Was Angelina Jolie bei den internationalen Filmfestspielen in Berlin präsentiert, hat ausnahmsweise nichts mit Glamour zu tun. Seit zehn Jahren ist sie Sonderbotschafterin für das Uno-Flüchtlingshilfswerk UNHCR und hat mit ihrem Regiedebüt „In the Land of Blood and Honey“ einen sehr politischen Film gedreht. Einen Film, der einen neuen Blick auf den Bosnienkrieg wirft und es dem Zuschauer oft schwer macht, ihm ihn die grausamen Winkel dieser Zeit zu folgen.
Die Geschichte beginnt in Sarajevo und spielt vor dem Hintergrund des Bosnienkrieges, der zwischen 1992 und 1995 im ehemaligen Jugoslawien tobte. Aijla ist bosnisch-muslimische Malerin, der Polizist Danijel Serbe und Christ. Sie sind verliebt, ein Paar. In ihre Beziehung bricht der Krieg wie eine Naturgewalt. Aijla wird in ein Camp serbischer Soldaten deportiert, zu denen Danijel inzwischen gehört. Sie wird misshandelt, vergewaltigt und als menschlicher Schutzschild im Kugelhagel missbraucht. Dazwischen kommt es zu Momenten zweifelhafter Zärtlichkeit mit Danijel. Nur beide wissen weder, ob sie dem anderen trauen können, noch, wo ihre eigenen Loyalitäten liegen. Und es wird schnell mehr als klar, dass der Film kein Happy End bieten kann.
Selbst für das Genre des Kriegsdramas ist es ungewöhnlich, Vergewaltigung, Folter oder Mord so drastisch und unverhüllt zu präsentieren. Aber Jolie zeigt damit den ungeheuren emotionalen, physischen und moralischen Tribut, den der Krieg den Menschen abverlangt. Jolie ist es wichtig, die Akzente sehr klar und sehr laut zu setzen, denn sie ist überzeugt davon, dass manche Themen, die Menschen nur so erreichen. In ihrem Statement zum Film formulierte sie:
„Ich wollte etwas machen, das meine Unzufriedenheit künstlerisch darstellt: Meine Unzufriedenheit mit der Internationalen Gemeinschaft etwa, die es nicht schafft, rechtzeitig und effizient bei kriegerischen Konflikten einzuschreiten. Außerdem drängte es mich, den Bosnienkrieg besser zu verstehen, sowie die schlimmsten Themen, die damit einhergehen – Frauen im Krieg und sexuelle Gewalt etwa. Ich fragte mich, wem man die Verantwortung für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zuweisen könne, und wer, im Gegenzug, diesem Land wieder zum Frieden verhilft. Der Völkermord im Bosnienkrieg rangiert in Europa gleich hinter dem des Zweiten Weltkriegs. Und doch scheinen die Menschen solche Gewalt schnell zu vergessen, obwohl sie zu unserer Zeit passiert ist und unsere Generation daran beteiligt war, als Opfer wie als Täter.“
„In the Land of Blood an Honey“ ist Jolies leidenschaftliches Plädoyer für militärische Intervention. In den USA erreichte das Werk in den ersten Wochen nach Kinostart lediglich 35.000 Zuschauer. Ist das ehemalige Jugoslawien einfach zu weit entfernt? Räumlich und in unserer medial accelerierten Zeit vielleicht auch schon zeitlich? In Europa wäre dem Film ein größeres Publikum zu wünschen. In einer der eindrucksvollsten Szenen des Filmes sinnieren bosnische Widerstandskämpfer unter dem Feuer serbischer Heckenschützen darüber, dass sich nur 40 Flugminuten entfernt Strandurlauber an der italienischen Riviera sonnen. So nah war der Rest Europas den Schrecken des Bosnienkriegs – und doch so fern.
USA 2011 / 126 min
Bosnisch
REGIE: Angelina Jolie
DARSTELLER: Zana Marjanović, Goran Kostić, Rade Šerbedžija, Vanessa Glodjo