Die antisemitischen Propagandafilme im Vergleich

Filmplakat des antisemitischen Propagandafilmes „Jud Süss“
Als ein „Gewehr, das zwanzigmal in der Sekunde schießt“ hat der jüdische Schriftsteller Heinrich Eduard Jacob am Ende der zwanziger Jahre den Propagandafilm in seinem Roman „Blut und Zelluloid“ bezeichnet. Wenn diese Analogie je eine Berechtigung erfahren hat, dann in den antisemitischen Propagandafilmen des Dritten Reiches.
Visionen aus finsteren Zeiten? Keineswegs. Jud Süß und Der Ewige Jude, die beiden Inbegriffe antisemitischer Propaganda der Nazis, verbreiten auch heute noch Unheil. Als beliebte Filme haben sie in den arabischen Ländern die Zeit nach dem Krieg überdauert und genießen heute in der rechtsradikalen Szene den Status von Kultfilmen.
Doch was macht sie so gefährlich? Jud Süß und Der Ewige Jude kamen beide gegen Ende des Jahres 1940 kurz hintereinander in die deutschen Kinos. Sie bildeten den perfiden Höhepunkt der nationalsozialistisch-antisemitischen Propaganda zu einem Zeitpunkt, als überall in Europa die Deportationen jüdischer Menschen begannen und die Nationalsozialisten sich anschickten, Europa zu unterwerfen.
Betrachtet man die Entstehung der Filme, so kommt Erstaunliches zutage. Hier haben nicht zwei verblendete Regisseure, Veit Harlan und Fritz Hippler, zwei hasserfüllte Machwerke geschaffen, sondern Goebbels und Hitler beeinflussten die Filme bis in kleinste Details. In den Filmen zeigt sich deutlich, welche furchtbaren Pläne sich in den Köpfen der nationalsozialistischen Führer entwickelten. Besonders Der Ewige Jude verkündete offen, was bald furchtbare Realität werden sollte. Hitler prophezeite darin in einer Rede die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa.

Plakat zur antisemitischen Ausstellung „Der Ewige Jude“
Sowohl Jud Süß als auch Der Ewige Jude passten in das Klima des sich ständig verschärfenden Antisemitismus im Dritten Reich. Beide Filme sollten zusammen mit Rundfunk und Presse die Bevölkerung auf das Ungeheuerliche vorbereiten. Für bisherige Verbrechen, wie die Nürnberger Gesetze lieferten die Filme die passende Rechtfertigung.
Jud Süß von Veit Harlan wurde als historisches Drama angelegt, in dem bekannte Schauspieler wie Heinrich George und Ferdinand Marian mitwirkten. Man bediente sich eines bekannten Stoffes, der schon von Lion Feuchtwanger und zahlreichen anderen Autoren bearbeitet worden war. Es geht dabei um die historisch umstrittene Figur des Joseph Süß Oppenheimer, dem Finanzberater des württembergischen Herzogs Karl Alexander in der Mitte des 18. Jh.. Die Handlung des Filmes beschreibt den verhängnisvollen Einfluss des Juden auf den Herzog und die Ausbeutung des württembergischen Volkes. Das Drama erreicht seinen Höhepunkt in der Vergewaltigung der „arischen“ Heldin und der „sühnenden“ Hinrichtung des Juden.
Der Ewige Jude war nach den Vorstellungen Hitlers und Goebbels als Ergänzung zu Jud Süß gedacht. Als „Dokumentarfilm“ sollte er dem deutschen Volk glaubhafte Argumente über die Minderwertigkeit der jüdischen Rasse liefern. In geschickten Kombinationen von Dokumentaraufnahmen und Trickfilmen werden Juden mit Ratten verglichen und die jüdische Grausamkeit anhand blutiger Schächtszenen gezeigt.
Jud Süß und Der Ewige Jude verdankten ihren propagandistischen Erfolg einer Gemeinsamkeit: Sie bedienten sich beide aller antisemitischen Stereotypen, die in der Geschichte des Antisemitismus greifbar waren. Das reichte von dem Vorwurf der religiösen Kindesopferung bis zur These einer globalen jüdischen Weltverschwörung. Beide Filme machten so trotz ihrer unterschiedlichen Konzeption eine enorme Fülle von Vorurteilen für die Zuschauer so greifbar, wie es nur das Medium Film vermochte. Jeder konnte nun einen Grund finden, weshalb er den Geschehnissen tatenlos zusah. Und manch anderer konnte einen Grund finden, weshalb er etwas gegen die Juden unternahm. Jud Süß und Der Ewige Jude wurden wiederholt Polizei- und Wehrmachtseinheiten sowie KZ-Wachpersonal vorgeführt, mit furchtbaren Konsequenzen für die Opfer.
Als die Filme Ende 1940 gezeigt wurden, war schon in Planung, was die Welt später mit dem Begriff Holocaust verbinden sollte, nämlich die systematische Vernichtung der europäischen Juden. Dass die Mehrheit der Deutschen die Augen verschloss und das Furchtbare passiv hinnahm oder sogar billigend ignorierte, war nicht zuletzt auch den beiden Filmen zu verdanken. Das Gefühl von Gerechtigkeit war aus den Köpfen der Zuschauer zu diesem Zeitpunkt bereits eliminiert und die Ermordung der europäischen Juden konnte seinen Lauf nehmen.
Die Perfektion ihrer antisemitischen Argumentation und ihre perfekte psychologische Wirkung macht die Filme auch heute noch zu gefährlicher Propaganda. Es scheint, als sei niemand dagegen gefeit. Als Der Ewige Jude im Oktober 2001 im Zuge eines Publizistikseminars an der Technischen Universität Berlin gezeigt wurde, diskutierte das Publikum nicht über die Propagandawirkung des Filmes, sondern man stritt sich um die angeblich bestialische Grausamkeit der jüdischen Schächtsitte – eine Reaktion, wie man sie auch in Filmkritiken von 1940 nachlesen kann. Genau das hatte Hitler vor über sechzig Jahren von seinem Publikum erwartet. Es bleibt also zweifelhaft, ob es gelingt, die antisemitischen Propagandafilme zu entmystifizieren, indem man sie einem breiten Publikum zugänglich macht. Zu perfekt, zu eindringlich ist auch heute noch die Propagandawirkung, der sich mancher, auch unter sachkundiger Anleitung, nicht entziehen könnte.
Literatur
Ahren, Yizhak u.a.: „Der ewige Jude“ oder wie Goebbels hetzte – eine Untersuchung zum nationalsozialistischen Propagandafilm. Alano Verlag, Aachen 1990
Hollstein, Dorothea: „Jud Süss“ und die Deutschen. Antisemitische Vorurteile im nationalsozialistischen Spielfilm. Fischer Taschenbuch, Frankfurt/Main 1983
Hornshøj-Møller, Stig: „Der ewige Jude“. Quellenkritische Analyse eines antisemitischen Propagandafilms. Institut für den Wissenschaftlichen Film, Göttingen 1995. (Auch erhältlich als kostenloser Sonderdruck bei der Bundeszentrale für politische Bildung, Postfach 1369, 53111 Bonn)
Mannes, Stefan: Antisemitismus im nationalsozialistischen Film – Jud Süß und Der ewige Jude, Köln 1999