Rezension über: |
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Bruce Mutard: Im Auge des Zyklons. Übersetzt aus dem australischen Englisch von Benjamin Mildner. Berlin: avant-verlag 2021, 288 Seiten, ISBN 978-3-96445-051-7, 29,00 EUR. |
Spannend, informativ und immer wieder zum Denken anregend – all das ist Bruce Mutards Graphic Novel Im Auge des Zyklons über die Entwicklung Australiens in den Jahren 1939 bis 1943. Ausgehend von dem in Melbourne lebenden ca. 25 Jahre alten Robert Wells, seiner Familie und seinen Freunden vermittelt der Autor ein differenziertes Bild der australischen Gesellschaft und ihrer Probleme zu Beginn des Zweiten Weltkriegs. Während Robert anfänglich eine pazifistische Position vertritt, unterstützen andere den bevorstehenden Kriegseintritt Australiens an der Seite der Alliierten. Roberts zeitweilige Partnerin ist aktives Mitglied der kommunistischen Partei und kämpft für die Opfer der Weltwirtschaftskrise, andere aus seiner Familie profitieren gezielt von der Kriegswirtschaft. Robert selbst unterstützt aus Europa geflohene jüdische Immigranten und wird damit ein Opfer des auch in Australien grassierenden Antisemitismus. Eine Qualität des brillanten Buchs von Mutard zeigt sich darin, dass er die verschiedenen politischen Positionen im wechselseitigen Dialog und damit anschaulich und überzeugend präsentiert. Mutard gibt aber nicht nur einen differenzierten statischen Einblick in die australische Gesellschaft. Er bettet die Geschichte seiner Protagonist*innen auch in die politische Entwicklung Australiens und der Welt sinnvoll ein. Kleine Fußnoten erleichtern hier bisweilen das Verständnis, zusätzliche Erläuterungen stören gewiss nicht. Und schließlich zeigt der Verfasser, wie sich Robert Wells und sein Umfeld unter dem Eindruck des Zweiten Weltkriegs verändern, Positionen bisweilen auch revidieren. Das geschieht in einer Weise, die die jeweilige Motivation glaubwürdig vermittelt, ohne zu urteilen. Dieses grundsätzlich empathische Nachzeichnen der Entwicklung der Personen trägt nicht nur zur Spannung bei, sondern ist ein weiteres Kennzeichen dieser herausragenden Graphic Novel. Auch grafisch ist Im Auge des Zyklons überaus gelungen. Geschickt variiert der Autor die Größe der durchgängig in Duotone-Technik gehaltenen Panels, um mal einzelne Gesichtszüge, mal Stadt- oder Landschaftspanoramen zu zeigen. Ebenso überzeugend der weitgehende Verzicht auf Texte bei der Darstellung von Militär- oder Kriegsszenen. – Über das historische Beispiel hinaus zeigt Mutards Graphic Novel eindrücklich, wie ein Krieg zyklonartig eine vermeintlich stabile Zivilgesellschaft durcheinanderwirbelt.
Autor: Tomas Unglaube