
Ghaath | Ambush – von Chhatrapal Ninawe. © Platoon One Films.
Ghaath – Ambush. Nicht ohne Hintergedanke hat der indische Regisseur Chhatrapal Ninawe diesen Titel für sein neuestes Werk gewählt. Die Mischung aus Thriller und Drama verspricht ein schonungsloses Psychoprogramm, welches die Zuseher in die malträtierte Region Zentralindiens entführt. Blutig, packend und schlichtweg real. In „Ghaath“ zeigt sich die Realität des Lebens in Zentralindien nicht nur aus der Sicht einer Person. Vielmehr entführt das Thriller-Drama die Zuseher an zahlreiche Kriegsschauplätze und lässt sie an den grausamen Überlebenskämpfen hautnah teilhaben. Gleich zu Beginn wird klar, dass der Titel nicht nur leere Versprechen birgt.
In Zentralindien herrscht ein blutiger Bürgerkrieg zwischen der bestehenden Zentralregierung und den Naxaliten, einer Ansammlung maoistischer Guerillas. Letzteren gelang es bereits vor über 50 Jahren, ganze Landstriche zu kontrollieren. Seither hat ihr Handeln in abgelegenen Dschungelregionen ein nicht eindämmbares Eigenleben entwickelt. Die Verselbstständigung der Guerillas führt gleichzeitig zu einem Alltag, welcher von beständiger Todesnähe und Gewalt sowohl für die kämpfenden Seiten wie für die Bevölkerung geprägt ist. Unsichtbare Fronten zwischen den kämpfenden Parteien ziehen sich für die Dorfbewohner auf, welche selbst durch kleinste Handlungen um ihr Leben fürchten müssen. Sei es der Weg ins Nachbardorf, ein unbedachter Satz oder einfach die Suche nach einem entlaufenen Hund – alles, wirklich alles, kann lebensbedrohlich enden.
Ghaath präsentiert das Schicksal, Leiden und Kämpfen aus drei verschiedenen Perspektiven und bringt die Zuseher auf jeweils einen der Kriegsschauplätze. Zunächst stellt sich ein versoffener Polizist seinen Verpflichtungen. Gleichzeitig muss ein Informant alles in seiner Macht Stehende tun, um zu überleben. Ergänzend kämpft ein zermürbter Guerilla mit seiner Vergangenheit. Das Psychodrama von Chhatrapal Ninawe spiegelt die unterschiedlichen Probleme auf eine nahezu hypnotisierende Art und Weise wieder und verlässt sich gleichzeitig bei der Darstellung der malträtierten Region irgendwo in Zentralasien wesentlich auf Bilder. Schonungslos und ehrlich zeigt sich, wie rücksichtslos der Bürgerkrieg wütend. Selbst aus sicherer Distanz können sich Zuseher und Zuseherinnen in die Lage der Beteiligten versetzen und einfach hoffen, dass ein Ende der blutigen und hoffnungslos erscheinenden Lage eintritt.
Bei Ghaath handelt es sich nicht um einen frisch gedrehten Film. Bereits 2021 wurde das Drama als einer der Panorama-Titel auf der Berlinale ausgewählt, musste dann aber zurückziehen. Der Rücktritt geschah durch eine direkte Anfrage der Jio Studios, dem leitenden Content-Studio in Indien. Die Anfrage wurde direkt an die Berlinale gesendet, in welcher gebeten wurde, den Film aus der Kategorie zu entfernen. Es fehlt bis heute eine Erklärung, warum es zu dieser Bitte kam. Drishyam Films, einer der Produzenten des Thrillers, bot sogar an, den Film komplett zurückzukaufen. Jio Studios jedoch weigerte sich und verbot ihnen sogar, den Film für andere Filmfestivals anzumelden. Selbst für die Berlinale war diese Situation eine Neuheit, da zuvor noch nie solch ein Fall eingetreten war.
Nach 15 Monaten Wartezeit gelang es endlich, den Produzenten zu wechseln. Neben Platoon Ones Bora und Drishyams Mundra stellten sich Milapsinh Jadeja und Sanyukta Gupta der Herausforderung, den Thriller der Welt zu präsentieren. Schauspieler wie Milind Shinde und Jitendra Joshi zeigen sich gemeinsam mit Suruchi Adarkar, Janardan Kadam und Dhananjay Mandaokar in den Streifen, welcher nun auf der Berlinale 2023 Weltpremiere feiert. Das besondere Highlight für das indische Filmdrama bietet sich in Form einer Nominierung für den Kameramann von Ghaath, Udit Khurana, im diesjährigen Programm. Für Mundra und Bora stellt „Ghaath“ nicht die erste Zusammenarbeit dar. Zuvor arbeiten sie an „Newton“, welcher seine Weltpremiere auf der Berlinale 2017 feierte und später sogar Indiens offizielle Einreichung für den Oscar wurde. Bei Regisseur Ninawe und Bora handelt es sich außerdem um Absolventen des Talentprogramms der Berlinale, sodass sich die Premiere an jenen Ort fast wie ein Besuch an der einstigen Wirkungsstätte anfüllt.