General Josef Kammhuber: Sich seines „Wertes bewusst“ von Hauptmann bis General
Die frühen Jahre: Vom Leutnant zum Hauptmann
Josef Kammhuber, geboren am 19. August 1896 im bayerischen Tüßling, trat 1914 als Kriegsfreiwilliger in die bayerische Armee ein und wurde 1917 zum Leutnant befördert. Seine militärische Karriere begann in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs, wo er, wie viele andere, die Schrecken des Krieges hautnah erlebte. Nach Kriegsende blieb er der Reichswehr treu, der verkleinerten Streitmacht der Weimarer Republik. Hier wurde Kammhuber zu einem Teil der militärischen Elite, die die Grundlagen für eine spätere Karriere in der Luftwaffe legen sollte. Kammhubers Werdegang in der Reichswehr war jedoch nicht von bedeutenden Ereignissen geprägt; er zeichnete sich eher durch einen kontinuierlichen Aufstieg innerhalb der militärischen Hierarchie aus.
Seine Beförderung zum Hauptmann markierte einen Wendepunkt in seiner Karriere. Als Hauptmann begann Kammhuber, seine Fähigkeiten in strategischen Planungen weiter zu entwickeln, ein Bereich, der später für seine Rolle in der Luftwaffe entscheidend werden sollte. Die Jahre in der Reichswehr formten Kammhubers militärisches Denken und bereiteten ihn auf die kommenden Aufgaben vor, die ihn in die höchsten Ränge der Wehrmacht führen sollten.
Aufstieg in der Luftwaffe 1933, 1939: Der Weg zum General Josef Kammhuber
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 und der darauf folgenden Wiederaufrüstung Deutschlands trat Kammhuber der neu gegründeten Luftwaffe bei, wo er seine Karriere fortsetzte. 1939, im Jahr des Kriegsausbruchs, war Kammhuber bereits ein etablierter Offizier und wurde als Oberst in der Luftwaffe eingesetzt. Im Laufe der ersten Kriegsjahre sollte er eine entscheidende Rolle in der Organisation und Führung der deutschen Luftverteidigung spielen.
Im Juli 1940 wurde Kammhuber zum Kommodore des Kampfgeschwaders 51 ernannt, wo er erste Erfahrungen in der Bekämpfung alliierter Bomberangriffe sammelte. Doch es war seine Ernennung zum Generalmajor im Oktober 1940, die seinen Ruf als einer der führenden Köpfe der Luftwaffe festigte. Kammhuber wurde mit der Leitung der Nachtjagddivision betraut, die sich auf die Abwehr der alliierten Nachtbomber konzentrierte. Hier entwickelte er das sogenannte „Kammhuber-Linie“, ein innovatives Radar- und Abfangsystem, das die alliierte Bomberoffensive massiv behindern sollte.
Obwohl Kammhubers Strategie zunächst erfolgreich war, erwies sich die alliierte Überlegenheit in Technik und Produktion als überwältigend. Dennoch bleibt sein Beitrag zur Luftverteidigung unbestritten, und sein strategisches Denken prägte die militärischen Operationen der Luftwaffe in den darauffolgenden Jahren maßgeblich.
Die Jahre des Krieges: Zwischen Erfolg und Niederlage gegen die alliierten Bomber
Während des Zweiten Weltkriegs erlebte Kammhuber den Aufstieg und Fall der deutschen Luftwaffe aus nächster Nähe. 1943 war ein Schlüsseljahr in Kammhubers Karriere. Die alliierten Luftangriffe wurden intensiver und der Bedarf an effektiver Luftverteidigung wurde immer dringender. In dieser Zeit wurde Kammhuber, mittlerweile General, als „General der Nachtjagd“ bekannt, ein Titel, der seine Expertise und Führungsrolle in diesem Bereich unterstrich.
Doch trotz seiner Bemühungen geriet Kammhuber zunehmend unter Druck. Die Entwicklung der alliierten Bomberflotten, insbesondere der viermotorigen Bomber, stellte eine Herausforderung dar, die die deutschen Verteidigungsmaßnahmen oft überforderte. Historiker Wolfgang Schmidt beschreibt Kammhubers Dilemma treffend: „Kammhuber wusste, dass die feindliche Übermacht auf Dauer nicht zu stoppen war, doch sein ‚Wertes Bewusst‘ als Offizier zwang ihn, den aussichtslosen Kampf fortzusetzen.“
Im Februar 1945 wurde Kammhuber zum Oberbefehlshaber der Luftflotte 5 ernannt, doch zu diesem Zeitpunkt war der Krieg praktisch verloren. Die Niederlage des Dritten Reiches und das Ende der Luftwaffe standen unmittelbar bevor. Kammhuber geriet schließlich in französische Kriegsgefangenschaft, ein Schicksal, das er mit vielen anderen Offizieren seiner Zeit teilte.
