-Spielfilmen“ (Bernd Stöver), mit dem sowjetischen Kriegsfilm zwischen 1945 und 1965 (Lars Karl), der geschlechterpolitischen Inszenierung des Kalten Krieges am Beispiel der „Schlüsselkinder“ (Uta C. Schmidt). Besonders hervorzuheben ist der Beitrag von Uta Schwarz über die Wochenschauen in der BRD und der DDR in den 1950er Jahren. Deren Bedeutung kann, waren sie doch bis in die 70er Jahre fester Bestandteil des Kinoprogramms im Osten wie im Westen. Beide Wochenschauen, die „Neue Deutsche Wochenschau“ in der BRD und „Der Augenzeuge“ in der DDR, waren zunächst darum bemüht sich von der propagandistischen Wochenschau der NS-Diktatur abzusetzen. Beide Wochenschauen wollten nicht manipulieren, sondern setzten auf den mündigen Zuschauer. „Sie sehen selbst, Sie hören selbst – urteilen Sie selbst“, war das Motto in der Anfangszeit der DDR-Wochenschau, das im Vorspann jeder Ausgabe zu sehen war. Im Laufe des Kalten Krieges wurden jedoch beide Wochenschauen immer mehr zu Propagandainstrumenten. Am Beispiel von Berichten über Mode und die industrielle Arbeitswelt – Sujets die in beiden Wochenschauen häufig waren – zeigt Uta Schwarz die unterschiedliche Vorgehensweise in Ost und West. Während bei Berichten über Industriearbeiten im Westen vor allem der Aspekt des Wirtschaftswunders und der Versöhnung der Klassen, der Politik und der Arbeiterschaft hervorgehoben wurde, präsentierte die DDR-Wochenschau viel stärker die einzelnen Arbeiter in ihrer Bedeutung beim Aufbau des Sozialismus.
Dass es neben Konfrontation im Kalten Krieg auch mediale Kooperationen gab, zeigt schließlich Thomas Heimann in seinem Beitrag über „Television in Zeiten des Kalten Krieges“ auf. Sowohl Nachrichtenbeiträge wie auch ganze Spielfilm- und Fernsehproduktionen wurden vom ideologischen Gegner übernommen. Teilweise aus schlichter Not, weil die eigene Produktion rein quantitativ nicht reichte. Vor allem für die Fernsehverantwortlichen in der DDR entstanden dadurch Probleme, Filme wurden daher streng auf ideologische Verträglichkeit geprüft.
Alle Aufsätze gehen auf einen Workshop am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam im Mai 2003 zurück. In diesem Sinne kann man den Band auch als eine Sammlung anregender Diskussionsbeiträge sehen. Damit ist aber auch der Mangel des Bandes beschrieben: Trotz der Bemühung um eine Klammerung durch den Herausgeber stehen die Beiträge in keinem wirklichen innerlichen Zusammenhang. Eine „integrierende Sichtweise“ des Kalten Krieges, wie der Klappentext des Verlages verspricht, leistet der Band so nicht. Schmerzlich vermisst man auch Beiträge zur Medientheorie, insbesondere zum Problem der Konstitution der Wirklichkeit des Kalten Krieges durch die mediale Inszenierung. So sollte man den Band vor allem als Impuls für künftige Forschungen sehen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Autor: Bernd Kleinhans
Thomas Lindenberger (Hg.): Massenmedien im Kalten Krieg. Akteure. Bilder. Resonanzen, Köln, Weimar, Wien 2006 (Böhlau Verlag), 286 Seiten, 39, 90 Euro