Mike Schmeitzner: Im Schatten der FDJ. Die Junge Union in Sachsen 1945-1950. Göttingen 2004.
Aus den „antifaschistischen Jugendausschüssen“ ging 1946 die Einheitsjugendorganisation Freie Deutsche Jugend (FDJ) in SBZ/DDR hervor. Dass die „Kaderreserve“ der „Partei der Arbeiterklasse“, SED, anfangs Konkurrenz durch die Jugendvertretungen der „bürgerlichen Parteien“ CDU und LDP hatte, ist eine weitgehend unbekannt gebliebene Tatsache. Die von Mike Schmeitzner vorgelegte Studie untersucht die in den westlichen Besatzungszonen wie in der Östlichen unter der Bezeichnung Junge Union bekannten jugendpolitischen Vertretung für das Land Sachsen bis 1950. Er geht der Frage nach, „wie und unter welchen Bedingungen sich eine solche Arbeit“ der nach dem Kriegsende gegründeten Organisation, „gestaltete, ohne auf eine Thematisierung der Wurzeln christlich-demokratischer Jugendarbeit zu verzichten.“
Bis zu diesem Zeitpunkt lernten die jungen katholischen und evangelischen Christen bewusst nur die nationalsozialistische Gesellschaft kennen. Durch Eltern in innerkirchliche Kämpfe der evangelisch-lutherischen Landeskirche („Deutsche Christen“ und „Bekennende Kirche“) während der NS-Diktatur eingebunden, entwickelten sich geistige Prägungen und politische Vorstellungen. Programmatische Debatten entspannen sich um Begriffe wie Demokratie – als Gegensatz zum totalitären Einparteiensystem – und dem „christlichen Sozialismus“. Dieser stand unter dem damals populären Gedanken, „auch weniger wichtige Betriebe in Privathand in Vergenossenschaftlichung und Arbeiterdirektbeteiligung“ zu überführen und gleichzeitig „weite Bereiche der Wirtschaft zu demokratisieren.“
Mike Schmeitzner arbeitete wissenschaftlicher Logik folgend Quellenbestände in deutschen und russischen Archiven auf. Sein Text hellt die ideologischen Auseinandersetzungen nach 1945 in Dresden auf und fügt damit erneut ein Mosaiksteinchen in die geistesgeschichtliche Regionalgeschichte ein.
Zeitzeuge Wolfgang Marcus, Jahrgang 1927, vermittelt mit seinem autobiographischen Essay anschaulich Zeitgeschichte. Durch ihn erfahren wir nicht nur biographische Zusammenhänge der Protagonisten von damals, sondern gleichfalls Gefühle, Hoffnungen und Ängste sowie das Umfeldverhalten zu ihm als einem katholisch-jüdischen Jungen während des Dritten Reiches. Der Kurator des Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung an der TU Dresden kehrte nach einer erfolgreichen Universitätskarriere im „Westen“ zu seinen sächsischen Wurzeln zurück und half als sozialdemokratischer Landtagsabgeordneter, den Freistaat Sachsen nach dem Wendeherbst in demokratische Verhältnisse zu überführen.
Autor: Uwe Ullrich. Erstveröffentlichung in „Dresdner Hefte, Nummer 82 (2/2005), Seite 97/98
Mike Schmeitzner: Im Schatten der FDJ. Die „Junge Union“ in Sachsen 1945-1950. (Berichte und Studien Nr. 47, herausgegeben vom Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung e. V.) Vandenhoeck & Ruprechtunipress, Göttingen 2004; 32,90 Euro