„Fail Safe“ ist ein Schlüsselwerk in einem Genre von Filmen, die das zerstörerische Potential der nuklearen Kriegsführung behandelt. Zusammen mit „Dr. Strangelove“ ist es eines von zwei Werken, die 1964 zum wichtigsten Jahr des Genres machen.
Es ist 1964 und der Kalte Krieg ist auf seinem Höhepunkt. Es herrscht Atomalarm. Ein unbekanntes Flugzeug nähert sich den USA. Die Bomberstaffeln der Airforce werden in so genannte Fail-Safe-Positionen in der Nähe von Russland befohlen. Erhalten sie dort einen speziellen Angriffscode fliegen sie weiter zu ihren Zielen in der Sowjetunion. Die vermeintliche Bedrohung entpuppt sich als verirrtes Verkehrsflugzeug und die Bomber werden zum Rückflug aufgefordert. Doch durch einen technischen Fehler wird der sechsten Staffel, bestehend aus sechs Bombern und vier Begleit-Jagdflugzeugen, der Angriffscode übermittelt. Der kommandierende Pilot Colonel Grady versucht das Hauptquartier in Omaha zu kontaktieren, doch die Sowjets stören den Funkverkehr und Grady glaubt, der nukleare Krieg habe begonnen. Er befiehlt seinen Bombern, das vorbestimmte Ziel anzufliegen: Moskau.
Sobald die Bomber den Fail-Safe Point überschreiten und ihre Ziele anfliegen, können sie nicht mehr zurückgerufen werden. Die Besatzungen sind dafür trainiert, alle Signale, seien es Befehle oder Bitten, zu ignorieren und ihre Mission fortzusetzen. Schließlich kann jeder Befehl zur Umkehr eine sowjetische Täuschung sein. Diese perverse Logik der nuklearen Kriegsführung, wie es ein Pilot ausdrückt, „eliminiert den persönlichen Faktor“.
Der Präsident der Vereinigten Staaten und seine Berater versuchen erfolglos die Gruppe zurückzurufen und entscheiden sich dafür sie abzuschießen durch die Begleit-Jagdflugzeuge. Die Sowjets sollen erkennen, dass es sich um einen Fehler und nicht um einen Angriff handelt. Den Jagdflugzeugen geht jedoch unterwegs der Treibstoff aus und sie stürzen ins Meer. Daraufhin kontaktiert der amerikanische Präsident den sowjetischen Generalsekretär und bietet ihm Hilfe an, die Bomber abzuschießen. Das gelingt in vier Fällen. Die letzten zwei, darunter Grady, fliegen weiter.
Der amerikanische Präsident kämpft nun darum, eine Lösung zu finden, die die Sowjetunion vor einem Gegenangriff bewahrt. Er weiß, dass wenn er scheitert, ein nuklearer Holocaust unvermeidlich sein würde. Seine Idee: Eine freiwillige Vergeltungsmaßnahme soll den globalen Atomkrieg verhindern. Ein amerikanischer Bomber soll New York City mit einer Atombombe vernichten. Der Präsident befiehlt General Black, dessen Frau und Kinder in New York leben, den Angriff durchzuführen. Das Empire State Building wird als Ground Zero genutzt. Auch der Präsident ist betroffen. Die First Lady ist gerade in New York zu Besuch.
Währenddessen scheitern die letzten Versuche der Sowjetunion die verbliebenen Bomber abzuschießen. Grady erreicht mit dem letzten Flugzeug Moskau und wirft die Bombe ab. Der Befehl für die atomare Zerstörung New Yorks ist ebenfalls erteilt. Nach der Freigabe der Bomben nimmt sich General Black das Leben. Die letzten Momente des Films zeigen Bilder von Menschen in New York, die sich um ihr alltägliches Leben kümmern, ohne sich der bevorstehenden Katastrophe bewusst zu sein.
Sidney Lumet ist einer der großen Regisseure der 60er Jahre, und seine stilistische Handschrift zeigt sich von Anfang an in diesem gelungenen Film. Das Werk beginnt mit Bildern von einer Arena, in der ein Stier vergeblich um sein Leben kämpft, während der Titel des Films fast unauffällig aufgeblitzt wird. Diese zerbrochenen, widersprüchlichen Bilder versetzen uns sofort in eine Welt unruhiger Träume, in der es wenig Trost gibt. Die amerikanischen Piloten erinnern mit ihrem gefühllosen Gehorsam und ihren schweren Gesichtsmasken eher an Roboter als an Männer. Vielleicht ist es auch die Angst, die sie zu seelenlosen Wesen macht.
Die verdiente Anerkennung von „Fail Safe“ blieb zur Zeit seines Erscheinens aus. Ein Grund dafür war die parallele Produktion von Kubricks Film „Dr. Strangelove“. Stanley Kubrick sorgte dafür, dass sein Film vor „Fail safe“ veröffentlicht wurde. Dem Biographen Vincent LoBrutto zufolge, konnte Kubrick die Produktion von „Fail Safe“ mit Plagiatsvorwürfen verzögern. Man einigte sich schließlich drauf, dass der Film erst dann erscheinen dürfte, wenn Kubricks Film die Kinosäle verlassen hatte. Als „Fail Safe“ debütierte, war „Dr. Strangelove“ bereits zum Pantheon aufgestiegen, als der Protestfilm gegen das Atomzeitalter schlechthin.
Nach dieser dunklen Komödie konnte Lumets Drama beim Publikum keinen Punkt mehr machen. Erst später wurde der Film zu einem Kultfilm. „Fail Safe“ wurde im Jahr 2000 als Live-Fernsehfilm, produziert von George Clooney, neu aufgelegt.
Der Film ist heute so aktuell wie nie, auch wenn der Kalte Krieg und das Szenario einer globalen atomaren Vernichtung Geschichte ist. Denn „Fail Safe“ thematisiert den Umstand, dass Menschen mehr und mehr Systeme schaffen, die ihnen elementare Entscheidungen aus der Hand nehmen. Der amerikanische Präsident entgegnet in einer Szene: „Wir haben unsere Maschinen außer Kontrolle geraten lassen.“
Fail Safe | Angriffsziel Moskau
Regie: Sidney Lumet
USA 1964, Englisch
112 Min · Schwarz-Weiß · 4K DCP
Digital restaurierte Fassung 2017
Berlinale – Sektion Berlinale Classics