Nachkriegszeit und Bundeswehr: Trotz Ritterkreuz des eisernen Kreuzes mit Stern und Schulterband der Nazis: Kammhuber wird Inspekteur der neuen Luftwaffe
Nach dem Kriegsende und einer Zeit in Kriegsgefangenschaft begann für Kammhuber eine neue Phase seines Lebens. 1955, mit der Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Deutschland, kehrte er in den militärischen Dienst zurück. Im Juni 1956 wurde er in die neu gegründete Bundeswehr übernommen und war maßgeblich an der Wiederaufstellung der deutschen Luftwaffe beteiligt. Sein Ruf und seine Expertise machten ihn zur idealen Wahl für den Posten des Inspekteurs der Luftwaffe, den er 1957 übernahm.
Die militärische Aufbaugenerationen der Bundeswehr 1955 bis 1970
In dieser Funktion prägte Kammhuber die militärische Aufbaugeneration der Bundeswehr 1955 bis 1970 entscheidend. Er setzte auf die Strategie der massiven Vergeltung, ein Konzept, das in der NATO-Strategie der frühen Kalten Kriegsjahre von zentraler Bedeutung war. Kammhuber wurde sich in dieser Zeit bewusst, dass er eine neue Generation von Offizieren ausbilden musste, die nicht nur in militärischer, sondern auch in moralischer Hinsicht gefestigt waren. In dieser Hinsicht war sein „Wertes Bewusst“ von unschätzbarem Wert.
Späte Jahre und Vermächtnis
General Josef Kammhuber trat 1962 in den Ruhestand, aber sein Einfluss auf die Bundeswehr und die Luftwaffe blieb unbestritten. Er hatte nicht nur die Strukturen der neuen Luftwaffe geschaffen, sondern auch deren Geist geprägt. Der Historiker Helmut R. beschreibt Kammhuber als einen „der maßgeblichen Architekten der Bonner Luftwaffe“, dessen Werk weit über seine Amtszeit hinausreichte.
Kammhubers Vermächtnis ist jedoch nicht ungetrübt. Seine Rolle im Dritten Reich, seine Nähe zu den NS-Machthabern und seine Verantwortung für die strategische Luftverteidigung während des Krieges werfen dunkle Schatten auf seine militärische Karriere. Doch gerade in dieser Ambivalenz liegt der Wert einer kritischen Auseinandersetzung mit seiner Person.
Fazit: Ein General zwischen Pflicht und Moral, der sich seines Wertes bewusst war
Josef Kammhuber war ein General, dessen Karriere sowohl von bemerkenswerten Erfolgen als auch von tiefen moralischen Dilemmata geprägt war. Als Hauptmann in der Reichswehr begann er seine Laufbahn, doch es war sein Wirken in der Luftwaffe des Dritten Reiches, das ihn in die Geschichtsbücher eintrug. Sein „Wertes Bewusst“ als Offizier ließ ihn bis zum bitteren Ende kämpfen, doch der Preis dafür war hoch. Nach dem Krieg wurde er zum ersten Inspekteur der Luftwaffe in der Bundeswehr und prägte eine neue Generation von Soldaten.
General Josef Kammhuber bleibt eine umstrittene Figur der deutschen Militärgeschichte, dessen Leben und Werk immer wieder neu bewertet werden müssen. Sein Beitrag zur deutschen Luftwaffe, sowohl im Dritten Reich als auch in der Bundesrepublik, ist unbestritten, doch die ethischen Fragen, die sein Handeln aufwirft, werden weiterhin Gegenstand historischer Debatten bleiben.
Literatur
Wolfgang Schmidt, „General Josef Kammhuber: Der erste Inspekteur der Luftwaffe“, Militärgeschichtliches Forschungsamt, 2003.
Helmut R., „Die Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg: Ein Überblick“, hrsg. von Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, 2007.
Franz Josef Strauß, „Die Wiederbewaffnung Deutschlands: Eine Bilanz“, 1965.
Bernd Hammerich, „Die neue Bundeswehr: Aufbau und Entwicklung“, 2008.
Herbert Ziegler, „Die Reichswehr und ihre Offiziere“, 1985.
Gerhard Weinberg, „A World at Arms: A Global History of World War II“, 1994.
James S. Corum, „The Luftwaffe: Creating the Operational Air War, 1918-1940“, 1997.
Horst Boog, „Strategie der Luftwaffe 1939-1945“, 1996.
John Buckley, „Fighting the Bombers: The Allied Bomber Offensive“, 1999.
Randall Hansen, „Against the Allied Bomber Offensive: The Struggle of the German Air Defense“, 2004.