Am 5. August 1895 war die „zweite Violine“, als die er sich neben Karl Marx selbst sah verstummt. Marx, sein langjähriger Weggefährte ging ihm voraus und verließ schon 1883 die Bühne des Lebens. Aber Marx und Engels sind nicht voneinander zu trennen und isoliert zu betrachten.
Denn – so stellte im Engels-Jahr 1995 Martin Hundt (in Utopie kreativ, November 1995) fest: „Aber es ist unmöglich, das Werk von Marx und Engels getrennt zu sehen und zu analysieren; in nahezu allen Fällen bestehen ein unlösbarer Entstehungszusammenhang und eine gemeinsame Wirkungsgeschichte“. Doch hier soll es aus gegebenen Anlass – dem Friedrich Engels Jahr, vorrangig um den Barmer Fabrikantensohn gehen, der sich zu einem ausgewachsenen Revolutionär entwickeln sollte: 125. Geburtstag und 200. Todestag sind schon was, muss man erst mal schaffen.
Jedenfalls leicht war sein Weg nicht, denn er entstammte einem Elternhaus mit streng-pietistischen Lebensauffassungen und Vater Engels hatte keine Mühen gescheut, um seinen Sohn nach seinem Bilde zu formen; in die Kaufmannsrichtung sollte es gehen. Ganz entfliehen konnte er dem väterlichen Begehren nicht, so erhielt er 1837 eine Kaufmannsausbildung und 1842 nimmt Engels eine Tätigkeit in einem Zweiggeschäft seines Vaters in Manchester auf. Aber seine revolutionäre Ader wurde trotz allem nicht trockengelegt, im Gegenteil. Minister von Bodelschwingh sah sich nämlich im Oktober 1845 zu einer Randnotiz unter einem polizeilichen Schnüffelbericht veranlasst, um Verwechslungen vorzubeugen: „Friedrich Engels (Vater und Sohn waren namensgleich) ist ein durchaus zuverlässiger Mann, aber er hat einen Sohn, der ein arger Kommunist ist und sich als Literat umhertreibt (…)“. (siehe Ernst Engelberg in „Die Deutschen Woher kommen wir,“ Seite 200ff.) Schon ein Jahr zuvor (1844) kam es in Paris zu jener lebensverändernden und einander prägenden Begegnung zwischen Marx und Engels, die als Beginn ihrer lebenslangen Freundschaft gilt.
Frühzeitig schon auf seinem Schulwege entdeckte der begüterte Friedrich mit seinem ihm eigenen wachen sozialen Empfinden, was der Frühkapitalismus den Arbeitern antat. Er setzte seine Wahrnehmung in die Worte: „Sie atmeten mehr Kohlendampf und Staub als Sauerstoff“. Diese Eindrücke von materieller wie geistiger Verelendung sollten sich während Engels´ Kaufmannsausbildung in England noch verstärken. Daher mag es geradezu folgerichtig sein, dass er mit „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“ (1845) seine erste eigenständige Publikation vorlegte.
Eine wichtige Facette in der Biographie von Engels war sein Militärdienst als Einjährig Freiwilliger (1841/42) bei der Artillerie. Später, 1849, beteiligte er sich als Adjutant von August Willich in der badisch-pfälzischen Armee aktiv an den revolutionären Kämpfen gegen Preußen. Als – Gedienter – begann er sich danach in Auswertung der Revolutionen von 1848/49 stärker mit militärischen Fragen zu beschäftigen. Er begann „Militaria zu ochsen“,wie er es ausdrückte (MEW, Bd. 27, S. 553). Marx nannte ihn scherzhaft seinen „Kriegsminister“, schließlich wurde Engels zu einem auch beim politischen Gegner beachteten Militärtheoretiker. Er vereinte hier den Bruder Praxis und die Schwester Theorie zu einem stimmigen Geschwisterpaar. Eine Kombination die sinnbildlich so oft auch auch anderswo wünschenswert wäre, dass sie gelänge. Nach Meinung von Prof. Georg Fülberth bestand ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden darin, dass Engels weniger ein Mann der Studierstube, sondern des Erlebten und der Praxis ist. Jedenfalls entdeckte Engels den Preußen General Carl von Clausewitz und sein Werk „Vom Kriege“ Anfang der 50er Jahre für sich. Für ihn war Clausewitz ein „Naturgenie“, den er als „Stern erster Größe“ bezeichnete, das schrieb er am 7. Januar 1858 an seinen Freund Marx (MEW Bd. 21, S. 350). Ferner schrieb der „General“ an ihn: Ich lese jetzt u.a. Clausewitz,„Vom Kriege“. Sonderbare Art zu philosophieren, der Sache nach aber sehr gut“ (MEW Bd. 29, S. 252).
Ein anderes Feld, von 1873 bis 1882 entstand „Dialektik der Natur“,was nur ein Fragment bleiben sollte. Es ist ein Buch der Fragen, wer Antworten wolle müsse den „Anti-Dühring“ lesen, so der Redakteur der Zeitschrift Marxistische Erneuerung, Gert Meier. Weiter, er polemisiert im Manuskript gegen den erstarrten Naturbegriff des 18. Jahrhunderts. Natur ist für Engels Bewegung und Veränderung. Beachtenswert, bereits damals konstatierte der – Dialektiker – wachsende Natureingriffe in der Geschichte der Produktivkräfte; Entwaldungsprozesse, Bergbau, Auslaugung der Böden, Vergiftung der Luft, Klimaerwärmung durch Abholzung. Dass sich Flüsse in Kloaken verwandeln habe er an der heimischen Wupper in eigener Anschauung beobachten können. Daher suchte er, Engels, in diesem Buch nach einer nichtkapitalistischen Alternative ohne dem Prinzip der Profitmaximierung folgen zu müssen, der zu Lasten der Natur geht und die Zerstörung der Lebensgrundlagen der Menschen vorantreibt. Hat hier der Fabrikantensohn, der zum Revolutionär wurde den notwendigen sozial-ökologischen Wandel in prophetischer Weise vor gedacht?
Denn noch immer leben wir im fossilen Zeitalter.
Nach jedem Abriss folgt ein Schlussstrich, er sei wie folgt gesetzt: …„Am offensichtlichsten war der Gegensatz der Temperamente. Engels, der geselliger und weniger kampflustig als Marx war, passte besser in die konventionelle bürgerliche Gesellschaft. Er (Engels) focht und ritt und liebte Musik, genoss die Gesellschaft von Frauen und trank gern ein Glas guten Weins. Andrerseits war er im Gegensatz zum chaotischen Marx gut organisiert (…)“ (siehe „Weltgeschichte des Kommunismus“, David Priestland, ANACONDA, Seite. 55).
Vielleicht noch dies, nach seinem Tod vererbte Friedrich Engels den Großteil seines Vermögens der SPD. Er würde es angesichts ihrer Entwicklung und ihres derzeitigen Zustandes wohl nicht wieder tun. Aber es wäre sicher in Engels´ Sinne, der zwölf Sprachen aktiv und zwanzig passiv beherrschte, wenn die Linke (gesellschaftlich/parteilich) sowie generell alle progressiven Kräfte angesichts der globalen Herausforderungen endlich zu einer gemeinsamen Sprache finden würden.
Autor: René Lindenau